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Ein Spannungsfeld zwischen Mensch, Technik und Organisation

© Katharina Schiffl

Ein Spannungsfeld zwischen Mensch, Technik und Organisation

© Katharina Schiffl

Bei der vom Verein zur Förderung von Wissenschaft und Forschung (vfwf) ge­meinsam mit der peri Group veranstalteten Podiumsdiskussion beschäftigten sich hochkarätige Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Perspektiven mit der Frage, wie es um die Sicherheit im Krankenhaus bestellt ist. | Von Mag. Petra Hafner

v.l.: Klaus Markstaller, Christine Radtke, Wolfgang Bachler, Evelyn Kölldorfer-Leitgeb, Florian Wozak, Ulrike Huemer, Michael Lepuschitz | © Katharina Schiffl

Die neue Präsidentin des Vereins zur Förderung von Wissenschaft und Forschung (vfwf) Univ.-Prof. Dr. Christine Radtke, MBA, FEBOPRAS misst dem Thema „Sicherheit im Krankenhaus“ einen wichtigen Stellenwert bei. „Wir wollen Punkte wie Digitalisierung und Patientensicherheit zusammenführen, Neuerungen auf den einzelnen Ebenen erfahren und hinterfragen, worauf zu achten ist und wo es eventuell Stolpersteine gibt“, betonte die vfwf-Präsidentin die Intention der Anfang Oktober 2019 vom Verein vfwf gemeinsam mit der PERI Group veranstalteten Podiumsdiskussion.

Einen sehr breiten Bogen spannte der ehemalige Chef der österreichischen Anti-Terror-Einheit Cobra, Brigadier Wolfgang Bachler, in seiner Keynote, welche er unter das Motto „Sicherheit für das Gesundheitspersonal — von der persönlichen Sicherheit bis zur Cyberkriminalität“ stellte. „Wenn man in ein Krankenhaus geht, erwartet man sich geradezu wie selbstverständlich vollkommen sichere Bedingungen und denkt nicht daran, dass es in einem Krankenhaus aus einer sogenannten ‚Security-Sicht‘ Zwischenfälle geben könnte“, so Bachler. Die mediale Berichterstattung über Angriffe auf Ärztinnen und Ärzte und bedrohtes und beschimpftes Pflegepersonal stelle eine neue Dimension dar und zeige oft ein völlig konträres Bild zwischen objektiver und subjektiver Sicherheitslage. „Es stellt sich die Frage: Wie ist Sicherheit in einem Krankenhaus, wie ist Sicherheit für das Gesundheitspersonal zu organisieren? Meine Antwort lautet schlicht und ergreifend: sie ist hoffentlich genauso professionell zu organisieren, wie es in anderen Einrichtungen schon seit vielen Jahren geschieht“, bekräftigte Bachler, der als Geschäftsführer von bachler & partners crisis and security consulting zahlreiche Unternehmen und Institutionen berät und schult. Seiner Ansicht nach müsse ein Haus entsprechender Größenordnung und entsprechender sensibler Konzeption auf jeden Fall ein gesamtheitliches Risikomanagement haben. „Ein solches Konzept regelt die grundsätzliche und längerfristige Vorgangsweise in der Gesamtbeurteilung aller Risiken und umfasst auch ein taktisches Sicherheitskonzept, das Ereignisse und Verhaltensweisen sowie Standard Operating Procedures kennt, an denen man sich „in situation“ daran orientieren kann. Die wichtigsten Faktoren im Sicherheitsmanagement heißen Mensch, Technik und Organisation — so können wir Sicherheit organisieren und das tun viele Unternehmen“, erläuterte der Sicherheitsexperte.

Menschen sollten Grundrecht auf Sicherheit haben

Ein wichtiger Faktor im Zusammenhang mit Sicherheit für das Gesundheitspersonal würden „die richtigen de-eskalativen Interventionen“ in einem sich anbahnenden Bedrohungsfall darstellen, mit denen etwa 50 Prozent der später folgenden Attacken abwendbar sind“, betonte Bachler. Er sei „ein ganz klarer Gegner davon, dass man darüber redet, ob man das medizinische Personal mit Waffen oder waffenähnlichen Gegenständen ausstatten soll. Vorsicht bei allen Mitteln, die einfach klingen, die das Heil versprechen, es aber einfach in der Situation nicht bringen.“

Neben physischen Sicherheitsfragen gehe es aber auch um die Sicherheit unserer digitalen notwendigen Welten. Die Erpressungen im Internet haben flächendeckend von 2017 auf 2018 um 236,6 Prozent zugenommen. Bachler zieht daraus die Konsequenz, „dass Sicherheit kein Zustand, sondern ein Verhalten ist“ und erhebt die Forderung, diese Sicherheit staat­licherseits zu erhalten: „Auch in Kranken­anstalten möchte ich dafür plädieren, dass man diese hochrüstet, denn gerade in solchen Einrichtungen sollten Menschen ein Grundrecht auf Sicherheit haben.“

Wiens Landespolizeivizepräsident General Dr. Michael Lepuschitz gab Einblick in die Statistik der Einsatzfahrten. „Von den 390.000 Einsätzen der Wiener Polizei im Zeitraum von September 2018 bis September 2019 waren 2.139 Einsätze in Krankenanstalten, die meisten davon im AKH oder SMZ-Ost, SMZ-Süd und im Krankenhaus Hietzing. Die Einsätze erstrecken sich natürlich über die gesamte Bandbreite des polizeilichen Einschreitens — vom Streit über den Diebstahl bis zum gefährlichen Angriff“, so Lepuschitz, der auch darauf hinwies, „dass wir versuchen so rasch wie möglich vor Ort zu sein, um die angemessene Hilfe zu leisten.“

Sicherheit der Patientinnen und Patienten neu entdeckt

Mag. Evelyn Kölldorfer-Leitgeb, General­direktorin des Wiener Krankenanstaltenverbundes bezeichnete das Thema Sicherheit als ein umfassendes in den Krankenanstalten — und es sei vor allem eine Frage der Unternehmenskultur. „30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Unternehmen versorgen jährlich mehrere 100.000 Patientinnen und Patienten. Und sie tragen damit auch die Verantwortung für deren Sicherheit. Die entscheidende Aufgabe ist daher, ein breites gemeinsames Verständnis dafür zu schaffen, was wir unter Sicherheit verstehen: Nämlich Schutz von Patientendaten, der Person selbst und unserer Gebäude. Unsere Sicherheitskonzepte müssen sicherstellen, dass jede und jeder Einzelne seinen Beitrag zur Gewährleistung von Sicherheit leisten kann und auch tatsächlich leistet“, so Kölldorfer-Leitgeb. Nach Ansicht von Mag. Ulrike Huemer, Chief Information Officer (CIO) der Stadt Wien, „stellen leider auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine große Angriffsfläche in einer Organisation dar. Daher haben wir neben den technologischen Schwerpunkten in den letzten Jahren den Fokus auf die Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesetzt, um Awareness zu schaffen.“

Dass jede Person — sowohl als Patientin bzw. Patient als auch Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter selbst dazu beitragen kann, die Sicherheit hoch zu halten, unterstrich der IT-Experte für Patientensicherheit, Datenschutz und Risikomanagement Dr. Florian Wozak, MSc. „IT-Sicherheit ist nicht unbedingt Technik, IT-Sicherheit beginnt viel früher bei den ein­zelnen Institutionen und den einzelnen Patien­tinnen und Patienten, und wie sie damit umgehen.“ So sollte man sich als Patientin oder Patient auch überlegen, wie man Daten schützt und Berechtigungen für Zugriffe schützt, so Wozak.

Univ.-Prof. Dr. Klaus Markstaller, Leiter der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie der MedUni Wien/AKH Wien, wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Patientensicherheit vor wenigen Jahren stärker in das Bewusstsein gelangte. „Wir haben hierzu an der MedUni Wien/AKH Wien eine spezielle ‚Taskforce und Steuerungsgruppe Patientensicherheit‘ eingerichtet. Auch ist dieses Thema im Entwicklungsplan der MedUni Wien verankert und zwei Universitätsrätinnen und -räte befassen sich mit dieser Thematik“, so Markstaller. Die digitale Revolution vereinfache viele Prozesse. Sei es, wenn Röntgenbilder digital vom Radiologen online einsehbar sind oder Patientenbriefe per E-Mail mit Passwort verschickt werden, so die Medizinerin und vfwf-Präsidentin Radtke, die abschließend unterstrich, „dass wir uns dabei natürlich der Frage stellen müssen, wie diese sensiblen Daten von Patientinnen und Patienten geschützt werden.“

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