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Krankenhaushygiene: Der Kampf gegen nosokomiale Infektionen

Hirschmann Hans, Hygienemaßnahmen
© KARINNUSSBAUMER.COM

Krankenhaushygiene: Der Kampf gegen nosokomiale Infektionen

Hirschmann Hans, Hygienemaßnahmen
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Die Österreichische Gesellschaft für Krankenhaushygiene (ÖGKH) ist eine gemeinnützige wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Förderung der Hygienemaßnahmen in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens. Im Gespräch mit PERISKOP ging Hans Hirschmann MPH, DGKP, HFK, Präsident der ÖGKH, näher auf die derzeitige Hygienelage in Österreich ein und sprach über die Maßnahmen, welche die ÖGKH in diesem Bereich fordert.

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Carola Bachbauer, BA, MSc

Periskop-Redakteurin

Die ÖGKH hat sich zum Ziel gesetzt, standespolitisch Hygieneteams zu stärken und die bestehenden Hygienestandards des österreichischen Gesundheitswesens im Dialog mit den beteiligten Akteuren zu verbessern bzw. weiterzuentwickeln. Die Fachgesellschaft steht daher vor allem für die Forderung einer bundesweit vereinheitlichten gesetzlichen Regelung zu Hygienebelangen, die eine wirksame Prävention von nosokomialen Infektionen mit hohem Schutzniveau für Patientinnen und Patienten gewährleistet und Hygieneteams bei der Umsetzung ihrer anspruchsvollen Tätigkeit unterstützt.

PERISKOP: Sie sind seit Mai 2023 Präsident der ÖGKH. Wie beurteilen Sie die Hygienelage in Österreich und wo liegen die vorrangigsten Probleme? Im internationalen Vergleich, wie stellt sich die Krankenhaushygienelage in Österreich dar? Erfüllen heimische Krankenhausanstalten internationale Standards und Leitlinien oder gibt es hier noch Potential für Verbesserungen?

HIRSCHMANN: Verglichen mit anderen Ländern sind wir relativ gut. Da wir jedoch eine unzureichende Datenlage bzw. -erfassung über nosokomiale (im Gesundheitswesen erworbene) Infektionen haben, können wir nicht genau definieren, wo unsere Schwachstellen liegen. Somit wissen wir nicht, welche genauen Maßnahmen es benötigt, um die Patientensicherheit im Bereich Infektionen zu erhöhen. Ein weiterer Grund für diese Problematik sind die fehlenden einheitlichen Standards. Diese führen dazu, dass die Hygienemaßnahmen in einzelnen Krankenhäusern exzellent sind und in anderen eher weniger.

Wir als ÖGKH sehen unsere Verantwortung als Fachgesellschaft darin, Vorschläge für bundesweite verbindliche Hygienestandards vorzulegen und diese mit den verantwortlichen Playern zu diskutieren, um schließlich einheitliche bundesweite Standards implementieren zu können.

Welche konkreten Vorhaben/Ziele haben Sie sich für Ihre Funktionsperiode gesetzt?

Mein Hauptziel — und dafür setzt sich die ÖGKH seit langem ein — ist, dass die Rahmenbedingungen für Hygienefachkräfte verbessert werden. Dazu zählen die Arbeitsbedingungen, die Stärkung des Hygieneteams, die Aufwertung des Stellenwerts der Hygienefachkräfte im Hygieneteam sowie die Ausbildung der Hygienefachkräfte. Letzteres umfasst in erster Linie die Verbesserung und Vereinheitlichung in Österreich.

Jährlich kommt es in Österreich zu geschätzten 95.000 nosokomialen Infektionen, an deren direkten Folgen etwa 4.500 bis 5.000 Patientinnen und Patienten sterben. Dies stellt eine Herausforderung für das österreichische Gesundheitssystem dar. Welche Lösungsansätze und Maßnahmen fordert die ÖGKH in diesem Bereich?

Bevor ich näher auf die Frage eingehe, möchte ich kurz über das Thema nosokomiale Infektionen sprechen. Dabei handelt es sich um Erkrankungen, die in Einrichtungen des Gesundheitswesens erworben wurden und in der Regel als Komplikationen im Rahmen von Diagnostik und Therapie anderer Grunderkrankungen eintreten können. Dazu zählen beispielsweise Harnwegsinfektionen, Gefäßkatheter-assoziierte Bakteriämien/Sepsis, postoperative Wundinfektionen oder Lungenentzündungen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass es sich bei nosokomialen Infektionen nicht immer um durch Hygienemaßnahmen vermeidbare Infektionen handelt. Ein großer Teil der nosokomialen Infektionen entsteht, weil Patientinnen und Patienten alt sind oder, weil sie ein geschwächtes Immunsystem haben.

Um die Zahl der vermeidbaren nosokomialen Infektionen zu senken, benötigt es Bewusstseinsbildung für Hygienemaßnahmen in der Führung eines Krankenhauses bzw. eines Pflegeheimes, Stärkung der Rolle des Hygienepersonals sowie Aufklärung und Einbeziehung der Patientinnen und Patienten in den Präventionsprozess. Zusätzlich besteht der Bedarf an validen Zahlen bezüglich nosokomialer Infektionen. Zurzeit wird die Zahl der Fälle nur geschätzt. Das heißt, es braucht eine einheitliche Infektionserfassung, um zwischen vermeidbaren und nicht vermeidbaren nosokomialen Infektionen unterscheiden zu können, in welchem Bundesland bzw. Krankenhaus die Hygienemaßnahmen funktionieren und schließlich, um Best-Practice-Modelle identifizieren zu können.

In Österreich existieren direkte und indirekte Regelungen und Empfehlungen zur Vermeidung von nosokomialen Infektionen, wie zum Beispiel die „PRO HYG 2.0“. Diese gewährleisten zwar in der Regel ein gewisses Schutzniveau, flächendeckend durchgesetzt haben sie sich aber noch nicht. Was benötigt es, um hier einheitliche Standards ins Leben zu rufen?

Derzeit wird die „PRO HYG 2.0“ österreichweit mit Expertinnen und Experten überarbeitet. Diese Empfehlungen zur Vermeidung von nosokomialen Infektionen sind von wesentlicher Bedeutung, jedoch nicht verbindlich. In Österreich gibt es zurzeit keinen Rechtanspruch auf die Umsetzung dieser Empfehlungen. Derart bundesweit verbindliche Hygienequalitätsstandards wie z. B. hygienische Maßnahmen zur Vermeidung von Gefäßkatheter-Infektionen oder räumliche Ausstattung von medizinischen Einrichtungen sind dringend nötig, damit die derzeit oft bestehenden Rechtsunsicherheiten bei der Errichtung von Gesundheitseinrichtungen vermieden und klare Regeln für Errichter, Betreiber und die zuständigen Gesundheitsbehörden geschaffen werden.

Ein wichtiger Teil der „PRO HYG 2.0“ ist die Festschreibung des Personalschlüssels. Wie viele Personen braucht es im Hygieneteam je nach Größe des Krankenhauses? Um diesen Bedarf an Personal fordern zu können, braucht es jedoch einheitliche Regelungen für ganz Österreich. Ähnlich sieht es bei den Vorgaben, wie Infektionserfassung durchgeführt werden soll, aus. Wir als ÖGKH sehen unsere Verantwortung als Fachgesellschaft darin, Vorschläge für bundesweite verbindliche Hygienestandards vorzulegen und diese mit den verantwortlichen Playern zu diskutieren, um schließlich einheitliche bundesweite Standards implementieren zu können.

Mein Hauptziel — und dafür setzt sich die ÖGKH seit langem ein — ist, dass die Rahmenbedingungen für Hygienefachkräfte verbessert werden. Dazu zählen die Arbeitsbedingungen, die Stärkung des Hygieneteams, die Aufwertung des Stellenwerts der Hygienefachkräfte im Hygieneteam sowie die Ausbildung der Hygienefachkräfte.

Die Bedeutung der Handhygiene wurde seit Beginn der Pandemie als eine wesentliche Säule in der Prävention der Übertragung des SARS-CoV-2-Virus hervorgehoben. Inwieweit ist es sinnvoll, die Handhygiene als obligatorische Pflicht einzuführen, bevor eine Person Gesundheitseinrichtungen betritt? Wie können Patientinnen und Patienten zu einem wirksamen Infektionsschutz beitragen?

Die Händehygiene ist ein wesentlicher Bestandteil des Hygienemanagements. Im Zusammenhang mit Corona wurde diese in der allgemeinen Bevölkerung als wichtige Maßnahme auch im Bewusstsein verankert. Jedoch zeigen Erfahrungen, dass Besucherinnen und Besuchern bzw. Patientinnen und Patienten mehr Wissen bezüglich der Händehygiene vermittelt werden muss. Denn sobald man etwas angreift oder die Nase putzt, oder nach einem WC-Besuch, ist die Wirkung der Händedesinfektion nicht mehr gegeben. Deshalb ist es nicht unsere Intention vor dem Besuch einer Gesundheitseinrichtung von Besucherinnen und Besuchern oder Patientinnen und Patienten dies zu fordern. Eine viel wichtigere Maßnahme sehen wir darin, dass alle Berufsgruppen im Gesundheitswesen in hygienerelevante Prozesse miteinbezogen werden und eine umfassende, gut geschulte und kontrollierte Händehygiene und -desinfektion in Gesundheitseinrichtungen als Grundvoraussetzungen für eine wirkungsvolle Verhütung von Krankenhausinfektionen implementiert wird. Die Händedesinfektion ist die effizienteste Maßnahme, um eine Übertragung der Erreger nachweislich zu unterbinden.

Bereits mit einer gesunden Lebensführung können Patientinnen und Patienten dazu beitragen nosokomiale Infektionen zu verhindern. Raucherinnen und Raucher, Personen mit Übergewicht sowie Menschen mit einer Fehlernährung sind anfälliger für nosokomiale Infektionen. Hinzukommt, dass es wichtig ist, dass Patientinnen und Patienten Hygienemaßnahmen und Empfehlungen des Personals einhalten. Zu den empfohlenen Maßnahmen zählen beispielsweise Händewaschen nach dem WC-Besuch, bei einer Verkühlung Abstand zu anderen Patientinnen und Patienten halten und die präoperative Körperpflege vor elektiven Eingriffen. Auch das Thema Gesundheitskompetenz spielt in diesem Bereich eine wichtige Rolle. Themen wie gesunder Lebensstil, Bewegung und Ernährung sollten bereits in Kindergärten und Schulen vermittelt werden und so die Health Literacy gestärkt werden.

Das Wissen über die Ursachen einer nosokomialen Infektion, die damit verbundenen Gefahren und welche Maßnahmen Patientinnen und Patienten durchführen können, um das Infektionsrisiko während eines Aufenthaltes in einer Gesundheitseinrichtung zu minimieren, ist in der Gesellschaft nach wie vor zu wenig verankert. Wie kann die Eigenverantwortung und Handlungskompetenz von Patientinnen und Patienten gestärkt werden?

Indem Patientinnen und Patienten umfassend über Hygienestandards und Maßnahmen, wie sie sich präventiv vor nosokomialen Infektionen schützen können, informiert sind, können vermeidbare nosokomiale Infektionen verhindert werden. Aufgrund dessen ist es wichtig, dass in der Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit für das Thema Infektionsschutz geschaffen und somit der Stellenwert der Hygiene gesteigert wird. Wie bereits erwähnt, kann die Vermittlung von Maßnahmen, wie Händewaschen, Körperpflege vor Operationen, aber auch das Befolgen von Empfehlungen des Gesundheitspersonals einen wichtigen Beitrag leisten.

Ein weiteres Thema, das hier eine Rolle spielt, ist die zunehmende Verbreitung antibiotikaresistenter Bakterien, welche zur Folge haben, dass viele der nosokomialen Infektionen nicht mehr wirksam behandelt werden können. Wichtig gerade bei der Antibiotikatherapie ist, dass, wenn sie verordnet wird, die Antibiotika auch so lange genommen werden, wie empfohlen und nicht vorher abgesetzt werden. Um Antibiotikaresistenzen zu vermeiden, müssen Patientinnen und Patienten über den richtigen Umgang mit Antibiotika informiert werden. Wir können durch unsere Hygienemaßnahmen, die Resistenzentwicklungen nicht verhindern, aber unsere Aufgabe ist es eine Weiterverbreitung im Gesundheitswesen möglichst zu vermeiden.

Beispielsweise ist eine wirksame Maßnahme, dass Patientinnen und Patienten aus Ländern mit einer hohen Antibiotikaresistenz isoliert untergebracht werden. Dies ist jedoch aufgrund von zu wenigen Einzelzimmern nur selten umsetzbar.

Bereits mit einer gesunden Lebensführung können Patientinnen und Patienten dazu beitragen nosokomiale Infektionen zu verhindern. Hinzukommt, dass es wichtig ist, dass Patientinnen und Patienten Hygienemaßnahmen und Empfehlungen des Personals einhalten.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hygieneteams spielen eine zentrale Rolle in der Umsetzung und Kontrolle der Hygienemaßnahmen in Gesundheitseinrichtungen. Die öffentliche Wahrnehmung und finanzielle Honorierung dieses Berufsbildes entsprechen jedoch nicht den damit verknüpften verantwortungsvollen Aufgaben. Welche Schritte benötigt es, um die Ausbildung sowie das Berufsfeld der Hygienefachkräfte attraktiver zu gestalten? Wie bringt sich die ÖGKH in diesem Bereich ein?

Derzeit ist die Situation so, dass ein Wechsel aus dem ärztlichen oder pflegerischen Bereich in den Hygienebereich häufig mit Gehaltseinbußen einhergeht, weil relativ gut bezahlte Dienste wie Wochenend- oder Nachtdienste wegfallen. Aufgrund dessen erscheint für viele ein Wechsel unattraktiv.

Aus unserer Sicht braucht es deshalb eine Reform in der Ausbildung. Hygienefachkräfte benötigen eine fundierte Ausbildung für ihre Tätigkeit. Dies sollte mit einem akademischen Abschluss in Form eines Bachelors oder Masters einhergehen. Das Thema Ausbildung impliziert auch höherwertige finanzielle Honorierung, welche der Verantwortung und den Aufgabenbereichen entsprechen sollte, eine Statusaufwertung sowie die Wertschätzung des Berufsbilds. Nur so werden in Zukunft genügend speziell ausgebildete Hygienefachkräfte verfügbar sein und die Zahl von vermeidbaren nosokomialen Infektionen gesenkt werden. Die Vermeidung dieser Infektionen verhindert nicht nur Leid bei den Betroffenen, sondern reduziert auch Kosten, welche mit einer nosokomialen Infektion einhergehen.

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