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Lufthygiene mit Aufholbedarf

Karl Skriner von der Berliner Universitätsklinik Charité hat mit seinem Team das auf UV-C-Basis funktionierende System zur Luftdesinfektion getestet.

Lufthygiene mit Aufholbedarf

Karl Skriner von der Berliner Universitätsklinik Charité hat mit seinem Team das auf UV-C-Basis funktionierende System zur Luftdesinfektion getestet.

An den Ursprüngen der modernen Infektiologie und Mikrobiologie war die Tuberkulose ein Schreckensgespenst. Ihre Zurückdrängung durch die modernen Behandlungsmöglichkeiten hat das Thema Lufthygiene jahrzehntelang 
ins Abseits geraten lassen. SARS-CoV-2 aber hat diese Situation geändert. Neue wirkungsvolle und praktikable Möglichkeiten zur Luftdesinfektion in Innenräumen werden entwickelt. UV-basierte Systeme könnten hier in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen. | von Wolfgang Wagner

Das SARS-CoV-2 und andere respiratorische Viren vermehren sich im Atemtrakt und werden via Tröpfchen und Aerosole mit der Atemluft ausgeschieden. Die Virenübertragung durch Letztere in geschlossenen Räumen stellt einen wesentlichen Infektionsweg dar. Das wird mit der kälteren Jahreszeit immer wichtiger, wenn sich die Menschen vermehrt in Innenräumen aufhalten”, sagte schon im August 2020 der Wiener Virologe Univ.-Prof. Dr. Norbert Nowotny von der Universität für Veterinärmedizin anlässlich einer Pressekonferenz zu diesem Thema. Die COVID-19-Pandemie war damals gerade ein paar Monate „alt“, die nächste „Welle“ an Infektionen im Herbst jenen Jahres stand noch bevor.

Im Endeffekt hat sich die Sache erst in den vergangenen Wochen auch im Jahr 2021 wiederholt — dieses Mal bedenklicherweise trotz des Vorhandenseins einer wirksamen Impfung. Fazit: Hygienemaßnahmen spielen weiterhin eine enorm wichtige Rolle in der Eindämmung von COVID-19. Dazu gehört — abseits von Händedesinfektion, Distanzhalten an öffentlichen Orten, Flächendesinfektion z. B. in medizinischen Einrichtungen — die Lufthygiene in Innenräumen.

Fälschlicherweise erhielt 1709 die „Malaria“ ihren Namen. Der italienische Arzt Francesco Torti, Leibarzt von Angehörigen der d’Este-
Dynastie, hatte die seit der Antike vorherrschende Ansicht, „schlechte Luft“ würde die heutige Tropenkrankheit durch „Ausdünstungen“ der Sümpfe hervorrufen, als Name für die Krankheit verwendet. Der Malaria als durch Moskitos übertragene Parasitenerkrankung ist per Lufthygiene jedenfalls nicht beizukommen. Aber es gibt andere Infektionen, die auf dem Luftweg übertragen werden können. Das betrifft sowohl bakterielle als auch virale Infektionen: Die bereits genannte Tuberkulose, die Masern, Influenza, RSV, Feuchtblattern und auch Pilzinfektionen kommen auf diesem Weg zustande.

Ob nun durch die Erreger selbst oder in Form von erregerkontaminierten Aerosolen die krankheitsverursachenden Bakterien, Viren oder Pilze „schwirren“ in Innenräumen herum. Nicht zuletzt deshalb wird in OP-Sälen und auf Infektionsabteilungen in Spitälern durch spezielle Klimatechnik vorgesorgt. Zum Beispiel durch eine laminare Strömung der Luft. Das ist eine Bewegung ohne Verwirbelungen und Querströmungen. Laminar Flow ist ein nach unten gerichteter, turbulenzarmer, gleichmäßiger Luftstrom ohne Rückströmung. Die Luft fließt dabei in parallelen Stromlinien. Dies verhindert, dass Partikel aufgewirbelt werden. In einem Raum, der von Laminar Flow durchströmt wird, werden vorhandene Partikel wie Staub, Haarschuppen oder Keime herausgeschwemmt. Es bleibt nur sterile, hochreine Luft.

Die Frage aber ist, wie man die Luft in Innenräumen überhaupt frei von potenziell krankheitserregenden Viren und Bakterien machen oder zumindest ihre Konzentration so herabsetzen kann, dass die Gefahr einer Infektion minimiert wird. In vollständig klimatisierten Gebäuden wird beispielsweise versucht, der Problematik mit in die Belüftungsanlagen eingebauten Filtern Herr zu werden. Wirklich zentral klimatisiert sind aber die wenigsten Gebäude, in denen sich Menschen aufhalten. Und: Im Endeffekt kommt es auf die sichere Reduktion, bzw. die Beseitigung von Krankheitserregern am Ort einer möglichen Übertragung, also in Einzelräumen, an. Dort muss der Effekt einer Maßnahme auch direkt messbar werden.

Mit der UV-C-Bestrahlung werden Keime zuverlässig reduziert und damit auch die Hygiene- und Lagerbedingungen verbessert.

UV-C mit hohem Wirkungsgrad

Deutsche Virologinnen, Virologen, Physikerinnen und Physiker haben für solche Anwendungen mit der Luftdesinfektionsanlage UV-Cero 300 (ReTecCom; www.uv-cero.de) ein System entwickelt und vorgestellt, das in Sachen Praktikabilität und Wirksamkeit sehr gute Daten vorweisen kann. Es basiert auf der Zerstörung potenziell krankheitserregender Partikel in der Luft durch ultraviolettes Licht. Die Geräte saugen die Luft in Innenräumen an. Der Luftdurchsatz beträgt je nach Einstellung zwischen 150 und 300 Kubikmeter pro Stunde und Gerät. Die Geräte selbst werden an der Raumdecke oder an einer Seitenwand in etwa zwei Meter Höhe installiert und benötigen außer einem Stromanschluss keine anderen Voraussetzungen. Die Installation erfolgt an den vorgesehenen Orten, da keimhaltige Aerosole eben vor allem im Raum herumschwirren.

Der Clou: Die angesaugte Luft wird in dem flachen UV-Cero 300-Gerät durch Kanäle so geleitet, dass UV-C-Licht aus installierten Lampen (Frequenz 254 Nanometer) rund zwei Sekunden auf sie einwirkt. Das denaturiert, das heißt zerstört, die Erbsubstanz von Krankheitserregern (DNA, RNA) zuverlässig. Entscheidend erscheint hier vor allem die Dauer der Bestrahlung.

Da es sich um keine Filteranlage handelt, sind die Geräte absolut wartungsfrei. Die UV-C-Lampen in Stabform haben eine Lebensdauer von rund 9.000 Stunden. Erst nach der vorgesehenen Betriebsdauer nimmt die Leistung langsam ab. Ein interessanter Nebeneffekt: Bei Betrieb der Anlage kommt es auch zur Neutralisation von unangenehmen Gerüchen, was beispielsweise in Büros eine Rolle in Sachen Lufthygiene spielen kann.

Objektive Prüfberichte

Der Geräuschpegel liegt bei 38 bis 54 dB, je nach Regelung. Und das ist wohl von der Raumgröße abhängig, in der die Luft mit einem Gerät „gereinigt“ werden soll: Bei 50 Prozent Leistung können pro Stunde bis zu 150 Kubikmeter Luft desinfiziert werden, bei hundert Prozent sind es Räume von bis zu 300 Kubikmetern. Für größere Anwendungen kommt die Installation von weiteren Anlagen in Frage. Die Konstruktion verhindert jede potenziell schädliche UV-Strahlung außerhalb der Geräte. Dazu gibt es einen Prüfbericht der deutschen Gesellschaft zur Förderung von Medizin-, Bio- und Umwelttechnologien e. V. vom 4. Jänner 2021 nach DIN EN ISO 15858 2017.

An der Berliner Universitätsklinik Charité hat sich Dr. Karl Skriner, Leiter der Arbeitsgruppe Immunoproteomics (Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie), mit UV-Cero 300 und dem Wirkungsgrad der Geräte beschäftigt. Der positive Bericht stammt vom 25. Juni 2021. Skriner und sein Team befassen sich seit längerem mit der Entwicklung von Membranen, auf denen Krankheitserreger mit verschiedenen Testsystemen nachgewiesen werden können.

„Wir haben Ihre Luftdesinfektionsanlage‚ UV-Cero‘ umfangreichen Tests unterzogen. In der Luft vorhandene Mikroorganismen — wie Viren (SARS-CoV-2, Influenza), Bakterien, Hefe- und Schimmelpilze, werden durch diese Anlage eliminiert“, fasste Skriner, Leiter der Arbeitsgruppe Immunoproteomics an der Klinik in Berlin, die Ergebnisse zusammen.

Was die Fachleute als Prinzip feststellen: „Die kurzwellige UV-C-Strahlung hat bei 254 Nanometern eine intensive bakterizide Wirkung, und wir haben dabei festgestellt, dass Ihr Gerät auch Krankenhauskeime eliminiert. Das UV-C- Licht wird von der DNA der Mikroorganismen absorbiert und zerstört dort ihre Struktur. Auf diese Weise werden die lebenden Bakterienzellen inaktiviert. Somit gefährden diese Keime nicht mehr die Gesundheit von Personal und Patientinnen sowie Patienten. Mit der UV-C-Bestrahlung werden somit Keime zuverlässig reduziert und in weiterer Folge auch die Hygiene- und Lagerbedingungen verbessert.“

Die Hygiene hat sich mit dem Thema Luft seit rund 70 Jahren nicht mehr beschäftigt. Doch das ändert sich mit SARS-CoV-2 wieder — und wird auch so bleiben.

 In den Tests wird bewiesen, dass die Reduktion der von potenziellen Krankheitserregern um rund 99,9 Prozent erfolgt. Das umfasste auch potenziell gefährliche Keime, wie Staphylococcus aureus (typischer Krankenhauskeim), Clostridium difficile, Escherichia coli, Enterococcus faecalis, Enterococcus faecium (Sepsiserreger), Acinobacter baumannii (Pneumonien) oder Pseudomonas aeruginosa (Krankenhauskeim). „Wir sind der festen Überzeugung, dass mit Inbetriebnahme Ihrer Anlage bei uns eine enorme Verbesserung der Hygienebedingungen in allen eingesetzten Bereichen erreichen wird“, stellten jedenfalls die Berliner Expertinnen und Experten fest.

Die Anwendung solcher Systeme könnte sehr vielfältig sein: Von OP-Sälen über Intensiv­stationen in Krankenhäusern, Räumlichkeiten in Spitälern, in denen sich potenziell SARS-CoV-2-Infizierte aufhalten können bis hin zu Laborräumen, Büros und Räumen im privaten Bereich.

„Wir brauchen praxisnahe Tests“

„Die Hygiene hat sich mit dem Thema Luft seit rund 70 Jahren nicht mehr beschäftigt. Vorher machte das die Tuberkulose notwendig. Doch mit SARS-CoV-2 ändert sich das wieder und wird auch so bleiben“, sagte Univ.-Prof. Dr. Ojan Assadian, Hygieniker und ärztlicher Direktor des LKH Wiener Neustadt, zur aktuellen Problematik.

Die COVID-19-Pandemie hat die Notwendigkeit von neuen Möglichkeiten zur Lufthygiene wieder akut werden lassen. Der Experte: „Es geht bei Technologien zur Verhinderung von Infektionen auf dem Luftweg in Innenräumen immer darum, die Konzentration potenziell infektiöser Partikel zu reduzieren. Bei einer Reduktion um drei Log-Stufen, also um 99,999 Prozent, wird das Risiko um 90 Prozent reduziert.“ Je größer die Verringerung der Partikelkonzentration, desto besser.

Die bisher verwendeten Testverfahren zur Überprüfung von Luftdesinfektionsmethoden sind vor allem auf Labormessungen aufgebaut. Assadian: „Wir brauchen aber möglichst praxisnahe Untersuchungen. Im Laufe der COVID-19-Pandemie treten an uns und viele andere Stellen die Entwickler und Erzeuger vieler solcher Systeme heran.“ Man benötige dringend objektive und verlässliche Prüfungen derartiger Geräte.

Eine Möglichkeit will das LKH Wiener Neustadt in Zukunft selbst anbieten. Der Krankenhaushygieniker: „Wir sind dabei, am Krankenhaus Wiener Neustadt eine Prüfstraße aufzubauen. Hier wollen wir Maßnahmen zur Luftdesinfektion testen und prüfen. Und zwar unter Praxisbedingungen, wie sie in Räumlichkeiten mit Patientinnen und Patienten, z. B. in Ambulanzen, täglich gegeben sind. Da kann man nach festgelegten Parametern z. B. zwei Wochen lang den Status der Lufthygiene mit oder ohne Intervention testen.“ Dies müsse natürlich gemäß aller für solche Aktivitäten geltenden Normen erfolgen. Eines der Ziele: Die Verantwortlichen sollen fundierte Befunde über die Effizienz von Luftdesinfektionsverfahren erhalten, auf die sie sich bei ihren Entscheidungen verlassen können.

Einsatz in keimbelasteter Umgebung

Karl Skriner hat mit seinem Team das auf UV-C-Basis funktionierende System zur Luftdesinfektion getestet. Für ihn gibt es zahlreiche mögliche Einsatzgebiete: „Das können z. B. Räumlichkeiten sein, die besonders keimarm sein müssen. Ich denke da eventuell an Räume, in denen man für die sogenannten ‚Schmetterlingskinder‘ die Verbände wechselt und in welchen jegliche Infektionsgefahr verhindert werden sollte.“ Auch Räume, in denen beispielsweise Patientinnen und Patienten mit der chronischen Lungenerkrankung Mukoviszidose medizinisch versorgt werden, wären ein potenzielles Einsatzgebiet — eben immer dort, wo es auf eine möglichst geringe Keimbelastung ankommt.

Die Wissenschafterinnen und Wissenschaftler verwenden zur Messung der Kontamination Membranen, welche die Belastung durch Viren oder Bakterien anzeigen. Damit lässt sich faktisch ein Real-Time-Monitoring durchführen. Denkbar ist sogar der Einsatz von fluoreszierenden Farben. Bei Kontrolle der Membranen zeigt ein Aufleuchten den Kontaminationsgrad der Umgebungsluft mit Partikeln an.

Skriner sieht Einsatzmöglichkeiten für das Luftdesinfektionssystem auch im Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in gefährdeten Räumen. „Wenn wir nicht zeigen können, dass die Atemluft keimfrei ist, kommen die Leute nicht.“ Desinfektion und möglichst aktueller Nachweis einer weitgehend gegen Null reduzierten Belastung durch potenziell krank machende Viren, Bakterien, Hefen, Pilze, etc. könnten einander auf diese Weise ergänzen.

© Daniel Hoyer, RETECCOM

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