Suche
Close this search box.

Wachstum braucht Netzwerkstrukturen

Wien - Nach nur 12 Monaten Bauzeit steht der Rohbau f¸r das Vorzeigeprojekt Living Garden in Aspern Die Seestadt Wiens. Viel Prominenz aus Wirtschaft und Politik folgten der Einladung des Projektentwicklers VI-Engineers zur Gleichenfeier.

Wachstum braucht Netzwerkstrukturen

Wien - Nach nur 12 Monaten Bauzeit steht der Rohbau f¸r das Vorzeigeprojekt Living Garden in Aspern Die Seestadt Wiens. Viel Prominenz aus Wirtschaft und Politik folgten der Einladung des Projektentwicklers VI-Engineers zur Gleichenfeier.

Die Wiener Seestadt — eingebettet in den dynamischen 22. Wiener Gemeindebezirk — gilt als „Jahrhundertchance für Wien“ und als Stadtmodell der Zukunft. Dr. Gerhard Schuster, Vorstandsvorsitzender der Wien 3420 aspern Development AG, gibt im Gespräch mit PERISKOP einen Einblick in das Gesundheitssystem von morgen, das die Menschen in ihrer Ganzheitlichkeit versteht. | von Mag. Julia Wolkerstorfer

Dr. Gerhard Schuster, Vorstandsvorsitzender der Wien 3420 aspern Development AG.

Die Seestadt lebt von interdisziplinären Perspektiven, offenen Dialogen und stetiger Weiterentwicklung.

PERISKOP: Sie verantworten seit 2014 die Agenden von aspern Seestadt. Was ist für Sie das Herzstück dieses europäischen Formats?

Schuster: Das Besondere ist, dass wir hier ein Stück Stadt entwickeln können, mit typisch urbanen Elementen. Städte gibt es ja nicht zufällig, die Menschen haben im städtischen Bereich gefunden, was ihnen im ländlichen Bereich gefehlt hat. Die vielfältigen Angebote sowie das Aufgreifen menschlicher Bedürfnisse, die ja ganz unterschiedlich sind, stehen bei uns im Zentrum. Diese Elemente auf einem großen Platz komprimiert zu konzipieren, umzusetzen und zu monitoren, macht die Seestadt einzigartig für mich.

Die Gesundheitsangebote der Seestadt zeichnen sich durch moderne, ganzheitliche Ansätze aus. Wie sieht Ihr Idealbild einer zukunftsweisenden Gesundheitsversorgung aus? 

Österreichs Gesundheitssystem befindet sich auf einem sehr hohen Niveau. Die Herausforderung ist, auf diesem hohen Niveau noch besser zu werden. Wenn man aufhört, darüber nachzudenken, wie es noch besser geht, wird man schlechter. In der Seestadt erarbeiten wir Konzepte dahingehend, wie man eine lokale Struktur entwickeln kann, die kurze Wege ermöglicht — entweder zu Fuß oder mit dem Rad. Zudem gestalten wir vielfältige Dienstleistungen des Gesundheitsbereiches, die mit der Förderungen und Erhaltung von Gesundheit einhergehen und in enger Verbindung mit dem Wohn- und Arbeitsort stehen. Das braucht einen stetigen Dialog mit Gesundheitsexpertinnen und -experten, die diesen Public-Health-Anspruch haben und ihn auch mit den betroffenen Menschen, die hier leben, entwickeln und laufend monitoren. So wollen wir unsere Angebote mit den baulichen Entwicklungen immer mitwachsen lassen und professionell begleiten. Ao. Univ.-Prof. Dr. Beate Wimmer-Puchinger trägt hier als Public-Health-Expertin und Psychologin sehr intensiv bei, gemeinsam ein zukunftsweisendes Gesundheitssystem zu gestalten. Dazu gehören ein ganzheitlicher Ansatz und damit alles, was körperliche und psychische Gesundheit betrifft — alle Bevölkerungsgruppen einbeziehend. Dieser barrierefreie Zugang zu den Gesundheitsdienstleistungen ist uns sehr wichtig. Wenn man in einem guten System in einem Dialog arbeitet, versteht man die Bedürfnisse anderer Disziplinen besser. Wir leben von dieser Interdisziplinarität und sind von ihr überzeugt. Wien und die Seestadt verfügen über essenzielle Standortfaktoren, die Elemente des ganzen Lebens umfassen — für die Wirtschaft, den Arbeitsbereich und die Freizeit. Die Seestadt soll als sehr lebenswerter Standort wahrgenommen werden. Ist das nicht der Fall, werden wir im internationalen Vergleich schlechte Karten haben. Wenn sich keine Betriebe ansiedeln, dann gibt es keine Forschungseinrichtungen, keine Forscher. Dann lassen wir uns von Standorten verdrängen, die diesen Faktor erkannt haben und auch umsetzen.

Worin liegt der Mehrwert der regionalen Vernetzung von sozialen, gesellschaftlichen und medizinischen Gesichtspunkten?

Wir setzen hier intensiv auf das Konzept der Primärversorgungseinheiten, von dem die Menschen der Seestadt optimal profitieren sollen. Auf Basis von Primärversorgungskonzepten wird möglich, dass bestimmte Angebote in Anspruch genommen werden, bei denen es sonst vielleicht Hemmschwellen bei den Patientinnen und Patienten geben würde. Das sind beispielsweise physiotherapeutische Angebote, Fitnessangebote wie Yoga oder Pilates oder auch psychotherapeutische Services. Wenn das vorgeschlagen und begleitet wird von jenen Gesundheitsdienstleisterinnen und -dienstleistern, zu denen man selbstverständlich geht, dann ist das ein wichtiger Schuhlöffel für die individuell passende Gesundheitsversorgung.

Die Seestadt gilt als Wirtschaftsstandort von internationalem Zuschnitt. Welchen Stellenwert hat die immer enger werdende Schnittstelle von Gesundheit und Digitalisierung?

Wir halten die Digitalisierung für unverzichtbar, vieles ist ohne sie gar nicht mehr effizient wirtschaftlich anbietbar. Wir setzen in vielen Bereichen auf digitale Lösungen und wollen hier auch als eine Art Leuchtturmprojekt fungieren. Das gilt für Produktionsprozesse, für Bau- und Planungsprozesse und das gilt auch für das Gesundheitssystem, weil ich überzeugt bin, dass der Druck dahingehend immer höher wird, die Leistungen auch leistbar zu gestalten. Digitalisierung ist hier ein wichtiges Instrument, mit dem hochwertige Leistungen auf kostengünstiger Basis ermöglicht werden. Die Menschen müssen digitale Instrumente aber auch verstehen, ihnen vertrauen, um beispielsweise dem Thema der sensiblen Datenbehandlung gerecht zu werden. Das muss feinfühlig und transparent gestaltet werden. Wenn man diese Wertehaltung einnimmt, ist die Digitalisierung eine gigantische Chance, da das Gesundheitssystem finanziell unter großen Druck kommen wird. Das sehen wir derzeit an COVID-19: Selbst so ein hochwertiges Gesundheitssystem wie in Österreich kann an seine Grenzen stoßen. Daher müssen wir die Digitalisierung nutzen, um die Leistungsfähigkeit des Systems zu erhalten und weiter zu verbessern.

Am 9. Dezember 2020 ging die 3. Seestädter Gesundheitskonferenz über die virtuelle Bühne Europas. Was waren für Sie die wertvollsten Essenzen dieser Veranstaltung, die im Zeichen ganzheitlicher Vernetzung des Health-Bereichs stand?

Es gab sehr hochkarätige Fachstimmen aus Österreich, Deutschland oder auch London, die wichtige Signale zum hohen Mehrwert der Primärversorgungsstruktur setzten. Dabei wurden zwei Seiten der Primärversorgungs-Medaille beleuchtet: Einerseits im Hinblick auf den ländlichen, andererseits auf den urbanen Bereich, weil es sich hier letztendlich um unterschiedliche Bedürfnisse der Menschen dreht, auf die wir eingehen müssen. Wir brauchen Netzwerkstrukturen, um weiter wachsen zu können. Dafür sind Abstimmungsprozesse auf der lokalen und regionalen Ebene essenziell, sodass in unserem verzweigten Gesundheitssystem die jeweils leistbaren Beiträge möglich sind. Mit dem Netzwerk „gemeinsam gesund“ können wir sicher Herausragendes auf die Beine stellen.

In der Seestadt wollen Sie die besten Lösungen der Zeit anwenden, ausbauen und stets optimieren. Wohin soll die Reise gehen?

Wir wachsen von kleinen über mittlere Strukturen bis hin zu einem echten Gesundheitszentrum. Die Leute sollen nicht nur in die Seestadt kommen, weil der See so toll ist oder die Cocktails oder Einkaufsmöglichkeiten, sondern weil sie hier ein Top-Gesundheitszentrum vorfinden, das ihre vielfältigen Bedürfnisse berücksichtigt. Ein ganzheitliches Leuchtturmprojekt, das wir uns aber nicht nur im Bereich der Gesundheit vorstellen, sondern auch im Bereich der Forschung. Wir brauchen hochwertige Forschungseinrichtungen, eine perfekt aufgestellte Dateninfrastruktur und eine attraktive Forschungsumgebung. Unser Guesthouse für akademisches Personal der Wiener Universitäten setzt erste wichtige Akzente für Menschen, die hier wohnen und forschen wollen. Diese attraktiven Angebote wollen wir weiter ausbauen. Und das geht immer nur im Zusammenspiel mit Public-Health-Expertinnen und -Experten, die wir stets in unsere Prozesse und Überlegungen hineinholen. Wir erleben das als sehr fruchtbringend, es hilft uns weiter und macht uns noch besser.

BioBox

Dr. Gerhard Schuster ist seit 7. Jänner 2014 Vorstandsvorsitzender der Wien 3420 aspern Development AG. Schuster begann seine Karriere als Referent für Arbeits- und Sozialrecht bei der Arbeiterkammer Nieder­österreich, nachdem er sein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Salzburg abgeschlossen hatte. Danach war er in Leitungsfunktionen im Bundesdienst in verschiedenen Ministerien, u. a. als Abteilungsleiter für Konsumentenschutz tätig, bevor er als Experte für Wohnbaufinanzierung für die ERSTE-Bank und Geschäftsführer der S-Wohnbauträger GmbH tätig wurde. Von 1996 bis 2013 war Schuster Geschäftsführer der BUWOG — Bauen und Wohnen GmbH, einem der aktivsten Wohnbauträger und Immobilienentwickler in Österreich. Schuster verantwortet als Vorsitzender des Vorstandes der Wien 3420 aspern Development AG die Agenden Vertrieb, Marketing, Kommunikation und Personal.

© apa/ludwig schedl

 

Aktuelle Ausgabe

Nach oben scrollen