Anfang Dezember 2022 fand in Graz zum ersten Mal die Veranstaltung „Nephrologie im Aufwind“ unter der Patronanz des Pharmaunternehmens CSL Vifor statt. Im Zuge dieses Fortbildungsimpulses wurden unter anderem neue Therapieansätze gegen Pruritus bei Dialysepatientinnen und -patienten sowie ANCA assoziierte Vaskulitis vorgestellt.
Rainald Edel, MBA
Periskop-Redakteur
Jährlich steigt die Zahl der Nierenerkrankungen in Österreich um durchschnittlich acht Prozent. Häufig werden diese Erkrankungen selbst von Betroffenen unterschätzt, da diese meist schleichend und ohne relevante Schmerzen verlaufen. Die österreichischen Nierenspezialistinnen und -spezialisten gehen davon aus, dass rund 350.000 Österreicherinnen und Österreicher an einer chronischen Nierenerkrankung leiden. Um die Versorgung von Menschen mit Nephropathien und deren Komplikationen zu optimieren und neue Therapiemöglichkeiten aufzuzeigen, wurde auf Initiative von CSL Vifor im Dezember 2022 ein neues Fortbildungsformat mit dem Namen „Nephrologie im Aufwind“ ins Leben gerufen. Angelehnt an die Sommerveranstaltung „Nephrologie Update“ wurden unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz, Leiter der Klinischen Abteilung für Nephrologie an der Med Uni Graz, Neuigkeiten in Forschung und Therapie bei nephrologischen Erkrankungen
thematisiert. Neben spannenden Vorträgen von Top-Referentinnen und -Referenten bot dieses
Event eine gute Möglichkeit zum Erkenntnis- und Erfahrungsaustausch zwischen Nephrologinnen und Nephrologen.
Teilnehmende der Veranstaltung „Nephrologie im Aufwind„ im Hotel Weitzer in Graz.
Großer Stellenwert Nephrologie
Der Schwerpunkt des Schweizer Pharmaunternehmens CSL Vifor liegt in der Erforschung, Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von pharmazeutischen Produkten auf den Gebieten Eisenmangel, Nephrologie sowie kardiorenaler Therapie.
Durch den 2022 erfolgten Zusammenschluss mit dem australischen Biotech-Konzern CSL
erlangt die Nephrologie einen noch größeren Stellenwert in der zukünftigen Strategie von CSL Vifor. Dieser wird durch die neue Struktur mit einer eigenen Business Unit Nephrologie und Rare Diseases sowie die starke Produktpipeline für die nächsten Jahre unterstrichen.
Die Firma CSL Vifor strebt auch in der Nephrologie eine führende Position an. In enger Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten, Patientinnen und Patienten sowie Selbsthilfegruppen hat sich das Pharmaunternehmen das Ziel gesetzt, eine große Bandbreite von Produkten und Lösungen für diverse Erkrankungen in Zusammenhang mit Nierenfunktionsstörungen zu entwickeln und den Betroffenen anzubieten. Ein wichtiger Meilenstein hierbei war der Launch von zwei neuen Produkten.
Mit diesen stehen erstmals eine zielgerichtete Therapie für die Anti-Neutrophile cytoplasmatische Antikörper (ANCA) assoziierte Vaskulitis sowie die erste zugelassene Therapie für den Chronic Kidney Disease-assoziierter Pruritus (CKDaP) für Patientinnen und Patienten in der Hämodialyse zur Verfügung.
Neue Pruritustherapie bei Dialysepatientinnen und -patienten
Die Dialyse ist zwar ein lebenswichtiges Verfahren für Betroffene mit Nierenerkrankungen, aber auch mit vielen Nebenwirkungen verbunden. Eine dieser unerwünschten Begleiterscheinungen ist CKDaP, ein Juckreiz, der die Lebensqualität der Menschen erheblich einschränkt. So klagen Patientinnen und Patienten mit Pruritus häufiger über Depressionen und Schlafprobleme als jene, die nicht davon betroffen sind. Ursachen für das Auftreten des Juckreizes bei Dialysepatientinnen und -patienten gibt es viele, wie beispielsweise die Ablagerung von Toxinen in der Haut oder inflammatorische Ereignisse.
Welche neuen Entwicklungen es in der Therapie von Pruritus bei Dialysepatientinnen und -patienten gibt, erläutert Priv. Doz. Dr. Alexander Kirsch, 2. stellvertretender Leiter der Klinischen Abteilung für Nephrologie der Med Uni Graz, in seinem Vortag. Einen neuen Therapieansatz stellt der Wirkstoff Difelikefalin dar. Wie eine aktuelle Studie (Kalm-1) zur Wirksamkeit dieser Substanz aufzeigt, gab es in der Wirkstoffgruppe gegenüber der Placebogruppe eine signifikante Verbesserung der Symptome. Somit verringert Difelikefalin die Intensität des Juckreizes bedeutend. Difelikefalin ist ein kleines Peptid, welches als Analgetikum wirkt, indem es die Kappa-Opioid-Rezeptoren im peripheren Nervensystem sowie im Immunsystem aktiviert. Dadurch wird die Übermittlung von Schmerzsignalen sowie die Ausschüttung von Prostaglandinen reduziert, welche für den Juckreiz verantwortlich sind. Ursprünglich wurden Kappa-Opioid-Agonisten entwickelt, um die bei der Verabreichung von Opiaten typischerweise auftretenden Nebenwirkungen zu verringern. Der Wirkstoff ist im Allgemeinen gut verträglich. Somit könnte Difelikefalin eine gute Alternative zu bisherigen Therapien, wie Anti-Histaminika darstellen. Diese haben eine sedierende Wirkung, wodurch Patientinnen und Patienten zwar eine Besserung der Symptome des Pruritus verspüren, klinisch effektiv sind sie jedoch nicht.
Außerdem sind bei diesen Medikamenten, die in den USA auch als Schlafmittel verordnet
werden, schwere Nebenwirkungen, wie erhöhtes Sturzrisiko oder Bewusstseinsveränderungen, zu verzeichnen.
Weitere bisher verwendete Behandlungsansätze stellen Cremes dar. Diese zeigten unabhängig davon, ob ein Wirkstoff enthalten ist oder nicht, einen positiven Effekt. Auch die Phototherapie, vor allem mit UV-B, zeigt Wirkungen. Da die Therapie jedoch sehr zeitaufwändig ist, wird sie nur selten durchgeführt. Des Weiteren zeigten die bei Epilepsie eingesetzten Wirkstoffe Gabapentine und Pregabalin in Studien signifikante Effekte auf den Pruritus. Diese sind jedoch mit vielen unerwünschten Begleiterscheinungen wie Veränderungen des Geisteszustandes verbunden.
Alternative zur Cortisontherapie bei AAV
Anhand einer Fallstudie stellte Assoz.-Prof. PD Dr. Kathrin Eller, stellvertretende Leiterin der
Klinischen Abteilung für Nephrologie an der Med Uni Graz, einen 30-jährigen Patienten vor, welcher unter einem schweren Fall von Vaskulitis, mit Husten, Taubheitsgefühl in den Extremitäten, Fußheberschwäche und Läsionen, litt. Auch zeigten sich in diesem Fall deutliche
Eiweißausscheidung und nephritischer Harn. Schließlich wurde eine AAV diagnostiziert. Diese Autoimmunerkrankung wirkt sich auf die kleinen Blutgefäße im ganzen Körper aus und führt zu Entzündungen und Schädigungen von Organen wie beispielsweise Niere, Lunge, Haut
und Herz. Je nachdem, welches Organ betroffen ist, treten unterschiedliche Symptome auf. Häufig beginnt AAV mit unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit, Fieber, Gliederschmerzen
oder nächtlichen Schweißausbrüchen. Unbehandelt führt diese Erkrankung innerhalb weniger
Monate zum Tod. Ziel der Therapie ist es, die Aktivität des Immunsystems zu reduzieren, um
so die Entzündungen zu vermindern und die mit der Krankheit verbundenen Schäden aufzuhalten. Bisherige Therapieansätze wiesen teils schwere Nebenwirkungen auf.
Bei der Behandlung von AAV spielt laut Rosenkranz der Arzneiwirkstoff Avacopan zukünftig eine wichtige Rolle. Mithilfe dieses Wirkstoffes aus der Gruppe der C5aR-Antagonisten wird die Neurophilen-Aktivierung von Beginn an unterbunden, wodurch eine Inflammation schon früh aufgehalten wird. Studien ließen schnell erahnen, dass Avacopan im Gegensatz zu Glucocorticoide, umgangssprachlich Cortison, nebenwirkungsarm ist. Zudem kann die Avacopan-Therapie je nach Klinik, Schwere der Erkrankung und Antigen individualisiert werden, wodurch den Betroffenen neue Möglichkeiten personalisierter Therapien offenstehen. Voraussetzung für die Behandlung mit Avacopan ist eine noch vorhandene Nierenfunktion. Trotzdem eignet sich das Medikament für Fälle mit schweren Verläufen, wie auch für fortgeschrittene Krankheitsbilder
unter Steroiden, für Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen, mit Osteoporose sowie für ältere Erkrankte.
Im Rahmen der für die Zulassung von Avacopan relevanten Phase-3-Studie wurden 331 Patientinnen und Patienten zweimal täglich 30mg Avacopan oder ein Steroid zusätzlich zu
ihrer Standardtherapie verabreicht. Endpunkt dieser Studie war das Erreichen und der Erhalt
der Remission bis ein Jahr nach Therapiestart. In der Untersuchung bekamen beide Gruppen
zu Beginn Cortison. Die Versuchsgruppe mit Avacopan erhielt eine deutlich geringere Dosis
als die Kontrollgruppe. Die Glucocorticoide wurden zudem im Laufe der vier Wochen der
Studie weiter reduziert, da die Patientinnen und Patienten diese immer weniger brauchten.
Die Remissionsrate der Wirkstoffgruppe zeigte sich gleich gut wie in der Kontrollgruppe mit
Cortison. Im Erhalt der Remission bis ein Jahr nach der Gabe der Medikamente erwies sich
Avacopan sogar besser als Cortison. Auch beim Relapse-Risiko waren die Daten für Avacopan
signifikant besser. Nach der vierten Woche war bei den Avacopan-Patientinnen und -Patienten
der Risikomarker für Diabetes mellitus Albuminurie deutlich gesenkt. Auch bei Patientinnen und Patienten mit einer bereits schlechten Nierenfunktion zeigten sich deutliche Verbesserungen. Der Einsatz von Avacopan stellt somit für Betroffene mit AAV eine deutliche Verbesserung in den Therapiemöglichkeiten mit geringeren Nebenwirkungen dar.
Fortsetzung beschlossen
Die erste Veranstaltung des neuen Kongresses „Nephrologie im Aufwind“ brachte Vortragenden sowie Besucherinnen und Besuchern viele neue Erkenntnisse und trug zu einer besseren
Vernetzung der wissenschaftlichen Community in der Nephrologie bei. Der neue Fixpunkt
im Veranstaltungskalender der Nephrologie bot ein vielfältiges Angebot hochkarätig besetzter Vorträge und förderte den fachlichen Austausch in anregender Atmosphäre. Aufgrund der gelungenen Veranstaltung und der durchwegs positiven Rückmeldungen, laufen bereits jetzt die Vorbereitungen für die nächste „Nephrologie im Aufwind“.
Weitere Informationen
Wissenschaftliche Leitung
- Alexander Rosenkranz
Vortragende
- Alexander Kirsch
- Gert Mayer
- Kathrin Eller
- Julia Kerschbaum
- Sabine Horn
- Rainer Oberbauer
- Gert Klug
Abonnieren Sie PERISKOP gleich online und lesen Sie alle Artikel in voller Länge.