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Valerie Nell-Duxneuner: Neue Präsidentin im ÖGR-Vorstand

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Valerie Nell-Duxneuner: Neue Präsidentin im ÖGR-Vorstand

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Im November 2022 wurde der neue Vorstand der Österreichische Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation (ÖGR) gewählt. Im PERISKOP-Interview sprach die neue ÖGR-Präsidentin PD Dr. Valerie Nell-Duxneuner über die fortschritte in der Therapie von rheumatischen Erkrankungen sowie ihre Ziele und Maßnahmen, die sie in ihrer zweijährigen Amtsperiode umsetzen möchte. Ihr Fokus liegt dabei vor allem auf der Nachwuchsgewinnung für das Fach Rheumatologie.

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Carola Bachbauer, BA, MSc

Periskop-Redakteurin

Die ÖGR ist eine Fachgesellschaft mit dem Schwerpunkt auf Ausbildung, Fortbildung und wissenschaftlichen Aktivitäten im In- und Ausland.

PERISKOP: Wenn man von rheumatischen Erkrankungen spricht, denkt man sofort an ältere Menschen. Aber auch Kinder und junge Erwachsene sind von dieser Erkrankung betroffen. Dennoch herrscht in der Bevölkerung nur wenig Wissen dazu. Was sind die Key Facts rund um das Thema Rheuma?
Nell-Duxneuner: Rheuma ist ein Überbegriff für Erkrankungen des Bewegungs- und
Stützapparates, die oft mit Schmerzen und eingeschränkter Beweglichkeit einhergehen und den gesamten Bewegungsapparat, wie Gelenke, Gelenkkapseln, Knochen, Muskeln und Sehnen sowie innere Organe betreffen können. Dadurch gibt es viele verschiedene Arten von Rheuma. Genau das erschwert die Diagnose, macht das Fach Rheumatologie aber um so spannender. Rheumatische Erkrankungen sind derzeit noch nicht heilbar. Rund zwei Mio. Österreicherinnen und Österreicher leiden daran. Davon ist – wie erwähnt – nicht nur die ältere Generation betroffen, sondern auch die jüngere. Grund dafür ist, dass Rheuma zum einen verschleiß- bzw. altersbedingt ist, zum anderen aber auch autoimmunbedingt oder aufgrund einer Stoffwechselstörung auftreten kann. Wir wissen aus Studien, dass Rheuma die Lebenserwartung um bis zu zehn Jahre verringern kann. Es sei denn, die Krankheit wird frühzeitig erkannt und eine Therapie wird rechtzeitig durch eine Fachärztin oder einen Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie eingeleitet. Somit ist für den Verlauf der Krankheit die Früherkennung entscheidend.

Die Behandlung rheumatischer Erkrankungen hat in den letzten Jahren eine
deutliche Veränderung erfahren. Welche Therapieoptionen gibt es?

Entzündlich rheumatische Erkrankungen werden in der Regel mit speziellen Medikamenten, den „Basistherapeutika“ wie etwa Methotrexat therapiert. Neben diesen sogenannten „konventionellen“ Substanzen sind heute auch eine Reihe hochmoderner
immunsuppressiver Biologika verfügbar, deren Einführung vor ungefähr 20 Jahren ein wichtiger Wendepunkt in der Rheumatologie war. Diese haben die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Behandlung von rheumatischen Erkrankungen revolutioniert! Wir haben nur noch selten Patientinnen und Patienten, die einen so großen Funktionsverlust durch die Erkrankung haben, dass sie dieser in ihrem täglichen Leben stark einschränkt. Das ist ein riesiger Erfolg und wir können dankbar sein, dass wir diese innovative Therapie unseren Patientinnen und Patienten in Österreich verschreiben können. Ein weiterer wichtiger Schritt waren die Biosimilars. Dabei handelt es sich um gleichwertige Nachfolgeprodukte von bereits seit Jahren am Markt zugelassenen Biopharmazeutika, deren Patent abgelaufen ist. Durch die Verfügbarkeit dieser Biosimilars sind wir auch ökonomisch in eine entspanntere Lage gelangt, denn bei Biologika handelt es sich um eine sehr teure Therapie, die viele Patientinnen und Patienten benötigen. Neben der passenden Therapie ist, wie ich bereits erwähnt habe, auch der richtige Zeitpunkt für den Erfolg ausschlaggebend. Je früher eine Behandlung durchgeführt wird, desto besser
bekommen wir die Erkrankung in den Griff. Dies ist der entscheidende Schritt, der zu einer
erhöhten Lebensqualität der Patientinnen und Patienten führt.

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Ist COVID-19 ein Risikofaktor für die Entstehung rheumatischer Erkrankungen?
Wir haben gesehen, dass Autoantikörper nach Coronainfektionen steigen, sich nach einer
Zeit jedoch wieder normalisieren. Diesen Effekt kennen wir bereits von anderen Viren z.B. dem Epstein-Barr-Virus (EBV) oder dem Zytomegalievirus (CMV). Diese Viren können bei Autoimmunerkrankungen eine wichtige Rolle als auslösende Faktoren spielen. Somit ist es durchaus möglich, dass die Infektion ein Trigger von vielen sein könnte. Welche Auswirkungen eine Corona-Erkrankung auf die Entstehung von rheumatischen Erkrankungen tatsächlich hat, wissen wir jedoch noch nicht. Das müssen wir auf jeden Fall im Auge behalten. Somit ist es für eine definitive Antwort auf diese Frage noch zu früh.

© APA-FOTOSERVICE/SCHEDL, ÖGR

Sie sind seit November 2022 Präsidentin der ÖGR. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
Ein Punkt, der mir sehr wichtig ist, ist die Bedeutung der oben bereits erwähnten Früherkennung von Patientinnen und Patienten. Dazu brauchen wir genügend und sehr gut
ausgebildete Rheumatologinnen und Rheumatologen. Wir haben derzeit zwar eine gute
Versorgung in den Spitälern, im niedergelassenen Bereich sieht es jedoch anders aus. In den nächsten Jahren stehen wir vor einer Pensionierungswelle, durch die fast die Hälfte der Rheumatologinnen und Rheumatologen nicht mehr praktizieren wird. Aus diesem Grund haben wir 2017 eine Summer School ins Leben gerufen, bei der die Studierenden die Rheumatologie in ihrer ganzen Bandbreite kennenlernen können. Vor zwei Jahren wurde das Projekt dann um junge Medizinerinnen und Mediziner erweitert. Unser Ziel ist es, den Nachwuchs für das Fachgebiet Rheumatologie zu begeistern. Das funktioniert auch sehr gut. Wir konnten dadurch bereits einige Studierende sowie Absolventinnen und Absolventen rekrutieren.

Zusätzlich möchten wir den Jungärztinnen und -ärzten eine eigene Stimme im Vorstand geben.
Dies möchten wir bis zur nächsten Funktionsperiode umgesetzt haben. Ein wichtiger Schritt dafür war die Gründung eines neuen Arbeitskreises, der sich speziell an unsere jüngeren Kolleginnen und Kollegen richtet und Maßnahmen zur aktiven Mitgestaltung in der ÖGR verwirklichen soll. Ich glaube, das ist die Zukunft. Wir müssen generell mehr auf
die Meinung junger Menschen achten und ihre Wünsche respektieren. So ist es beispielsweise
ein dringendes Gebot, das ärztliche Berufsbild Rheumatologie für Frauen attraktiver und
flexibler zu gestalten. Auch in der Medizin ist es immer noch der Fall, dass der Frauenanteil
mit jeder Führungsebene sinkt. Aufgrund dessen müssen wir speziell den jungen Frauen
aufzeigen, welche Möglichkeiten Führungspositionen bieten und einen guten Einblick in die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geben. Das ist nicht nur für den klinischen, sondern
auch für den akademischen Bereich wichtig.

Ein weiteres Ziel, das wir uns in der Gesellschaft gesetzt haben, ist die Veröffentlichung eines Rheumareports. Mit diesem wollen wir zeigen, wo die Rheumatologie derzeit steht, welche Inhalte und Ausbildung es braucht und wohin es in Zukunft gehen soll. Zusätzlich möchten wir mithilfe des Berichts den Bedarf an Rheumatologinnen und Rheumatologen veranschaulichen. Wir brauchen Awareness und genau das möchten wir mit dem Rheumareport schaffen.

Neben der passenden Therapie ist auch der richtige Zeitpunkt für den Erfolg ausschlaggebend. Je früher eine Behandlung durchgeführt wird, desto besser bekommen wir die rheumatische Erkrankung in den Griff.

Möchten Sie uns die Mitglieder des neuen Vorstands der ÖGR vorstellen?
Als Präsidentin hatte ich die Chance, einen Vorstand nach meinen Vorstellungen vorzuschlagen. Dieser wurde angenommen und besteht aus großartigen Kolleginnen und Kollegen, die mich in den nächsten zwei Jahren bei meinen Zielen tatkräftig unterstützen werden. Besonders freue ich mich darüber, dass im Vorstand die drei medizinischen Universitäten Graz, Innsbruck und Wien maßgeblich durch Mitglieder vertreten sind. Geschäftsführer der ÖGR ist Assoz. Prof.
Priv.-Doz. Dr. Martin Stradner, 2. Stellvertretender Leiter der Klinischen Abteilung für Rheumatologie und Immunologie an der Med Uni Graz, geworden. Als Vizepräsidentinnen
haben wir erfreulicherweise zwei Frauen, Prim. Dr. Judith Sautner, Leiterin der II. Medizinischen Abteilung sowie des NÖ Kompetenzzentrums für Rheumatologie am Landesklinikum Stockerau als Past-President, und PD Dr. Christina Duftner, PhD, Oberärztin an der Universitätsklinik für Innere Medizin II Innsbruck, als President-elect.

Zusätzlich haben wir vier Sektionen, die sich mit Themen wie der Zusammenarbeit mit
Patientenorganisationen, Wissenschaft und Forschung, Kooperationen, sowie berufliche
Interessensvertretung der Rheumatologinnen und Rheumatologen in Österreich beschäftigen. Für jede dieser Abteilungen gibt es eine Leitung. So ist etwa Priv.-Doz. Dr. Helga
Lechner-Radner, Ärztin der Klinischen Abteilung für Rheumatologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien, für die wissenschaftliche Sektion der ÖGR zuständig. Des Weiteren haben Dr. Paul Schönfeld, Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie und Allgemeinmedizin, die Leitung der Sektion berufliche Interessenvertretung und Prim. Priv.-Doz. Dr. Ruth Fritsch-Stork, PhD, ärztliche Leiterin des Gesundheitszentrums Mariahilf der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Wien und Univ.-Prof. für Rheumatologie an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien, die Leitung der Sektion Kooperationen übernommen. Die Sektion Patientenpartnerschaft wird von OÄ Dr. Jutta Stieger, 2. Medizinische Abteilung – Zentrum für Diagnostik und Therapie rheumatischer Erkrankungen an der Klinik Hietzing, geleitet. Weitere Vorstandsmitglieder sind Dr. Manuel Bécède, Oberarzt am NÖ Kompetenzzentrum für Rheumatologie des Landesklinikums Stockerau, Priv.-Doz. Dr. Herwig Pieringer, MBA, Facharzt für Innere Medizin sowie Spezialist für Versorgungsmedizin und Rheumatologie an der Klinik Diakonissen Linz, OÄ Dr. Eva Rath, Leiterin des Schwerpunktes Rheumatologie und Immunologie am Hanusch Krankenhaus, Univ.-Prof. Dr. Jens Thiel, Leiter der Klinischen Abteilung für Rheumatologie und Immunologie an der Universitätsklinik für Innere
Medizin des LKH Univ. Klinikums Graz sowie Dr. Antonia Mazzucato-Puchner, Ärztin der Klinischen Abteilung für Rheumatologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin III der
MedUni Wien und Finanzreferentin der ÖGR. Zudem freuen wir uns als Gesellschaft sehr
darüber, dass wir durch den österreichischen President-elect der EULAR, Univ.-Prof. Dr.
Daniel Aletaha, Vorstand der Abteilung für Rheumatologie der MedUni Wien, einen
sehr guten Draht zu unserer europäischen rheumatologischen Gesellschaft haben. Dies bekräftigt zusätzlich den hohen Stellenwert der österreichischen Wissenschaft.

Wir möchten den Jungärztinnen und -ärzten eine eigene Stimme im Vorstand geben.

Einen traditionellen Höhepunkt stellt die Jahrestagung dar. Welche Pläne haben Sie
diesbezüglich?

Wir sind ein gemeinnütziger Verein. Zurzeit haben wir ungefähr 650 Mitglieder. Bei unseren Mitgliedern handelt es sich nicht nur um Rheumatologinnen und Rheumatologen, sondern auch um Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner sowie Internistinnen und Internisten und Kolleginnen anderer Fachrichtungen. Zusätzlich gibt es die Österreichische Gesellschaft für rheumatologische Gesundheitsberufe (ÖGRG), welche mit uns assoziiert ist. Diese Gesellschaft umfasst Mitglieder aus der Gruppe der Rheumaassistentinnen und -assistenten, Ergotherapeutinnen und -therapeuten sowie Physiotherapeutinnen und -therapeuten.
Wir veranstalten unsere Jahrestagung immer rund um das letzten Novemberwochenende.
Heuer ist der Termin vom 30. November bis zum 2. Dezember 2023. Bei der Veranstaltung bieten wir zahlreiche Vorträge, Diskussionsrunden und Präsentationen an. Darüber hinaus möchten wir bei der Jahrestagung unseren Rheumareport vorstellen und damit so viele Stakeholder wie möglich erreichen. Bei diesem Event sind nämlich nicht nur unsere
Mitglieder, sondern auch die Industrie, unsere Arbeitskreise und internationale Gäste vertreten. Die Jahrestagung ist somit der Höhepunkt unseres rheumatologischen Jahres.

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