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Ich mach´ mir die Welt, wie sie mir gefällt

© Elisa, 9 Jahre, Leuwaldhof 2020 © Klaus Vyhnalek

Ich mach´ mir die Welt, wie sie mir gefällt

© Elisa, 9 Jahre, Leuwaldhof 2020 © Klaus Vyhnalek

Der österreichische Förderverein für Kinder-Rehabilitation erarbeitet maßgeschneiderte Konzepte für die kleinsten Patientinnen und Patienten. Denn diese brauchen nicht nur eigene Settings, sondern vor allem ihre Familien, die auf dem Weg zur Heilung unverzichtbar sind. periskop hat Obmann Markus Wieser zum Gespräch geladen. | von Mag. Julia Wolkerstorfer

Zeichnung von Elisa, 9 Jahre, Leuwaldhof 2020

Die Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der Rehabilitation im Erwachsenenbereich.

Periskop: Sie setzen sich seit Gründung des „Vereins für Kinder- und Jugendlichen-Rehabilitation“ ehrenamtlich für die Gestaltung und den Ausbau kindgerechter Reha-Konzepte ein. Wie kam es dazu?

WieserIch war damals persönlich betroffen, da meine Tochter 2008 an akuter myeloischer Leukämie erkrankt ist. Sie hat eine hervorragende medizinische Betreuung im St. Anna Kinderspital bekommen. Doch nach der Intensivbehandlung haben wir schnell erfahren, dass Nachbetreuung und Rehabilitation ebenfalls essenzielle Bestandteile des Heilungsprozesses sind, diese aber nicht als Leistungsanspruch verfügbar waren. Uns wurde damals klar, dass in Österreich kindgerechte Reha-Einrichtungen schlicht fehlen, also eigene Einrichtungen für Kinder UND ihre Familien. Es gab österreichweit keine umfassende rehabilitative Betreuung mit pädagogischer und psychologischer Begleitung. Wir haben uns 2009 daher dazu entschlossen, selbst aktiv zu werden, um die Situation für Österreich zu verbessern. Erkrankte Kinder sollten zukünftig eine Reha-Umgebung vorfinden können, in der sie sich wohl fühlen können, sich entfalten dürfen, um letztendlich auf ihrem Weg zur Heilung optimal begleitet zu werden.

Wir wollten eine Umgebung schaffen, in der erkrankte Kinder optimal auf ihrem Weg zur Heilung begleitet werden.

Welche Faktoren sind für die Gestaltung von Reha-Einrichtungen essenziell, um Kinder und Jugendliche hier qualitätsvoll zu begleiten?

Rehabilitation für Kinder und Jugendliche sowie deren Familien umfasst die gesamte Betreuung und muss gezielt auf individuelle Bedürfnisse und Besonderheiten eingehen. Dazu zählt beispielsweise eine kinder- und jugendgerechte Bau- und Einrichtungsweise sowie professionelle und altersgerechte Kinderbetreuung durch ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen. Zudem muss ein wichtiges Augenmerk auf die schulische Betreuung durch entsprechend ausgebildete Lehrkräfte gewährleistet sein, jeweils alters- und schultyp-abhängig. Dafür stehen eigene Kindergärten sowie eine Heilstättenschule zur Verfügung, die auch von den Geschwisterkindern besucht werden können. Dadurch ist gewährleistet, dass die Kinder bzw. Jugendlichen während ihres mehrwöchigen Aufenthaltes den Schulunterricht nicht versäumen. Wichtig ist natürlich auch gesunde Ernährung unter Berücksichtigung der geschmacklichen Anforderungen von Kindern und Jugendlichen. Das Herzstück der Kinder-Rehabilitation ist natürlich, dass auch für die Familie des erkrankten Kindes Raum geschaffen wird.

Markus Wieser setzt sich seit 2009 für maßgeschneiderte Rehabilitationskonzepte für Kinder und Jugendliche ein.

Mit dem Beschluss im Juli 2017 über die vierte Versorgungsregion  Versorgungsregion West (Tirol und Vorarlberg)  hat der Verein es geschafft, die Kinder- und Jugendlichen-Rehabilitation in Österreich für Kinder und ihre Angehörige umzusetzen. Was waren die Meilensteine auf diesem Weg und die Erfolgserlebnisse, die sie weiterkämpfen ließen?

Wir verzeichneten hier vielfältige Meilensteine, beginnend im Jahr 2010, als eine Arbeitsgruppe im Gesundheitsministerium zur Bedarfszahlenerhebung eingerichtet wurde. 2011 wurden in Folge die Bedarfszahlen festgelegt und der Abschlussbericht zur Kinder-Reha präsentiert. Im Jahr 2012 ist die Kinder-Reha erstmals in den Rehabilitationsplan aufgenommen worden. Ein Jahr später hat die Bundeszielsteuerungskommission Grundsätze und Empfehlungen zur Umsetzung der Kinder-Rehabilitation in Österreich verabschiedet. Einen weiteren Meilenstein haben wir 2014 verzeichnet, als die Finanzierungsfrage zwischen Krankenversicherungen und Bundesländern entschieden wurde. 2015 gab es dann die Ausschreibung zur Errichtung und 2016 erfolgten die Beschlüsse über Standorte für Kinder-Reha-Einrichtungen. Dabei sind insgesamt vier Versorgungsregionen entstanden: Die Versorgungsregionen Süd (Steiermark, Kärnten sowie das südliche Burgenland), Nord (Oberösterreich und Salzburg), Ost (Wien, Niederösterreich und das nördliche Burgenland) sowie West (Tirol und Vorarlberg). Seit Ende 2019 verzeichnen wir fünf Rehabilitationszentren speziell für Kinder und Jugendliche in drei Versorgungsregionen (Nord, Ost, Süd). Mit diesen Initiativen hat die österreichische Kinder-Reha Geschichte geschrieben. Heute verfügen wir in Österreich über insgesamt sechs Reha-Zentren, die speziell auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet sind (die Einrichtung Wiesing befindet sich gerade in der Planungsphase).

Der Förderverein freut sich sehr über Spenden, die direkt den Kindern und Jugendlichen zugute kommen.

Können Sie uns einen Einblick in eine Auswahl der Reha-Einrichtungen geben?

Das Kinder- und Jugend-Rehabilitationszentrum Leuwaldhof — eingebettet in den ersten heilklimatischen Kurort Salzburgs — hat sich beispielsweise auf hämato-onkologische Rehabilitation fokussiert. Wir verfügen dort über 20 Betten für die Betreuung hämato-onkologisch erkrankter Kinder, 50 Betten für familienorientierte Onko-Nachsor­ge sowie zwölf Betten für Rehabilitation bei Krankheiten des Stoffwechselsystems und des Verdauungsapparates. Familienorientierte Rehabilitation bedeutet, dass nicht nur das erkrankte Kind bzw. der erkrankte Jugendliche im Rahmen der familienorientierten Therapie eine individuelle Behandlung erfährt, sondern auch jedes betroffene Familienmitglied als so genannter „Sekundärpatient“ bzw. „Sekundärpatientin“.

Die Kinder- und Jugend-Reha „kokon“ in Rohrbach Berg im naturnahen Mühlviertel bietet einen sicheren und stabilen Raum, in dem sich junge Menschen — unterstützt von erfahrenen Expertinnen und Experten und innovativen medizinischen Möglichkeiten — ausgiebig entfalten können. Wir verfügen hier über 36 Betten für mobilisierende Rehabilitation, 17 Betten für Herz-Kreislauf- und Pulmologie-Reha, 24 Betten für psychosoziale Rehabilitation und 67 Betten für Begleitpersonen.

Oder das in Planung befindliche Kinder- und Jugendlichen-Rehabilitationszentrum Wiesing: Hier werden ab 2021 insgesamt 22 Betten für mobilisierende Rehabilitation, 15 Betten für psychosoziale Rehabilitation und 22 Betten für Begleitpersonen zur Verfügung stehen.

Sie haben damit ein neues Kapitel in der Gesundheitsversorgung Österreichs aufgeschlagen. Wie auch PRAEVENIRE verfolgen Sie das Ziel, dass Eltern ihre Kinder im Zuge einer familienzentrierten Rehabilitation begleiten können und dabei finanziell abgesichert sind.

Wir brauchen einen verbindlichen Rechtsanspruch auf die Rehabilitationsleistung inklusive arbeitsrechtlicher und sozialrechtlicher Absicherung der Eltern. Der Pflegeurlaub reicht nicht aus, um Kinder in der Form im Rahmen ihrer Reha zu begleiten, wie sie es verdient haben.

Der Verein wurde durch eine Kooperationsvereinbarung von der ÖGK vertraglich beauftragt, die Kinder-Rehabilitation in Österreich zu evaluieren. Worin liegen Ihre Aufgaben und was prüfen Sie dabei?

Wir evaluieren die familien- und kindgerechte Ausstattung der Reha-Einrichtungen sowie die familien- und kindgerechten Betreuungsangebote. Zudem erstellen wir Berichte zu den Visitationen und bringen Optimierungsvorschläge ein. Letztendlich werden Themen festgelegt, die in zukünftige vertragliche Vereinbarungen über Kinder- und Jugendlichen-Rehabilitation einfließen sollen, basierend auf den bisherigen Erfahrungen, um so das Setting für die Kinder und Jugendlichen noch präziser an ihre vielfältigen Bedürfnisse anzupassen.

Spenden sowie aktive Mithilfe sind ein wichtiger Bestandteil der zukünftigen Entwicklung kindgerechter Reha-Zentren. Wie stellen Sie sich hier auf?

In den Rehabilitationseinrichtungen betreut der Förderverein als Elterninitiative vor Ort die Kinder und Familien, einerseits in der schul- und kindergartenpädagogischen, aber auch in der familiengeführten Rehabilitation. Darüber hinaus finanziert der Förderverein Freizeitaktivitäten während des Reha-Aufenthaltes und unterstützt Familien, die durch eine schwere Erkrankung ihrer Kinder in finanzielle Not geraten sind. Darunter sind auch viele alleinerziehende Mütter, denen wir gezielt helfen wollen. Letztendlich unterstützt der Förderverein mit seinen Spenden die Rehabilitationseinrichtungen, beispielsweise bei der Errichtung von Outdoor-Therapiespielplätzen oder der Anschaffung von medizinischen Gerätschaften.

Wir brauchen einen verbindlichen Rechtsanspruch auf Rehabilitationsleistungen.

Die Chancen, Krankheiten zu besiegen, werden durch die rasanten Fortschritte in der Medizin immer größer. Genau aus diesem Grund müssen wir entsprechende Settings gewährleisten, um Kindern und Jugendlichen die Türen zur Heilung auch in entsprechender Form zu öffnen.

Wie können Unternehmen oder private Initiativen den Verein unterstützen?

Der Förderverein freut sich sehr über Firmen oder private Initiativen, die bewusst in die Kinder dieses Landes investieren wollen. Die Spenden kommen den Kindern und Jugendlichen direkt zugute. Der Verein, der selbstverständlich über das Spendengütesiegel verfügt, kann aktiv über unsere Website unterstützt werden: www.foerderverein-kinderreha.at

Wir bedanken uns vorab ganz herzlich für Ihr Mitwirken. Sie leisten damit einen wertvollen Beitrag für eine kindgerechte Gesundheits-versorgung von morgen, in der die Lücke zwischen Klinik und Reha geschlossen wird. Wenn wir lernen, die Welt Stück für Stück mehr durch Kinderaugen zu betrachten, bereichern wir dadurch nicht nur die bunte Welt der Kinder, sondern auch unsere eigene.

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Begleitender Beirat im Förderverein

Zur Unterstützung der fachlichen Beratung im Bereich der Kinder- und Jugendlichenrehabilitation sowie zur Prüfung von Förderanträgen und zukunftsweisenden Projekten wurde ein Beirat aus Fachärztinnen und -ärzten der Kinder- und Jugendheilkunde, der Rehabilitation und Nachs­orge, Vorstandsmitgliedern und ärztlichen Leitern von Sozialversicherungsträgern, Krankenanstalten sowie Rehabilitationszentren aus öffentlichen und privaten Einrichtungen errichtet.

Zu den derzeitigen Beiratsmitgliedern zählen:

  • Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Holter | Ärztlicher Direktor St. Anna Kinderspital

  • Univ.-Prof. Dr. Christina Peters | Leiterin der Stammzellentransplantation St. Anna Kinderspital

  • Dr. Reinhard J. Topf | Leiter Psychosoziale Gruppe St. Anna Kinderspital

  • Barbara Hahn, BSc | Pflegedirektorin St. Anna Kinderspital

  • Prim. Univ.-Doz. Dr. Günther Bernert | Ab­teilungsvorstand Preyer`sches Kinderspital

  • Prim. Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer | Leiter Kinder- und Jugendabteilung, Universitäts­klinikum St. Pölten

  • Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Sperl | Vorstand der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde Salzburg

  • Prim. Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl | Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendliche LKH-Leoben

  • Prim. Prof. Dr. Peter Grieshofer | Ärztlicher Leiter Klinik Judendorf-Straßengel

  • Univ. Prof. Dr. Paul Plener, MHBA | Head of the Department of Child and Adolescent Psychiatry, MedUni Wien

  • Hon. Prof. Dr. Bernhard Rupp | Leiter Abteilung Gesundheitswesen AK-NÖ

Sonderbeilage Die Presse, Erscheinungstermin 19. Dezember 2020


© Elisa, 9 Jahre, Leuwaldhof 2020
© Klaus Vyhnalek 

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