Dr. Alexander Biachs neues, sehr persönliches Buch beschäftigt sich mit dem Geburtstag und der Frage, warum wir ihn eigentlich feiern. Was macht diesen Tag aus, welche Bedeutung geben wir ihm? PERISKOP fragte genauer nach.

Mag. Dora Skamperls
PERISKOP-Redakteurin
Alexander Biach ist wissenschaftlicher Beirat im gemeinnützigen Verein PRAEVENIRE. Der Kammerdirektion-Stellvertreter und Standortanwalt der Wirtschaftskammer Wien nahm seinen 50. Geburtstag zum Anlass, einmal kein wissenschaftliches Fachthema aufzugreifen – in einem sehr persönlichen und mit viel Humor geschriebenen Buch mit dem Titel „Warum wir Geburtstag feiern sollen“ beschäftigt er sich mit dem Geburtstag als Anlass für das Feiern und eine individuelle Lebensbilanz. Das im Eigenverlag erschienene Werk ist direkt über den Autor erhältlich. In einem Gespräch mit Periskop erzählte er, wie er auf die Idee kam, ein Buch über den Geburtstag zu schreiben.
Warum Geburtstag feiern?
Ich bin auf die Idee gekommen, dieses Buch zu schreiben, weil mich ein Freund angesprochen und gemeint hat: Du musst Geburtstag feiern. Das erzeugte bei mir Widerstand, warum muss ich? Ich sah einen Geburtstag immer als Arbeitsaufwand, aber über den Sinn und Zweck der Feier hatte ich mir nie Gedanken gemacht. Das Einzige, was man dabei theoretisch feiern könnte, ist, dass man eine Runde um die Sonne gemacht hat. Sonst ist mir damals nicht viel dazu eingefallen. Dann habe ich mich tiefer damit befasst, auch mit den philosophischen Aspekten – warum es sich lohnt, eine Station zu machen, innezuhalten.
Fünf gute Gründe
Dabei kamen mir fünf gute Gründe in den Sinn. Der wichtigste Punkt ist, und der ist gleichzeitig ein Berührungspunkt mit dem Gesundheitswesen: Weil das Leben wieder eine Runde über den Tod gewonnen hat. Und das muss man wirklich feiern. Das Leben ist de facto ein ständiger Prozess des Sterbens, und das Sterben endet erst mit dem Tod. Jedes Mal, wenn man gegen den Tod gewonnen hat – das muss nicht am Geburtstag sein –, soll man dieses Gefühl verinnerlichen. Die Geburt selbst ist etwas, das immer gefeiert wird, die Aufnahme eines neuen Lebens in die Gesellschaft. Der Geburtstag ist die Wiederholung dieses besonderen Ereignisses. Das Leben siegt, das ist gerade im Gesundheitsbereich die zentrale Botschaft. Das ist auch das Besondere an den Gesundheitsberufen – die Wertschätzung und Erhaltung des Lebens, der Glaube an das Leben.
Manifestation des eigenen Selbst
Der zweite der fünf Gründe entstand aus der Überlegung: Auch in Zeiten, wo der Individualismus oft zu weit geht, nämlich in Richtung Egomanie, sollen wir uns das Recht nehmen, dieses Fest des Individuums zu feiern. In der Menschheit wurde lange kein Geburtstag gefeiert. Die ersten, die damit begannen, waren die Römer. Zunächst in Jahrgängen für die Männer, damit man weiß, ab wann sie ins Militär müssen. Individuelle Geburtstage wurden nur für Götter und Kaiser gefeiert. Viel später begann die Kirche damit, die Geburtstage der Heiligen zu feiern – so kamen die Namenstage zustande. Doch das Individuum in seiner Einzigartigkeit wurde lange nicht als bedeutsam genug angesehen, es zu feiern. Bei den wohlhabenden Menschen in England oder Spanien wurde irgendwann begonnen, die Kinder auch mit Geschenken zu feiern – auch, damit sie ein erwachsener Teil der Gesellschaft werden. Dann wurde das auf die Erwachsenen ausgeweitet. Der Geburtstag ist also eine Manifestation des eigenen Selbst. Dieser Tag gehört nur mir, ich lasse mich feiern und ich feiere mich selbst.
Das Ich als Teil der Gemeinschaft
In der christlichen Soziallehre kommt neben diesem Personalitätsprinzip auch das Solidaritätsprinzip zum Tragen. Damit sind wir beim nächsten Grund, warum man feiern muss: weil man als Person nur in der Gesellschaft, der Gemeinschaft Realität wird. Wenn ich keinen Bezug zu den Menschen um mich habe und mir nicht bewusst mache, wer meine Freunde sind, wer mir wichtig ist, dann bin ich einsam. Dafür ist ein solcher Anlass der richtige Rahmen. Jedes Individuum ist auch Teil einer Gruppe, einer Gemeinschaft, und ist in ihr eingebettet. Für mich war die Erkenntnis von Zeilinger in der Quantenphysik faszinierend – das Licht ist so lange eine Welle, wie du nicht genau hinsiehst. Wenn du aber fokussierst, ist das Licht plötzlich ein Punkt, es manifestiert sich – es wird zu einem Teilchen und nimmt damit einen Charakter an. Wir formen uns also durch die Menschen, die um uns sind und auf uns schauen: Ich werde beobachtet, daher bin ich. Alleine kann man nicht feiern. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns immer wieder bewusst machen: Wir gehören zusammen, wir leben und gedeihen nur in der Gemeinschaft und in der Zusammenarbeit. Wir fühlen uns auch viel wohler, wenn wir nicht gegeneinander, sondern miteinander leben und arbeiten.
Das Leben siegt, das ist gerade im Gesundheitsbereich die zentrale Botschaft. Das ist auch das Besondere an den Gesundheitsberufen – die Wertschätzung und Erhaltung des Lebens, der Glaube an das Leben.
Alexander Biach
Der Lebenszeit Gehalt geben
Neben dem Personalitäts- und Solidaritätsprinzip gibt es noch einen weiteren Aspekt, der uns zum vierten Grund für das Feiern des Geburtstags bringt. Wir können und sollen darüber nachdenken, ob unser Leben, wie wir es führen, in irgendeiner Form Gewicht hat, ob wir der Lebenszeit Gehalt geben. Natürlich können wir unser Leben absitzen, immer auf irgendetwas warten. Am liebsten warten manche Menschen ja darauf, dass die Arbeit vorbei ist – ohne zu wissen, warum eigentlich. Das ist eine Verschwendung unserer Lebenszeit. Deshalb sind Geburtstage so gute Anlässe, um zu überprüfen, ob die Zeit, die verlebt wurde, sinnvoll genutzt wurde. Es geht aber auch darum, die Ziele für die Zukunft zu stecken. Natürlich geht das auch zu Neujahr oder am Hochzeitstag, aber der Geburtstag ist ein persönlicher Tag, da geht es nur um mich. Leben ist Bewegung, innerlich wie äußerlich. Das entspricht auch genau dem Praevenire Konzept von Bewegung – sie soll die Menschen gesund machen, auch die Psyche. Solange ich mich bewege, kann ich auch etwas bewegen.
Kontinuität durch Weitergeben
Bewegung ist auch, etwas weiterreichen, über die eigene Lebensdauer hinaus. Der fünfte Grund für das Feiern des Geburtstages ist also das Weitergeben an nachfolgende Generationen, damit sie an dem Gemeinschaftswerk weiterarbeiten können. Wir leben in unseren nachfolgenden Generationen fort, das müssen nicht die leiblichen Kinder sein. Dadurch erreichen wir die Unendlichkeit, eine Kontinuität von dem, was wir erreicht haben. Nachhaltiger Aufbau ist nur so möglich, da unsere eigene Lebenszeit kurz und begrenzt ist. Es ist gut, sich an diesem Tag nicht zurückzuziehen, sondern innerhalb der Gemeinschaft sich gemeinsam über das Erreichte, über die Fortschritte des eigenen Lebens zu freuen und das zu feiern. Die jungen Generationen bekommen das mit und erleben es als etwas Wichtiges.
Ehrlichkeit und Verantwortung
Dazu gehört Ehrlichkeit. Wir können uns an unserem Geburtstag selbst überprüfen und fragen, ob wir die Verantwortung uns selbst gegenüber und gegenüber den nachkommenden Generationen in diesem Jahr gut getragen haben. Ob wir etwas Positives bewirkt haben und wo wir noch an uns arbeiten müssen. Diese Verantwortung leben wir vor und wir tragen sie auch nach außen, am besten bis hin zu den Menschen, die als Verantwortliche für den Staat die Verantwortung für unsere Gemeinschaft übernommen haben. Am Geburtstag würdigen wir den Menschen als Person und als Teil der Gemeinschaft, feiern das Geschenk unseres Lebens, für das wir Verantwortung tragen. Als Teil eines großen Ganzen haben wir für das Ganze eine Verantwortung. Das hat eine höhere Relevanz, als viele denken – persönlich, gesellschaftlich, politisch und in Hinblick auf die Entwicklungen der Zukunft.
Solidarität als Essenz des Lebens
Hier schließt sich der Kreis. Wir werden geboren, bauen uns ein Leben auf, Jahr für Jahr, errichten unsere persönlichen Meilensteine, unsere Ziele, und am Ende geben wir etwas davon weiter. Das ist der Sinn von Geburtstagen – innehalten und sowohl zurück als auch nach vorne schauen. Irgendwann ist für uns selbst Schluss, aber was wir weitergeben konnten, das bleibt bestehen. Das Innehalten – ob am Geburtstag oder zu einem anderen Anlass – ist eine Botschaft für das Leben. Bei Gelegenheit sollen wir uns ganz bewusst damit auseinandersetzen, was das Leben für uns persönlich und im Rahmen der Gemeinschaft bedeutet. Wir sind Teil einer Gemeinschaft, und da braucht es das Gemeinsame, die Solidarität.
Zentrale PRAEVENIRE Botschaften
Das ist auch die große Botschaft von PRAEVENIRE: Das Gesundheitssystem ist für die Gemeinschaft bzw. die Gesellschaft da, funktioniert aber nur aus ihr heraus und mit dieser Gesellschaft. Die richtigen Entscheidungen können nur getroffen werden, wenn wir – jeder einzelne – und die Politik und Entscheidungsträger gemeinsam diese Verantwortung wahrnehmen. Eine weitere zentrale Praevenire Botschaft ist, Geist und Körper in Einklang zu bringen und gesund zu erhalten, Krankheit präventiv zu verhindern. Wir wollen aber Geist und Körper nicht aus Selbstzweck fithalten, sondern, damit wir etwas vom Leben haben – und dem Leben etwas zurückgeben können.
Als Teil eines großen Ganzen haben wir für das Ganze eine Verantwortung. Das hat eine höhere Relevanz, als viele denken – persönlich, gesellschaftlich, politisch und in Hinblick auf die Entwicklungen der Zukunft.
Alexander Biach
Momente der Erkenntnis
Als ich das Buch im größeren Kreis verteilt habe, gab es viele berührende Reaktionen. Besonders schön war die Antwort eines Mannes, der seit dem Tod seiner Mutter den eigenen Geburtstag nicht mehr gefeiert hatte. Mein Buch hat ihm den Anstoß gegeben, den Sinn des Feierns wieder zu sehen und jetzt begeht er seinen Geburtstag wieder. Manche älteren Menschen haben das Gefühl, ihr Geburtstag ist jetzt nicht mehr so wichtig und muss nicht mehr groß gefeiert werden. Aber das Leben, auch wenn es vielleicht nicht immer leicht ist, soll trotzdem gewürdigt werden. Man kann stolz sein auf das, was man aufgebaut hat, oder auch kritisch. Beides ist legitim. Jeder Mensch macht Fehler oder durchlebt Zeiten, die weniger gut sind. Es geht letztlich darum, sein Selbst nicht zu verlieren, mit sich und der Umwelt ins Reine zu kommen. Da können solche Momente des Innehaltens, wie es ein Geburtstag ist, zu wesentlichen Erkenntnissen führen.

Das Buch
Warum wir Geburtstag feiern sollen
Seitenzahl: 83 Seiten
Autor: Alexander Biach
Kostenloses digitales Exemplar (PDF) erhältlich unter: alexander.biach@aon.at
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