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Fakten richtig kommunizieren

© Peter Provaznik

Fakten richtig kommunizieren

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Meldungen über COVID-19-Therapien und -Impfungen beherrschen derzeit die Medienlandschaft. Dr. Elisabeth Lackner, CEO der GBA Pharma Group, trat bei den 5. PRAEVENIRE Gesundheitstagen im Stift Seitenstetten für eine seriöse und faktenbasierte Informationspolitik der Bevölkerung ein. Sie zeigte in ihrer Keynote, welche Risiken und Herausforderungen es bis zur Zulassung einer Therapie oder eines Impfstoffes zu bewältigen gilt. | von Damir Bilali und Rainald Edel, MBA

Durch die Coronapandemie ist die Pharmabranche ins Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt und sorgt fast täglich für Schlagzeilen. „Zu COVID-19 gibt es derzeit weltweit 810 Projekte zu Therapien und Impfstoffen. 420 sind in klinischen Studien. Es gibt rund 300 Impfstoffprojekte, 40 davon am Menschen, neun davon sind in der letzten klinischen Phase vor einer möglichen Zulassung“, schilderte Dr. Elisabeth Lackner im Oktober 2020 bei den 5. PRAEVENIRE Gesundheitstagen im Stift Seitenstetten. Durch die Dynamik der Pandemie gibt es ein großes öffentliches Interesse an den Fortschritten in der Entwicklung von Therapien und Impfungen gegen SARS-CoV-19. Allerdings verwenden Politikerinnen und Politiker sowie die Medien viele Begriffe aus der Pharmaindustrie, ohne sie für die Bevölkerung näher zu erklären. Somit entstehen, laut der Expertin, Unsicherheiten in der Bevölkerung, wenn beispielsweise berichtet wird, dass die Entwicklung eines Impfstoffes wegen ungeklärter Vorkommnisse vorläufig eingestellt wurde — obwohl dies ein übliches Verfahren in der Entwicklung von Arznei­mittel oder Impfstoffen ist.

„Gerade in einer Pandemie ist es daher be­sonders wichtig, richtig zu kommunizieren, die Bevölkerung seriös vorzubereiten, aber auch verständlich zu erklären, wie die Impfstoff- und Arzneimittelentwicklung funktioniert und wo die Pharmabranche momentan steht“, appellierte Lackner.

Mehrstufiges Entwicklungsverfahren

Um zu verdeutlichen, wie aufwändig und risiko­reich die Entwicklung eines Arzneimittels oder eines Impfstoffes für ein Pharmaunternehmen ist, skizzierte Lackner in ihrer Keynote die wichtigsten Stationen im Entwicklungs­prozess.
Mit welchen Herausforderungen die pharmazeutische Forschung konfrontiert ist, verdeutlichte sie anhand von drei Zahlen: Nur eine von 10.000 Substanzen ist erfolgreich und erreicht die Marktreife. Vor rund 20 Jahren lag das Verhältnis vergleichsweise besser, da konnte man noch mit eins zu 5.000 rechnen. Im Schnitt dauert die Entwicklung eines neuen Wirkstoffs zehn bis 15 Jahre und verursacht Kosten von rund zwei Milliarden Euro. „Warum die klinischen Forschungsprojekte so lange dauern und so kostenintensiv sind, erklärt sich aus den hohen ethischen Standards, die zur Anwendung kommen, und den zahlreichen Prozessstufen, die es zu durchlaufen gilt“, schilderte Lackner.

Gerade in einer Pandemie ist es besonders wichtig, die Bevölkerung seriös vorzubereiten, verständlich zu erklären und richtig zu kommunizieren.

Grundsätzlich laufe der Prozess von der Entwicklung bis zur Zulassung für Arzneimittel und Impfstoffe gleich ab, schilderte Lackner. Der größte Unterschied läge im Bereich der Nebenwirkungen. Während man bei Arzneistoffen gewisse Nebenwirkungen in Kauf nehmen könne — da der Therapievorteil die Nebenwirkungen überwiege — dürfe es bei Impfungen keine Nebenwirkungen geben, da sie gesunden Menschen verabreicht werden, betonte Lackner.

In der präklinischen Phase wird zuerst ein Wirkstoff an Tieren, meist Nagetiere, wie Mäuse oder Ratten, getestet, um den Wirkmechanismus in einem lebendigen Organismus studieren zu können. „Im Gegensatz zur Kosmetikindustrie sind Tierversuche in der pharmazeutischen Forschung unverzichtbar“, schilderte Lackner. Hat sich ein Wirkstoff in dieser präklinischen Phase bewährt und erscheint ausreichend sicher, erfolgen die klinischen Studien an Menschen. In der Phase eins wird der Wirkmechanismus erstmals an gesunden Probanden getestet. Die Phase zwei dient der genauen Dosisfindung, zudem wird hier potenziellen Kontraindikationen nachgegangen. Sollte sich der Wirkstoffkandidat bis dahin bewährt haben, wird er in einer größer angelegte Studie der Phase drei breitflächig an bis zu 10.000 Personen randomisiert doppel­blind getestet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in dieser Phase sollten hinsichtlich Alter, Begleiterkrankungen etc. möglichst das gesamte Spektrum des künftigen Einsatzbereiches abdecken, um genügend Aussagekraft über Wirkung und Nebenwirkungen zu erzielen.

Die abschließende Prüfung der Studienergebnisse und die Zulassung findet in Europa üblicherweise durch die EMA statt, in den USA durch deren Pendant, die FDA. Nationale Zulassungen sind hingegen nicht mehr gebräuchlich. Das wichtigste Argument, um eine Zulassung zu bekommen ist, dass die neue Therapie wirksamer ist, als die bisherige Standardtherapie.

Nach erteilter Zulassung findet die sogenannte Phase vier statt, in der die Langzeitbeobachtung eines pharmazeutischen Produktes erfolgt. Auch in dieser Phase könne es noch zu  einem Vertriebsstopp kommen, da sich manche Nebenwirkungen erst in der breitflächigen Anwendung in der Bevölkerung zeigen.

Weltweite Versorgung eine Heraus­forderung

Ist ein Impfstoff fertig gestellt, steht der Hersteller vor einer weiteren Herausforderung, dem sogenannten „Scaling up“ — der massenhaften Herstellung. Während sich die mRNA-Impfstoffe relativ einfach in großer Menge herstellen lassen, benötigt man für klassische Impfstoffe auf riesige Mengen Hühnereier. Gerade für die weltweite Versorgung mit solchen Impfstoffen eine logistische und zeitliche Schwierigkeit. „Hier ist im Moment die Unterstützung der Unternehmen durch die Staaten gefragt, denn ohne diese wäre es wirtschaftlich nicht möglich die entsprechende Produktionskapazität so früh und rasch auf die Beine zu stellen“, erklärte Lackner. Das österreichisch-französische Unternehmen Valneva hat beispielsweise von Großbritannien 1,3 Mrd. Euro für den Produktionsaufbau erhalten. Ein weiterer Punkt den es zu beachten gilt, ist die Supply Chain. Gerade die mRNA-Impfstoffe brauchen eine Kühlkette bei minus 80 Grad.

Warum die Entwicklung von Therapiean­sätzen und vor allem Impfstoffen — im Vergleich zu anderen Impfungen, beispielsweise Influenza, Masern oder Polio — so schnell gegangen ist, begründet Lackner zum einen mit den Erfahrungen mit zu SARS-CoV-19 ähnlichen Krankheiten wie SARS und MERS und zum anderen mit dem breitflächigen Know-how-Transfer zwischen Forschungszentren und Pharma­unternehmen, der ein großer Beschleunigungsfaktor gewesen ist.

Kritisch sah Lackner die starke Fokussierung der Politik auf das Thema Impfung zur Bekämpfung der Pandemie. „Das Hauptziel muss immer sein, Symptome zu mildern. Daher sollten wir auch die anderen Angriffspunkte zur Bekämpfung der Pandemie nicht außer Acht lassen. Sowohl Antiviral-Therapien, als auch Immunmodulatoren und Antikörper können erkrankten Personen wirkungsvoll helfen und sind wichtige therapeutische Maßnahmen“, so Lackner. Speziell die Antikörper stellen aus ihrer Sicht eine praxistaugliche Alternative zu Impfstoffen dar. Auch ist nicht davon auszugehen, dass es mit einer Impfwelle getan sein wird. 

© Peter Provaznik

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