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Corporate Digital Responsibility beginnt mit Transparenz

Reinhard Riedl auf den Praevenire Gesundheitstagen
Krisztian Juhasz

Corporate Digital Responsibility beginnt mit Transparenz

Reinhard Riedl auf den Praevenire Gesundheitstagen
Krisztian Juhasz

„CDR - Corporate Digital Responsibility“ ist ein wichtiges Anliegen und ein viel versprechendes PR-Instrument. Wer es ernst meint, sollte keine Hochglanzkataloge produzieren, sondern Dinge tun, die wirklich Nutzen bringen. | von Reinhard Riedl

Für mich besteht der Zweck eines Unternehmens darin, Probleme von Kundinnen und Kunden zu lösen oder anderweitigen Wert für diese zu schaffen. Damit dürfen und sollen Unternehmen viel Geld verdienen. Doch das ist out: Viele Unternehmen, Forscherinnen und Forscher, Beraterinnen und Berater behaupten, dass es darum geht, Nutzen für die Welt zu stiften. Konzerne, die märchenhaft viel Geld verdienen, orientieren sich an ideellen Werten, wie beispielsweise den 17 Nachhaltigkeitszielen (SDGs) und der Corporate Social Responsibility (CSR). Finanziert wird dieser Nutzen für Dritte mit dem Geld der Kundinnen und Kunden. Das wirft die Frage auf, warum diese wertorientierten Konzerne nicht einfach den Kundinnen und Kunden die Milliarden zurückgeben, die sie ihnen zu viel abgeknöpft haben. Meinen sie, dass sie etwas Vernünftigeres mit dem Geld anfangen als ihre Kundinnen und Kunden? Wollen sie den demokratischen Staat ablösen und durch gemeinnütziges Unternehmertum ersetzen? Wie kann etwas, das weder Kundennutzen bringt noch demokratisch legitimiert ist, sozial nachhaltig sein? Und warum bekämpfen zum Teil dieselben Konzerne staatliche Regulierungen zum Schutz der Schwachen, beispielsweise in der Digitalwirtschaft?

Die Magie des modernen Marketings

Vor einem halben Jahrhundert begann man im Marketing damit, Bedürfnisse zu wecken, die es nicht gab. Seit einem Vierteljahrhundert lädt man Produkte mit ideellen Werten auf, die den Kundinnen und Kunden ein gutes Gefühl und soziale Reputation verschaffen. Seit einem Jahrzehnt werden zunehmend Güter, die im Überfluss vorhanden sind, absichtlich verknappt – insbesondere in der Digitalwirtschaft. In den letzten Jahren begannen zudem einige Unternehmen, einen „Massive Transformation Purpose (MTP)“ als Rechtfertigung für die Ausbeutung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu nutzen. Und als Meisterstück verkaufen sich heute Unternehmen als idealistische Wohltäter der Menschheit – quasi Kommunismus im unternehmerischen Gewand.

Die Wirklichkeit

Richtig ist, dass Unternehmertum sozialen Fortschritt schafft. Beispielsweise haben die Handys Afrika zum Positiven verändert dank kreativem Unternehmertum. Auch unser sozialer Fortschritt in Europa und den USA ist das Ergebnis von visionärem Unternehmertum, das sich über die Grenzen der existierenden Vorstellungen hinwegsetzte. Richtig ist weiters, dass viele Kundinnen und Kunden ein gutes Gefühl beim Produktkauf haben möchten. Eine wachsende Zahl von Kundinnen und Kunden ist beispielsweise bereit, höhere Preise für Bioprodukte zu zahlen. Hier gibt es allerdings einen direkten Zusammenhang zwischen Verantwortungsbewusst sein, Produktionskosten und Preis. Deshalb ist es nicht nötig, CSR-Texte zu verfassen. Deshalb verdient man aber auch nicht übermäßig viel Geld damit. Richtig ist auch, dass in MTP-Unternehmen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es toll finden, ausgebeutet zu werden, oder dass die „Anbieter“ der Gigökonomie und der Sharing Economy – das heißt die Menschen, welche über entsprechende Plattformen Zusatzverdienste suchen – dies freiwillig tun. Quatsch ist nur das idealistische Getue. Unfug sind die Hochglanzprospekte, die Konzerne als Wohltäter der Menschheit feiern. Sie sind schlimmer als die quasireligiösen Botschaften, welche Unternehmertum als Opfer darstellen und zunehmend vom Silicon Valley nach Mitteleuropa eindringen. Denn letztere sind zwar bizarr, gehen aber immerhin noch vom direkten Kundennutzen als Ziel des Unternehmertums aus.

Richtig ist, dass Unternehmertum sozialen Fortschritt schafft.

Worum es wirklich geht

Wenn Unternehmen es mit ihrem Idealismus ernst meinen, sollten sie sich zuallererst auf die Einhaltung der Gesetze konzentrieren. Mit dem Verzicht auf juristische Tricks zur Umgehung von Gesetzen oder zum Schutz vor Strafen für Gesetzesvorstöße demonstrieren Unternehmen Respekt vor dem demokratischen Souverän, das heißt den Bürgerinnen und Bürgern. Das ist schon viel! Und in der Digitalwirtschaft braucht es dafür nicht nur das Wollen, sondern das Können. Dieses Können erwirbt man nur durch entsprechende Investitionen. 99 Prozent Compliance statt nur 90 Prozent Compliance sind teuer!

99 Prozent Compliance statt nur 90 Prozent Compliance sind teuer!

Faires Handeln

Zweitens sollten Unternehmen – in dieser Reihenfolge – Kundinnen und Kunden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und andere Unternehmen fair behandeln. Wenn sie sich CDR auf die Fahnen schreiben wollen, sollten sie Kundinnen und Kunden kein unnützes Zeugs verkaufen, deren Meinungsbildung nicht manipulieren und verständliche und faire Geschäftsbedingungen formulieren. Insbesondere sollten sie darauf verzichten, Daten in kolonialistischer Tradition als freie Ressource zu betrachten. Weiters sollten sie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht zusätzlich zur Erfüllung ihrer Aufgaben hohes emotionales Commitment verlangen, ihnen menschengerechte Arbeitsplätze bieten, die Entwicklung ihrer Employability durch Weiterbildungsangebote fördern und vor allem sie weniger anlügen. Und sie sollten – das ist besonders schmerzhaft – ihre Konkurrenten nicht mit grenzwertigen Methoden ausbremsen oder aus Profitgründen den gesellschaftlichen Nutzen ihrer eigenen Dienstleistungen einschränken. Drittens sollten sie sich für eine möglichst gute Regulierung der Digitalwirtschaft einsetzen, welche einerseits die Rechte der Kundinnen und Kunden schützt und anderseits den Wettbewerb fördert. Keine Regulierung oder eine verspätete Regulierung schadet dem Wettbewerb ebenso wie eine bevormundende Regulierung. Abseits der geopolitischen Machtinteressen dienen die Regulierungen der EU dazu, den Markt zu fördern und gleiche Bedingungen für alle zu schaffen. Viertens sollten Unternehmen die externalisierten Kosten ihrer Geschäftstätigkeit internalisieren – also aufhören, auf Kosten der Gesellschaft Gewinne zu machen. Hier kommen die 17 SDGs ins Spiel. Wichtig wäre, bei Nachhaltigkeitsengagements die ganze Produktionskette in ihrer Wirkung zu betrachten, inklusive anfallen der Opportunitätskosten.

Grundprinzip: Miteinander!

Fünftens sollten Unternehmen immer wieder darüber nachdenken, wo ihre Geschäftspraktiken den gesellschaftlichen Fortschritt zwecks Gewinnmaximierung blockieren. Beziehungsweise wo ein Miteinander allen Nutzen bringen könnte. Dies geht über ein faires Verhalten gegenüber Kundinnen und Kunden und Konkurrenten hinaus. Es beinhaltet auch das Schaffen von Transparenz und sogar das Teilen von Daten und Wissen. Nicht über Hochglanzprospekte, sondern über Open Data!

Reinhard Riedl beschäftigt sich mit digitalen Ökosystemen und der Rolle der Menschen im digitalen Wandel von Unternehmen und Märkten. Er ist Herausgeber des Wissenschaftsblogs „SocietyByte“ der Berner Fachhochschule (BFH) und PRAEVENIRE Vorstandsmitglied.

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