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Die Versorgungssicherheit der Zukunft

© AK-NÖ/Klaus Vyhnalek

Die Versorgungssicherheit der Zukunft

© AK-NÖ/Klaus Vyhnalek

Laut einer im Oktober vorgestellten Spectra Studie ist mit 65 Prozent die Aufrechterhaltung der guten Gesundheitsversorgung die größte Sorge der österreichischen Bevölkerung. Diesem Thema und vielen anderen hat sich die Arbeiterkammer Niederösterreich (AK NÖ) 2019 angenommen und Lösungsvorschläge für die wichtigen Zukunftsthemen – Veränderung der Arbeitswelt, Verteilungsgerechtigkeit und Versorgungssicherheit – entwickelt, die in einem „3V für Österreichs Zukunft“ genannten Memorandum zusammengefasst wurden.

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Carola Bachbauer, BA

Periskop-Redakteurin

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Rainald Edel, MBA

Periskop-Redakteur

Im Interview mit PERISKOP geht Markus Wieser, Präsident der AK NÖ, genauer auf das dritte V, die Versorgungssicherheit, ein und sprach über die Herausforderungen und Lösungsvorschläge in diesem Bereich mit besonderem Fokus auf die Themen Pflege und Gesundheit. 

PERISKOP: Welche Maßnahmen müssten ihrer Meinung noch gesetzt werden, um der Bevölkerung das Vertrauen in den Fortbestand der Versorgungsicherheit zu geben?
Wieser: Die Themen Gesundheit und Pflege haben nicht nur bei den tendenziell häufig direkt betroffenen älteren Menschen einen hohen Stellenwert, sondern auch in der jungen Generation. Deshalb ist uns besonders die Nachhaltigkeit der Versorgung im kommunalen Bereich wichtig, denn schließlich soll die Primärversorgungsebene der niederschwellige Eintritt in das Gesundheitssystem sein. Um das zu erreichen, spielen die Ausbildungsschritte und die Qualifikation sowohl bei Ärztinnen und Ärzten als auch im Pflegebereich eine zentrale Rolle.

Wir müssen deshalb ein durchgängiges Ausbildungssystem von der Pflegeassistenz, über die Pflegefachassistenz bis hin zur akademischen Pflegefachkraft sicherstellen. Zur Nachhaltigkeit gehört jedoch nicht nur das Ausbildungsangebot, sondern auch die Entlohnung. Das betrifft insbesondere das Entgelt während der Ausbildungszeiten – gerade für jene, die einen Berufswechsel in den Pflegebereich anstreben. Mit dem derzeitigen Beitrag von ein paar 100 Euro pro Monat während der Ausbildungsdauer kann man seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten. Deshalb fordern wir, dass ein Gehalt, wie bei einer Ausbildung im Polizei- oder Justizwachedienst, in der Höhe von 1.820 Euro angesetzt wird. Dann bin ich überzeugt, dass sich viele Menschen für ein Berufsbild in der Pflege entscheiden werden.

Die Arbeitswelt spielt für die Gesundheitsversorgung eine untergeordnete Rolle, obwohl man dort über vier Millionen Österreicherinnen und Österreicher gut erreichen könnte. Sollte man hier nicht verstärkt ansetzen, um das Wissen und die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu steigern?
Wieser: Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. Deshalb muss beim Gesundheitswissen und beim Aufbau von Gesundheitskompetenz früh angesetzt werden, also schon in der Jugend beginnend. Relevant wird es vor allem mit dem Einstieg in das Berufsleben, denn die meisten Menschen verbringen viel Zeit am Arbeitsplatz. Genau deshalb ist es wichtig, ihnen dort die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu bieten, damit sie langfristig ein gutes, gesundes Leben führen können. Wir haben die Chance mit der Arbeitsmedizin und der betrieblichen Gesundheitsförderung präventiv Erkrankungen vorzubeugen.

Diese sollten wir auch nützen. Unser Ziel muss es sein, dass die Menschen gesund von der Arbeit kommen, bis zum Ende der Erwerbstätigkeit und darüber hinaus, damit die Pensionistinnen und Pensionisten tatsächlich ihren Lebensabend genießen können. Wir
engagieren uns seit Jahren für den Ausbau der betrieblichen Gesundheitsförderung in
Niederösterreich und können sehr stolz darauf sein, dass wir schon seit über drei Jahrzehnte
ein arbeitsmedizinisches Zentrum haben, das wir gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Niederösterreich betreiben.

Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.

War früher die Aufgabe der Arbeitsmedizin, die körperliche Unversehrtheit der arbeitenden Bevölkerung sicherzustellen, haben sich die Unfallgefahren durch die
Weiterentwicklung der Wirtschaft stark gewandelt. Wo sehen Sie die wichtigsten Aufgaben im Bereich der Arbeitsmedizin und beruflichen Gesundheitsvorsorge?
Wieser: Das Bild des Arbeitsplatzes in Zusammenhang mit der Gesundheit hat sich in den
letzten Jahrzehnten sehr verändert.

Standen ursprünglich mobilisierende Maßnahmen im Bereich der Rehabilitation im Vordergrund, weil die Menschen durch schwere körperliche Arbeit und das Tragen von Lasten Schädigungen des Geh- und Stützapparats hatten, fallen solche Indikationen heutzutage nicht mehr so stark ins Gewicht, da Maschinen diese Tätigkeiten erleichtern oder übernommen haben.

Gleichzeitig sind durch die digitale Arbeitswelt der Arbeitsdruck und die Arbeitsverdichtung gestiegen. Dadurch stellen heute psychische oder psychosomatische Indikationen die größten Herausforderungen dar.

Daher müssen wir den Fokus vor allem auf die Eindämmung der psychischen Erkrankungen
legen und den Druck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer reduzieren. Denn durch psychische Belastung können schwerwiegende Erkrankungen ausgelöst werden. Alarmierend ist, dass sich solche Krankheitsbilder bereits während der schulischen Ausbildung zeigen.

© AK-NÖ

Ein Phänomen, das dem österreichischen Gesundheitssystem eigen ist, ist der Umstand, dass bei einer Reihe von Erkrankungen die Behandlung nach dem 18. Lebensjahr eingestellt wird. Müsste nicht mehr darauf geachtet werden, was der Mensch wann, wo und von wem im Gesundheitswesen braucht?
Wieser: Eine optimale medizinische Versorgung und ärztliche Begleitung muss für alle Bürgerinnen und Bürger gewährleistet werden und darf auf keinen Fall auf irgendein Lebensalter beschränkt oder an Strukturen, beispielsweise den Mutter-Kind-Pass, gebunden sein.
Nur weil ein bestimmtes Alter erreicht wurde, ist eine Erkrankung ja nicht plötzlich vorbei. Wir haben die Verantwortung für alle Generationen von jung bis alt und müssen sicherstellen, dass jede und jeder den individuellen Bedürfnissen entsprechend die nötige Behandlung und Unterstützung erhält. Wenn wir es schaffen Wissen und Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung zu verankern und wichtige Lebensbereiche, wie Schule und Arbeit gesünder auszugestalten, sind wir auch im Gesundheitsbereich einen entscheidenden Schritt näher gekommen.

Sehen Sie das gesamte Interview auf YouTube.

Die Grafik der AK NÖ “3 V für Österreichs Zukunft” finden Sie hier

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