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Digital Health: Zurück in die Zukunft

Schriftzug Shape the Future
© KRISZTIAN JUHASZ

Digital Health: Zurück in die Zukunft

Schriftzug Shape the Future
© KRISZTIAN JUHASZ

Das 5. PRAEVENIRE Digital Health Symposion am 20. und 21. April unter dem Motto Shape the future. Automation - Robotics - AI - Cyber Security präsentierte nicht nur die aktuellen Entwicklungen der Digitalisierung im Gesundheitssystem, sondern legte auch den Finger in die vielen offenen Fragen und Herausforderungen.

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Mag. Dora Skamperls

PERISKOP-Redakteurin

Der sensationelle Erfolg des 5. PRAEVENIRE Digital Health Symposions ist ein deutliches Signal für die hohe Bedeutung des Themas Digitalisierung – exemplarisch im Gesundheitswesen – für die kommenden Jahre und Jahrzehnte. Die Keynotes anlässlich des Openings zeigten eindrücklich die dramatische Dringlichkeit einer Weiterentwicklung des Gesundheitssystems. Forderungen nach Digitalisierung des Gesundheitswesens könnten nämlich bald veraltet wirken. Die Entwicklung läuft auf Hochtouren und überholt bereits das System.

„Jede Krankenanstalt ist eine kritische Infrastruktur.“ – hinter diesem scheinbar offensichtlichen Hinweis steht eine enorme Verantwortung für die Implementierung digitaler Systeme. Während die vielgestaltigen Herausforderungen der Digitalisierung in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit wenig verankert sind, arbeiten im Hintergrund die besten Köpfe des Landes an KI-Systemen, digitalen Gesundheitsanwendungen, Robotik und vor allem auch rechtlichen Grundlagen und Cyber Security, um die Digitalisierung auf einer sicheren und zukunftsfähigen Basis umsetzen zu können.

„Bis zum Ende durchdenken“

Bei der von Prof. DI Dr. Reinhard Riedl, Dozent an der Berner Fachhochschule, und Lisa Holzgruber, MBA, MSc, Gründerin der rotable GmbH, hochkarätig moderierten Veranstaltung beschäftigten sich Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen an zwei Tagen mit vier Themenblöcken: „Die Basis: Von eHealth nach dHealth – die datengetriebene Zukunft des Gesundheitswesens“, „Roboter – Entlastung für Pflege und Chirurgie“, „KI in der medizinischen Versorgung – durch Qualitätsmanagement zur Erfüllung ethischer Ansprüche“ und „Digitale Sicherheit und Resilienz: Notwendig für Vertrauen und entscheidend in Krisen“. Riedl betonte in seiner Begrüßung die „Notwendigkeit, die Digitalisierung anhand konkreter Beispiele aus der Praxis bis zum Ende durchzudenken.“ Begleitet wurde die Veranstaltung von einem Pitch Contest junger Start-ups aus dem Digitalisierungsbereich und einer Event-App mit Live-Umfragemöglichkeit.

Vorteile für alle aufzeigen

Im Rahmen des Symposions in Wien diskutierten mehr als hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer breite Aspekte der Digitalisierung der medizinischen Versorgung und des Gesundheitswesens insgesamt: vom Chirurgie- oder Pflegeroboter bis zu Cyber Security und rechtlichen Aspekten. Bei der Digitalisierung handle es sich um eine Entwicklung, die Abläufe im Gesundheitswesen ganz breit und an den verschiedensten Stellen dieses komplexen Systems verändere, so Organisator Reinhard Riedl, „Man muss die Vorteile für die Menschen bzw. Patientinnen und Patienten sowie das Gesundheitspersonal aufzeigen. Tatsächlich ergänzen zum Beispiel Gesundheits-Apps auf Rezept die konventionelle Versorgung. Das führt zur ‚Selbstermächtigung‘ der Betroffenen. Technisch am nächsten ist doch den meisten von uns das Handy.“

Apps auf Rezept

In Deutschland können Ärztinnen und Ärzte zertifizierte Gesundheits-Apps mit bewiesenem Nutzen (z. B. bei orthopädischen Problemen, bei psychiatrischen Erkrankungen etc.) bereits auf Kassenrezept verschreiben. In Österreich gibt es dafür noch kein System. Auch für das Gesundheitspersonal sind unterstützende Systeme schnell als Positivum ersichtlich – beispielsweise, wenn Roboter in einer Krankenhausapotheke die individuelle medikamentöse Therapie für Patientinnen und Patienten fehlerlos zusammenstellen, abpacken und liefern oder unterstützend in der Pflege tätig werden. Diese Anwendungen haben sich teilweise bereits durchsetzt. Wenn, so Riedl, Vorteile von digitalisierten Technologien unmittelbar in der täglichen Arbeit ersichtlich werden, führt an ihnen kein Weg vorbei. „High-End-Roboter in der Chirurgie können als Handwerkszeug für eine wesentliche Verbesserung der Präzision der Eingriffe sorgen“, erläutert der Experte. Oft geäußerte rechtliche Einwände gegen Aspekte der Digitalisierung könnten – bei offensichtlichen Vorteilen der Technik gegenüber herkömmlichen Verfahren – schnell überwunden sein, so Riedl: „Man ist in der Medizin gesetzlich verpflichtet, in Diagnose und Therapie nach dem Stand der Technik zu handeln. Wo beispielsweise Künstliche Intelligenz für bessere Ergebnisse sorgt, wird sie einzusetzen sein – aber nicht ohne Kontrolle durch Fachexpertinnen und -experten.“

KI erhöht medizinische Genauigkeit

Ein Beispiel: An Millionen Fallbeispielen trainierte Analysesysteme weisen Radiologinnen und Radiologen in der bildgebenden Diagnostik (Röntgen, Computertomografie, Magnetresonanztomografie etc.) im Zweifelsfall auf verdächtige Signale bzw. Strukturen hin und können so die Genauigkeit erhöhen. Oder umgekehrt: Die individuelle Therapieentscheidung trifft natürlich die Ärztin, der Arzt, aber ein KI-Programm dahinter macht sie bzw. ihn auf mögliche Fehler aufmerksam. Wichtig – so der Experte – wäre ein Bekenntnis der Politik, die Digitalisierung unter entsprechenden technischen und rechtlichen Vorkehrungen auch im Gesundheitswesen vorantreiben zu wollen. Dazu gehört auch eine die Privatsphäre garantierende Verarbeitung personenbezogener Daten: „Das kann dadurch geschehen, dass die Daten in einem sicheren Datenraum zusammengeführt werden, wo nur ein vorher kontrollierter Algorithmus sie sieht, und nach der Verwendung dort wieder gelöscht werden“, schilderte der Experte eines vieler möglicher Systeme. „Je unmittelbarer der daraus resultierende Gewinn für den einzelnen Menschen ist, desto eher wird er zustimmen“, sagt Riedl. Im Spitalskontext, wo Patientinnen und Patienten direkt und unmittelbar Nutzen erwarten, sei die Bereitschaft zum Daten teilen schon heute hoch. Angesichts der Skepsis in Österreich, müssten Forschung und Medizin aber auf die europaweite Zusammenarbeit setzen, in der der Datenschutz garantiert ist.

„Die Alarmglocken müssen läuten“

„Österreich hat mehrfach Meilensteine gesetzt, aber jetzt werden wir von den Entwicklungen überrollt – wir kommen viel zu wenig ins Tun! Nur zwei Prozent unserer Mittel werden in Vorsorge investiert, nur 15 Prozent unserer Daten werden sinnvoll genutzt“, macht Landesrätin Martina Rüscher, MBA, MSc auf die Defizite der Entwicklung aufmerksam. Österreich sei weltweit eines der Länder mit der geringsten Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung: „Kinder können nicht mehr auf einem Bein stehen – die Alarmglocken müssen läuten!“ Eine gezielte Vorsorge und die Stärkung des Vertrauens in Medizin, Wissenschaft und Forschung durch gezielte Förderung auch im Bildungsbereich sei unumgänglich.

Finanzierung retten

In diese Bresche schlägt auch Dr. Alexander Biach, Direktor Stellvertreter der Wirtschaftskammer Wien. In den letzten zehn Jahren seien die Kosten für Spitäler von 11 Mrd. auf 16,4 Mrd. Euro angestiegen, Tendenz steigend. Das führe unweigerlich zum Kollaps des Gesundheitssystems. „Wir stehen vor dem ernsten Problem, wie finanzieren wir dieses Gesundheitssystem? Augen zu und durch oder nutzen wir die Gunst der Stunde und sagen: digital vor ambulant vor stationär?“ Wir können nur mit der optimalen Vernetzung der Gesundheitsdaten und der Einführung digitaler Gesundheitsanwendungen, bspw. Apps auf Verordnung durch die Ärztin oder den Arzt, sowie durch gleichzeitige Förderung der Eigenverantwortung bei den Patientinnen und Patienten unser Gesundheitswesen retten. „Derzeit sind digitale Gesundheitsanwendungen noch nicht sexy genug. Aber nur so können wir die hohe Qualität des österreichischen Gesundheitssystems erhalten“, ist Biach überzeugt.

Den Datenschatz Österreichs nutzen

Florian Tursky, MSc, MBA, Staatssekretär im Finanzministerium, betont in seiner Begrüßung die hohe digitale Kompetenz Österreichs, das mehrfach im internationalen Vergleich Geschichte schrieb: „Österreich war mehrfach internationale Benchmark – beispielsweise mit der Einführung der e-card 2005 und ELGA 2013.“ Nun ginge es dringlich darum, diesen Weg weiterzugehen und uns nicht immer mehr von anderen überholen zu lassen. „Wir müssen die Daten bestmöglich schützen, aber gleichzeitig die Chancen der Digitalisierung nicht verpassen. Der enorme Datenschatz Österreichs muss besser genutzt werden, um den administrativen Aufwand zu verringern und die Qualität der Versorgung zu verbessern. Die Medizinerinnen und Mediziner sollen wieder mehr Zeit für ihre Patientinnen und Patienten haben.“

Rechtsrahmen schaffen

MR Mag. Wolfgang Ebner, CSE vom Staatssekretariat für Digitalisierung und Telekommunikation betont die Notwendigkeit, von eHealth zu dHealth zu gelangen. Die Patientin bzw. der Patient müsse immer stärker in den Mittelpunkt rücken, es brauche eine optimale Vernetzung aller digitalen Anwendungen und der Daten, um die Akzeptanz und Nutzung durch die Anwender zu stärken. „Wir brauchen für die Nutzung digitaler Gesundheitsanwendungen, aber auch für KI in der Gesundheit einen starken Rechtsrahmen“, so Ebner. Auch die digitale Sozialversicherung und ein Lückenschluss aller Anwendungen in ELGA seien dringende Aufgaben: „In Österreich gibt es schon 275.000 digitale Führerscheine, fast jeder hat eBanking. Wir brauchen auch die digitale e-card, damit die Menschen jederzeit Zugriff auf ihre Gesundheitsinformationen haben.“ In der Bevölkerung sei der enorme Nutzen für alle durch eine anonymisierte Vernetzung aller Patientendaten wenig bekannt. Die medizinische Forschung und somit eine enorme Verbesserung von Heilungschancen und Therapien sei nur durch die richtige Nutzung der Sekundärdaten überhaupt möglich.

Wenn wir viel mehr Krebspatientinnen und -patienten in naher Zukunft durch die Nutzung unserer Patientendaten heilen könnten – wie viel Motivation brauchen wir noch?

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