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Digitalisierung im Gesundheitsbereich: Worauf wartet Österreich?

Stefan Konrad
© HÖRMANDINGER

Digitalisierung im Gesundheitsbereich: Worauf wartet Österreich?

Stefan Konrad
© HÖRMANDINGER

Die Digitalisierung eröffnet im Gesundheitswesen zahlreiche Chancen zur Steigerung der Versorgungsqualität. Dennoch lässt sich Österreich nur langsam auf diesen Trend ein. Während in anderen Ländern digitale Therapieoptionen wie Apps auf Rezept bereits gang und gäbe sind, tüftelt Österreich immer noch an den Rahmenbedingungen. Dr. Stefan Konrad, MBA, Digitalisierungsexperte der Wiener Ärztekammer und deren Vizepräsident, erklärte in einem Experteninterview, an dem auch PERISKOP teilnahm, welche Vorteile die Digitalisierung und vor allem die Einführung von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) mit sich bringen.

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Carola Bachbauer, BA, MSc

PERISKOP-Redakteurin

DiGAs haben das Potenzial, unser Gesundheitssystem auf innovative und kosteneffektive Weise weiterzuentwickeln. Dabei handelt es sich um digitale Anwendungen, die bei der Erkennung, Überwachung oder Therapie unterschiedlicher Krankheitsbilder zum Einsatz kommen. Im Gegensatz zu Lifestyle- oder Wellness-Apps sind DiGAs zertifizierte und zugelassene Medizinprodukte, die entweder direkte oder indirekte evidenzbasierte Diagnosen bzw. Behandlungen anbieten.

Bekenntnis zur Digitalisierung

In Deutschland seien, so Konrad, bereits rund 50 solcher Apps zugelassen, die von den Krankenkassen finanziert werden. In Österreich hingegen werden nach wie vor rechtliche Fragen, gesetzliche Anpassungen und die Finanzierung der Kostenerstattung diskutiert. Dabei hätte Österreich den großen Vorteil, nicht bei null anfangen zu müssen, und könne aus den Fehlern anderer Länder lernen. „Es benötigt ein klares Bekenntnis der Regierung, Sozialpartner und Sozialversicherungen, sowohl die rechtlichen als auch finanziellen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Digitalisierung im medizinischen Bereich voranzutreiben. Dies käme sowohl den Ärztinnen und Ärzten als auch den Patientinnen und Patienten zugute“, berichtete Konrad.

Es wäre ein Fehler, die Ärzteschaft nicht einzubinden, wenn man will, dass wir die Apps verschreiben und gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten anwenden.

Alle Stakeholder einbinden

Gleichzeitig müssten auch alle relevanten Stakeholder eingebunden werden. Was passiert, wenn dies nicht der Fall ist, zeige Deutschland. Hier seien die Verschreibungszahlen von digitalen Anwendungen aufgrund der versäumten Einbindung der Ärztinnen und Ärzte gering. „Es wäre ein Fehler, die Ärzteschaft nicht einzubinden, wenn man will, dass wir die Apps verschreiben und gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten anwenden“, betonte Konrad. Wie bei klassischen medikamentösen Neuentwicklungen müsse man auf die Ärzteschaft zukommen und ihnen die Zulassungsstudien näherbringen. „Ich glaube, es gibt viele Ärztinnen und Ärzte, die Lust darauf haben und sich darauf einlassen würden“, erklärte der Experte und versprach: „Die Ärztekammer steht jedenfalls für eine konstruktive Mitarbeit in allen Digitalisierungsfragen des Gesundheitsbereichs als Gesprächspartner zur Verfügung.“

Entlastung des Gesundheitssystems

„Wichtig ist es, dass Österreich beim Thema Digitalisierung nicht den Anschluss verliert“, betonte der Digitalisierungsexperte. Denn schon jetzt wird die Anwendung von digitalen Apps im Bereich der Psychiatrie bei unipolarer Depression in der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. dezidiert als Therapiemethode empfohlen. Dies könnte, warnte Konrad, durchaus in Zukunft zu einer großen Diskussion führen, da Patientinnen und Patienten der Meinung sein könnten, dass ihnen eine in den Leitlinien empfohlene Therapieoption vorenthalten wird. Des Weiteren erklärte Konrad: „Es ist kein Wunder, dass gerade die Psychiatrie ein Spitzenreiter unter den DiGAs ist, denn jene können gerade bei chronifizierten Erkrankungen ein guter Begleiter sein.“ Außerdem wird das Thema Telemedizin im niedergelassenen Bereich immer bedeutsamer. Digitale Sprechstunden können laut dem Experten eine gute Möglichkeit sein, um das Gesundheitssystem zu entlasten: „Wenn es um Beratung, Befundbesprechung oder Überwachung bestimmter Werte geht, kann diese häufig in einem Safespace digital mit den Patientinnen und Patienten durchgeführt werden.“ Zusätzlich können DiGAs in der Prävention, Früherkennung oder als Primärtherapie sowie begleitend zu medikamentösen oder anderen Therapien zur Verbesserung der österreichischen Gesundheitsversorgung beitragen.

Auch im Bereich der Onkologie sieht Konrad als Facharzt für Strahlentherapie-Radioonkologie eine gute Möglichkeit, Digitalisierung einzusetzen. Vor allem in der lebenslangen Nachsorge von Krebspatientinnen und Krebspatienten können digitale Methoden einen Mehrwert bringen.

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