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E-Health: gemeinsame Strategie vonnöten

E-Health gemeinsame Strategie vonnöten
© Krisztian Juhasz

E-Health: gemeinsame Strategie vonnöten

E-Health gemeinsame Strategie vonnöten
© Krisztian Juhasz

Im über Jahrzehnte hinweg immer komplexer gewordenen Gesundheitswesen wird mittlerweile sprichwörtlich an allen Ecken und Enden an digitalen Lösungen gearbeitet. Sinnvoll aber wäre eine gesamtheitliche Strategie, die von möglichst vielen Menschen als nützlich erkannt wird. Die Kriterien für einen Erfolg sind relativ einfach, stellten Expertinnen und Experten beim 4. PRAEVENIRE Digital Health Symposium in Seitenstetten dar.

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Wolfgang Wagner

Gesundheitsjournalist

Die zentrale Frage, so der Moderator der zweitägigen Veranstaltung (16./17. Mai 2022) Prof. Dr.
Reinhard Riedl von der Berner Fachhochschule: „Wie kann man die Probleme überwinden, welche die digitale Transformation des Gesundheitswesens verhindern?“.

„Wir müssen das Wissen der Bevölkerung übermitteln“, sagte Riedl. Zwei einander entgegengesetzte Pole seien zu identifizieren: „Der Nutzen ist ferne, das Vertrauen wird sofort gefordert. Anders ist das bei kommerziellen Apps, bei denen der Nutzen nah – und die wahrgenommenen Risiken ferne sind.“

Man sollte sich auf jene wahrscheinlich 80 Prozent der Bevölkerung konzentrieren, welche der Transformation ins digitale Zeitalter nicht feindlich gegenüberstehen. „Und würden wir jene 70 Prozent gewinnen, die sich beispielsweise gegen COVID-19 impfen haben lassen, hätten wir schon viel erreicht.“

Wir haben die Chance, Forschungsdatenräume zu schaffen - natürlich mit Pseudoanonymisierung der Daten. Vor zehn Jahren hat es mit Amazon begonnen. Jetzt sind wir bei der Gesundheit angekommen.

Einzigartige Chance Österreichs?

„In den vergangenen fünf bis sieben Jahren ist die digitale Transformation in der Gesellschaft immer stärker sichtbar geworden. Es entstehen ganz andere logistische Abläufe und Geschäftsmodelle. Mit COVID-19 ist eine Beschleunigung dieser Entwicklung einher gegangen“, sagte Univ.-Prof. Dr. Peter Parycek von der Donau Universität Krems.

Die digitale Transformation läuft in Wirtschaft und Gesellschaft, Gesundheit und Arbeit unterschiedlich ab.

Wir brauchen nicht „Big Data“, wir brauchen „Smart Data”. Per Machine Learning sollen Krankenhausaufnahmen sechs bis acht Wochen vor der eigentlichen Diagnose vorhergesagt werden können.

Österreich könnte laut Parycek in einer international extrem guten Ausgangslage für die Nutzung digitaler Daten sein. „Österreich hat mit der Elektronischen Gesundheitsakte ELGA ein stabiles System, das die Vernetzung sicherstellt. Das ist die Grundlage.

Die Grundlage für die Auswertung von Informationen, auch per Künstlicher Intelligenz/Big Data, seien eben die Daten selbst. Der Experte: „Brauchen wir die Zustimmung jeder einzelnen Patientin, jedes einzelnen Patienten? Wenn wir klar eine Pseudoanonymisierung vornehmen, ist keine Einwilligung zwingend notwendig.“

Egal, was wir machen, es ist ein Kommunikationsproblem. Es gibt keine dummen Fragen, es gibt nur dumme Antworten.

Anforderungen aus 30 Jahren Erfahrung

Für Dr. Thomas Holzgruber, Kammeramtsdirektor der Wiener Ärztekammer, mit jahrzehntelange Erfahrung auf dem Gebiet der Planung, Realisierung und dem Ausrollen von Gesundheits-IT-Lösungen – sind die Anforderungen für einen Erfolg mit einfachen Kriterien zu deklinieren.

  • Gemeinsame Road Map der Stakeholder für die Planung und Priorisierung von Projekten mit Bund, Bundesländern, Sozialversicherung, Ärztekammer, Wirtschaftskammer Österreich und anderen Beteiligten (z. B. Apothekerkammer) mit an Bord.

  • Legal Check und Medical Check: Im ersten Fall geht es speziell um den Datenschutz, im zweiten Fall um die Frage, ob ein System überhaupt dem „State of the Art“ der Medizin entspricht. Ein über viele Jahre verfolgtes und erst via COVID-19 erfolgreich eingeführtes Projekt: der E-Impfpass. Holzgruber: „Da sind wir in Österreich absolute Vorreiter international. Wir haben das 2007 gefordert.“ Die Planung hätte das Projekt schließlich erst für 2030 vorgesehen.

  • Sicherstellung und Klärung von Finanzierung und Projektmanagement. Der Kammeramtsdirektor der Wiener Ärzte-Standesvertretung: „Alle diese (IT-) Gesundheitsanwendungen kosten Geld.“ Zu klären sei, wem die einzelnen Projekte eben nützen. Projekte, welche vordringlich für die Krankenversicherungen wichtig wären, seien eben über diese zu finanzieren. „Man kann nicht nur einfach sagen: ‚Das machen wir jetzt‘.“ Unabdingbar: Ein Probebetrieb jedes neuen Systems, der am besten sechs Monate lang dauern sollte. Usability Check – Holzgruber: „Es muss einen Nutzerbeirat je Projekt mit ausschließlich Nutzern als Mitgliedern geben.“

  • Ein Problem, das sich in Zukunft vermehrt aus der Struktur der österreichischen Ärzteschaft ergeben wird, so der Wiener Kammeramtsdirektor: „Wir müssen uns im Klaren sein, dass zwei Drittel der österreichischen Ordinationen kein e-Card-System haben, weil sie Wahlärztinnen und Wahlärzte sind.“ Hier werde man wohl eine Lösung finden müssen.

Wir brauchen die Diagnosecodierung nach internationalem Standard. Da muss etwas passieren, ob es der Ärztekammer gefällt oder nicht.

Hohe Erwartungshaltung bei moderner Technik

„Technik ist Zukunft! Digitalisierung betrifft alle“ – so lauteten Key-Messages von DI Dr. Stefan Sauermann (FH Technikum Wien). „Aktuell sehen wir in der Vertrauensbildung den zentralen Punkt. Dort beginnt und endet alles.“ Vertrauen funktioniere immer persönlich – in Einzelpersonen oder in Gruppen. Die Frage ist, so Sauermann: „Kann in einer rein digitalen Welt Vertrauen entstehen? Woher weiß ich, dass du (das digitale Gegenüber; Anm.) überhaupt existierst?“ Grundbedingung für Vertrauen sei bewiesene Qualität. 

Ärzte verpflichten?

Andreas Huss, Obmann-Stellvertreter der Österreichischen Gesundheitskasse, sieht aus der Praxis der Versicherten in Österreich relativ wenig an Ablehnung. „Grundsätzlich erwartet der Patient oder die Patientin die Digitalisierung. Die Menschen wissen um ELGA, um die Krankenhaus-Informationssysteme, KIS etc. Und sie erwarten, dass die Daten vernetzt werden und zur Verfügung stehen“, erklärte Huss.

Nur drei Prozent der Versicherten haben sich in Österreich von ELGA abgemeldet. Sie erwarten sich, dass die Spitäler die Daten zur Verfügung stellen und die Ärztin oder der Arzt hineinschaut.“ Eine Grundbedingung für die Zukunft, so Huss: „Wir streiten noch immer mit der Ärztekammer, ob die Ärztinnen und Ärzte jetzt zum Beispiel Long Covid als Diagnosecode eingeben. Wir brauchen die Diagnosecodierung nach internationalem Standard.“

Man benötige aber auch den Gesetzgeber, der die niedergelassene Ärzteschaft zur Durchführung der ICD-Diagnose-Eingabe verpflichte. Wenn die öffentliche Hand viel Geld für das Gesundheitswesen bereitstelle, sei auch das Einspielen dieser Daten zum Nutzen der Gemeinschaft zu erwarten.

Qualität verbessern, Kosten senken

„Verbesserung der Versorgungsqualität“, „Senkung der Kosten der Versorgung“ und „Verbesserung von Forschung & Zusammenarbeit“, nannte schließlich Dr. Thorsten Dusberger (IQVIA) die zentralen Herausforderungen des Gesundheitswesens. : „Die Nutzung von Gesundheitsdaten ist nicht einfach. Wir haben sehr viele Daten, aber es fällt schwer, sie intelligent zu nützen. Wir brauchen nicht ‚Big Data‘, wir brauchen ‚Smart Data‘.“ Jedenfalls könne nur ein professionelles Vorgehen dabei helfen, die Herausforderungen der Zukunft auf dem Gebiet der Digitalisierung zu meistern.

IQVIA beteiligt sich an zwei Projekten, in denen in Deutschland professionell die Analyse von digitalen Gesundheitsinformationen in der Forschung eingesetzt wird: So gibt es ein Projekt zum Identifizieren besserer Wege zur Behandlung der Sepsis.

Das zweite Projekt, wie Dusberger darstellte: „Anhand von Pflegetagebüchern, elektronischen Krankenakten und nationalen Registern soll per Machine Learning eine frühzeitige Erkennung bevorstehender Krankenhauseinweisungen noch sechs bis acht Wochen vor der eigentlichen Diagnosestellung möglich werden.“

Es fehlt komplett eine gemeinsame Road Map. Man kann nicht nur einfach sagen: „Das machen wir jetzt.”

„Digital Twin Society 2030“

Die PRAEVENIRE Initiative will mit Aktivitäten zur Etablierung einer „Digital Twin Society 2030“ die digitale Transformation im österreichischen Gesundheitswesen fördern. Riedl: „Wir bilden die Echtwelt-Entität in Daten ab, führen in diesem Datenraum unsere Auswertungen durch und führen die Resultate in die Echtwelt zurück.“

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