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Wissenschaft im Wirtshaus

Im Rahmen der Initiative „Wissenschaft im Wirtshaus“ fanden 2022 zwei wissenschaftliche Vortragsreihen in Wirtshäusern in Obersiebenbrunn und Mödling statt.
© Frederike Schlumm

Wissenschaft im Wirtshaus

Im Rahmen der Initiative „Wissenschaft im Wirtshaus“ fanden 2022 zwei wissenschaftliche Vortragsreihen in Wirtshäusern in Obersiebenbrunn und Mödling statt.
© Frederike Schlumm

Im Rahmen der Initiative „Wissenschaft im Wirtshaus“ fanden 2022 zwei wissenschaftliche Vortragsreihen in Wirtshäusern in Obersiebenbrunn und Mödling statt. Hierbei gingen Wissenschafterinnen und Wissenschafter für jedermann verständlich auf ihre Forschungsbereiche ein und stellten ihre Arbeit und spannende Ergebnisse vor.

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Mag. Sophie Brunnhuber BA

Periskop-Redakteur

Im PERISKOP-Interview sprachen Univ.- Prof. Dr. Hannes Stockinger (Verband der
Wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs – VWGÖ und Medizinische Universität Wien) und Dr. Friederike Schlumm (Initiative Wissensdurst vom Verein für lokale Wissenschaftskommunikation) über Hintergründe und Möglichkeiten dieser Initiative.

PERISKOP: Im August ist die neue Initiative „Wissenschaft im Wirtshaus“ gestartet.
Welche Idee steckt hinter dieser Initiative?
STOCKINGER: Die Idee hatten wir schon 2017. Die Österreicherinnen und Österreicher sind
bekanntlich sehr wissenschaftsskeptisch, dagegen wollten wir etwas tun. Im städtischen
Bereich gibt es diverse Aktivitäten, wie „die lange Nacht der Forschung“. In Innsbruck haben meine Kooperationspartner Friederike Schlumm, Teresa Kaserer und Andreas Lieb vom Verein für lokale Wissenschaftskommunikation die Initiative „Wissensdurst“ gestartet und sind in Wirtshäuser gegangen, um hier Wissenschaft zu vermitteln. Die Problematik ist, wenn man zu wenig Wissen hat, dann lehnt man eher ab, das haben wir auch in der Pandemie gesehen.
SCHLUMM: Am Anfang stand die eigene Begeisterung für die Wissenschaft und der Wunsch, einen niederschwelligen Zugang zu schaffen. Als Wissenschafterinnen und Wissenschafter sehen wir uns auch in der Pflicht, die Ergebnisse größtenteils öffentlich finanzierter Forschung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wissenschaftliche Kommunikation findet innerhalb der Forschungsgemeinschaft statt. Deshalb wollten wir einen Rahmen schaffen, wo jedermann
sich eingeladen fühlt, direkt mit den Forschenden in den Austausch zu treten. Wichtig ist uns auch, dass die Vortragenden ihre persönliche Motivation durchblicken lassen, die ihre Forschungsinteressen antreibt.

Welche Themen werden denn bei den Vorträgen behandelt?
STOCKINGER: Mit dem Land Niederösterreich haben wir zwei Pilotprojekte definiert. Das war einerseits „Allergie, die Volkskrankheit Nummer Eins“. 30 Prozent der Bevölkerung leiden an Allergien. Dazu gab es in der ersten Phase drei Vorträge von Herrn Prof. Pickl, Frau Prof. Ziegelmayr und mir bei Bauers Bühne in Obersiebenbrunn und fünf Vorträge zum zweiten Pilotprojekt „Wasser und Gesundheit“ beim Mautwirtshaus/Bühne Mayer in Mödling. Bei mir am Institut für Hygiene und Angewandte Immunologie der Medizinischen Universität Wien arbeiten und forschen zum Thema Wasser und Gesundheit sehr kompetente Wissenschafterinnen und
Wissenschafter wie Frau Prof. Sommer und Herr Prof. Kirschner. Die vom Land Niederösterreich unterstützte Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems hat Wasser und Gesundheit als Schwerpunkt und federführend ist dort Herr Prof. Farnleitner.

Ist es Ihrer Meinung nach die Aufgabe der Wissenschafterinnen und Wissenschafter,
ihre Erkenntnisse volksnah und einfach zu vermitteln?
STOCKINGER: Jein. Wir Wissenschafterinnen und Wissenschafter sollen forschen, lehren, wir
müssen Administration machen im akademischen Bereich und dann sollen wir auch noch die Wissenschaftskommunikation machen. Das liegt nicht jedem. Das, was uns in Österreich fehlt, sind Menschen wie Sie: der Wissenschaftsjournalismus, die Wissenschaftsmedien.
Ich kann mir leisten, das als Hobby zu betreiben, aber eine Jungforscherin oder ein Jungforscher hat nichts davon. Wissenschaftskommunikation kommt im Karrierebild nicht vor.

Welche Erfahrung haben Sie mit dem niederschwelligen Zugang zur Wissenschaft über Wirtshäuser und Lokale gemacht?
SCHLUMM: Das Feedback ist überwiegend positiv. Die Vortragenden haben oft großen Spaß
daran, auf eher unkonventionelle Weise mit dem Publikum zu interagieren. Das Publikum
beginnt, den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern Löcher in den Bauch zu fragen. Wenn einem das Thema, der Vortragsstil oder die Diskussion doch nicht so gefallen hat, so hat man doch hoffentlich wenigstens einen netten Abend im Wirtshaus gehabt.

Neben den Veranstaltungsreihen in Mödling gab es auch Vorträge in Obersiebenbrunn.
Wie ist das beim Publikum angekommen?
STOCKINGER: Begeistert hat mich, dass wir eine enorm positive Response der Teilnehmenden bekommen haben. Ich habe die Hoffnung, dass die Menschen diese Begeisterung in ihr Umfeld weitertragen. Bei meinen Vorträgen, die ich auch in anderen Orten in der Hochzeit der Pandemie gemacht habe, waren die Impfgegnerinnen und -gegner zunächst nicht erfreut, dass wir kommen, doch vor Ort ist es dann friedlich zugegangen.

Frau Schlumm, welche Erwartungen haben die Österreicherinnen und Österreicher an
die Wissenschaft? Wie ist das Publikum, das zu solchen Veranstaltungen kommt?
SCHLUMM: Die Menschen, die zu unseren Veranstaltungen kommen, bringen meistens
bereits ein Interesse an der Wissenschaft mit. Die Spannbreite reicht dann von Studierenden im ersten Semester bis zur pensionierten Physikerin. Etwas schwieriger sind diejenigen zu erreichen, die zwar Fragen haben, sich aber vom Vortragsformat nicht angesprochen fühlen. Und Menschen, die kein Vertrauen in Wissenschaft und innen und Experten haben, möchten leider auch nicht mit ihnen in den Austausch treten. Mir scheint es, als würden wir, die Wissenschaft und die Medien, immer wieder an den eigentlichen Anliegen der Menschen vorbei kommunizieren. Diese fühlen sich dann mit ihren Fragen allein gelassen. Umso mehr freut es mich, dass wir diesen Fragen eine Bühne bieten können.

Sind weitere Vortragsreihen geplant?
STOCKINGER: Ein Problem bei diesem Pilotprojekt war die extreme Bandbreite an Zuhörerzahlen. Als wir die Vorträge zum Thema „Allergie“ gemacht haben, war am ersten
Tag in der Früh ein wunderbarer Artikel im Kurier mit Frau Landeshauptfrau Mikl-Leitner und am Abend hat es den ersten Vortrag gegeben, der zweite war am Dienstag und das Wirtshaus war voll. Zwei Wochen später war der dritte Vortrag, wo nur wenige Leute waren. Den Grund wussten wir nicht, sodass wir jetzt eine Pause gemacht haben. Wir sind jetzt mit dem Land Niederösterreich im Nachdenkprozess, planen aber im Frühjahr 2023 wieder zu starten. Social Media hat sehr gut funktioniert für den städtischen Bereich. Aber am Land hat das nicht geklappt. In der ersten Pilotphase lernte ich, dass es wichtig ist, beim Vortrag den Wirtshauscharakter zu erhalten und den Vortrag nicht steril und frontal abzuhalten, sondern interaktiv mit kontinuierlicher Bedienung mit Getränken und Speisen.

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