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Sanatorium Hera: In die Tiefe, nicht in die Breite gehen

Robert Winker
© LUDWIG SCHEDL

Sanatorium Hera: In die Tiefe, nicht in die Breite gehen

Robert Winker
© LUDWIG SCHEDL

Das Sanatorium Hera gilt nicht umsonst als kleines Juwel unter den Wiener Spitälern – klein, aber fein. Das gepflegte Haus bietet Schwerpunktmedizin auf hohem Niveau mit kurzen Wartezeiten, eine Seltenheit in der Wiener Krankenhauslandschaft. PERISKOP sprach mit dem ärztlichen Direktor Prim. Priv.-Doz. Dr. Robert Winker.

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Mag. Dora Skamperls

PERISKOP-Redakteurin

Robert Winker ist seit 2012 ärztlicher Leiter des Gesundheits- und Vorsorgezentrums und seit 2020 ärztlicher Leiter des Sanatoriums Hera im 9. Wiener Gemeindebezirk. Die Nähe seines Hauses zum AKH bietet große Vorteile und Synergieeffekte. Der gefragte Internist und Facharzt der Arbeitsmedizin mit Privatpraxis in Wien ist nicht nur als Krankenhausmanager, gerichtlich beeideter Gutachter und als Arzt tätig, sondern auch wissenschaftlich – mit hochkarätigen Publikationen im Bereich der Orthostatischen Intoleranz, der Neurokardiogenen Synkope, dem biologischen Monitoring, Belastungs- sowie Beanspruchungsphänomenen, der neurotoxischen Substanzen und kognitiven Fähigkeiten. Außerdem ist er Mitglied bei mehreren wissenschaftlichen Organisationen, unter anderem bei der International Commission of Occupational Health, bei Medichem und seit 2011 als Mitglied des Vorstandes der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin.

PERISKOP: Das Sanatorium Hera ist vor allem als Krankenhaus der Bediensteten der Gemeinde Wien und als Geburtsklinik in der Öffentlichkeit bekannt. Allerdings hat sich das Haus in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt. Wie ist das Sanatorium Hera heute aufgestellt, welche Leistungen werden angeboten?

WINKER: Das Leistungsangebot eines Krankenhauses hat sich zur Sicherstellung einer hohen Qualität einerseits an der Nachfrage zur Erreichung der notwendigen Fallzahlen und andererseits an der vorhandenen Infrastruktur zu orientieren. Wir bieten im Interesse unserer Anspruchsberechtigten verstärkt Leistungen an, wo die anderen Spitäler lange Wartezeiten aufweisen. Das ist insbesondere bei operativen Leistungen der Fächer Orthopädie und Traumatologie, Urologie, Chirurgie, Gynäkologie und Augenheilkunde der Fall. In einer vor Kurzem stattgefundenen Pressestunde wurden sogar Wartezeiten auf Operationen in den Landeskrankenhäusern im persönlichen Gespräch genannt – u. a. beim Grauen Star bis zu 67 Wochen, Hüftprothesen 60 Wochen, Bandscheiben 22 Wochen. Das Sanatorium Hera kann mit sehr kurzen Wartezeiten punkten. Ein Sonderfall ist bei uns sicherlich die Innere Medizin, wo die ambulante Patientenversorgung aktiv zulasten der stationären Betreuung forciert wird. Dies betrifft besonders die Kardiologie und Diabetologie, wo eine große Nachfrage seitens der KFA-Anspruchsberechtigten besteht. Fächer wie Neurologie, Dermatologie und HNO werden ambulant angeboten.

Sehr wichtig sind auch die Themen Pathologie und Bildgebung, diese Leistungen sind in anderen Häusern oft mit sehr langen Wartezeiten verbunden. Hier zeichnen wir uns ebenfalls durch eine rasche Leistungserbringung aus. Die diagnostische Abklärung erfolgt bei uns sehr schnell, auch durch Kooperationen mit anderen Instituten. Da wir keine Inhouse-Pathologie haben, erfolgt wie auch bei anderen Häusern die Auslagerung zu privaten Anbietern. Gerade in unserem Brustgesundheitszentrum, auf das ich später noch zu sprechen komme, setzen wir uns im Sinne unserer Patientinnen dafür ein, die Befunde rasch zur Hand zu haben.

Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angenehm ist der Umstand, dass es bei uns als Elektivspital im Gegensatz zu einem Akutspital nur in wenigen Bereichen Nachtdienste gibt und dadurch die Belastungen besser planbar sind.

Gerade bei der Dichte an Krankenhäusern in Wien ist es wichtig, ein entsprechendes Profil zu entwickeln. Wo liegen die Besonderheiten und Stärken des Sanatoriums Hera?

Als Krankenhaus der Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien (KFA) haben wir im Unterschied zu anderen Krankenhäusern einen klaren Versorgungsauftrag: unsere KFA-Mitglieder. Naturgemäß können wir nicht jede medizinische Spezialleistung anbieten, aber wir versuchen, unseren Mitgliedern die benötigten Leistungen möglichst zeitnah zur Verfügung zu stellen. Wir bemerken, dass es derzeit in anderen Einrichtungen schwierig ist, Leistungen wie Katarakt- oder Hüft- und Knieoperationen zeitgerecht zu bekommen. Gerade hier können die Vorteile von kürzeren Wartezeiten ausgespielt werden.

Uns unterscheidet sicherlich auch gegenüber den anderen öffentlichen Krankenhäusern in Wien, dass wir kein Ausbildungsspital sind und daher die Behandlung unserer Patientinnen und Patienten nur durch Ärztinnen und Ärzte mit abgeschlossener Ausbildung erfolgt. Gegenüber den anderen Privatkrankenanstalten unterscheiden wir uns dadurch, dass die Patientenbetreuung vorrangig durch unsere eigene ärztliche Mannschaft und nicht durch nur stundenweise anwesende Belegärztinnen und -ärzte erfolgt. Auch haben wir zusätzlich zu den Hausärztinnen und -ärzten auch Anästhesistinnen und Anästhesisten 24/7 im Dienst.

Das Sanatorium Hera gehört zwar zur Gruppe der Privatspitäler, ist aber zugleich das Krankenhaus der KFA-Versicherten. Welchen Versorgungsauftrag müssen Sie erfüllen und wie ist der Zugang für andere Patientinnen und Patienten geregelt?

Im stationären Bereich stehen für uns die KFA-Anspruchsberechtigten, das sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Pensionistinnen und Pensionisten der Stadt Wien mit ihren Angehörigen, eindeutig im Vordergrund; diesen stehen alle stationären Leistungen ohne Aufzahlung zur Verfügung. Alle anderen stationären Patientinnen und Patienten sind als Selbstzahler oder Privatzusatzversicherte willkommen. Der Ambulanzbereich steht auch Patientinnen und Patienten anderer Kassen offen und wird gerne genutzt.

Als Einrichtung der KFA sind wir in der Sondersituation, unsere Schutzbefohlenen ganzheitlich betrachten zu können. Daher möchten wir dem Vorsorgegedanken noch intensiver Rechnung tragen: Eine Krankheit, die erst gar nicht entsteht, braucht auch nicht behandelt zu werden.

Sie sind seit 2012 bei der Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien beschäftigt. Was zeichnet diese Institution als Arbeitgeber, aber auch als Gesundheitsdienstleister besonders aus?

KFA bietet aufgrund der überschaubaren Größe eine Reihe von Vorteilen: Kurze Kommunikationswege, einen menschlichen Umgang und größere Flexibilität. Mit 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist das Team im Vergleich zu anderen Häusern sehr überschaubar. Auch bei uns stehen Kostenbewusstsein und Effizienz im Vordergrund. Wir haben aber eine so solide Finanzierungsbasis, dass keine medizinischen Kompromisse aus Gründen fehlender Budgetmittel eingegangen werden müssen.

Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angenehm ist der Umstand, dass es bei uns als Elektivspital im Gegensatz zu einem Akutspital nur in wenigen Bereichen Nachtdienste gibt und dadurch die Belastungen besser planbar sind. Dadurch sind wir für Ärztinnen und Ärzte wie auch anderes medizinisches Personal ein attraktiver Arbeitsplatz. Allerdings gibt es wie in anderen Häusern auch spezifische Engpässe – zum Beispiel in der OP-Pflege. Es war natürlich ein großes Ziel, hier Kapazitäten aufzubauen, was mittlerweile gelungen ist.

Sie wurden 2020, mitten in der Pandemie, zum ärztlichen Leiter des Sanatoriums Hera bestellt. Welche Ziele und Schwerpunkte haben Sie sich gesteckt und welche Meilensteine konnten Sie in den vergangenen rund drei Jahren schon setzen?

Es wird Sie nicht verwundern, dass 2020 das tägliche Überleben und das Aufrechterhalten des Betriebes im Vordergrund gestanden sind und ständig Überraschungen dazu kamen. Im Hintergrund steht aber unser Bestreben, die Leistungen der Hera nach den Bedürfnissen der Anspruchsberechtigten auszurichten und unsere Strukturen laufend zu verbessern. Das ist ein Marathon und kein Hundertmeterlauf, aber wohl die permanente Aufgabe jeder Führungskraft. Dazu sind auch die Empfehlungen des Bundesrechnungshofs zu würdigen und umzusetzen.

Strategisch wurde die Spezialisierung der einzelnen stationären Fächer forciert, wie sich in der Implementierung von neuen Methoden (z. B. Einführung der Aquabeammethodik in der Urologie) sowie beim Erreichen des Status eines eigenständigen Brustgesundheitszentrums mit 100 erstbehandelten Mammakarzinomen zeigt.

Wir hatten auch den Mut, Bereiche, die weniger erfolgreich waren, an die Bedürfnisse anzupassen. Z. B. wurden die Neurologie im Zuge des natürlichen Personalabgangs zurückgefahren, das Zahnambulatorium Floridsdorf geschlossen und das Zahnambulatorium Simmering mit Schwerpunkt Paradontose-Vorsorge neu positioniert.

Sie sind sowohl Facharzt für Arbeitsmedizin als auch für Innere Medizin. Inwieweit kommt diese Kombination den Angestellten der Gemeinde Wien, also außerhalb des Sanatoriums Hera, zugute?

Dies ist nicht nur meine persönliche Kompetenz – wenn Sie so wollen –, sondern diese Präventionskompetenz ist generell breit in der KFA vorhanden. Die KFA denkt nicht nur kurativ, sondern im Sinne einer gesamthaften Betrachtung wird die Prävention mitgedacht. Und dazu zählen nicht nur der private Lebensstil, sondern auch die Arbeitssituation, womit wir bei der Arbeitsmedizin sind.

Wir haben für die Gemeindebediensteten ein breites evidenzbasiertes Vorsorgeangebot im Gesundheits- und Vorsorgezentrum (GVZ) etabliert. Da geht es einerseits um evidenzbasierte Prävention von Herzkreislauferkrankungen bzw. Krebsfrüherkennungsprogramme.Andererseits beschäftigen wir uns an der Abteilung sehr mit der Früherkennung und besseren Therapie von „Burnout-Erkrankungen“. Außerdem führen wir in unseren Betriebsordinationen Impfprogramme durch, ebenso im Arbeitsmedizinischen Zentrum (AMZ) der KFA. Auch das dient der Prävention.

Aus dem GVZ heraus wurde auch das erwähnte AMZ der KFA aufgebaut, das in enger Abstimmung mit dem GVZ versucht, negative Auswirkungen der Arbeitssituation und Arbeitsbelastung zu identifizieren und damit das Entstehen von berufsbedingten Erkrankungen von vorneherein zu verhindern. Letztlich geht es darum, dass die Stadt Wien damit die Einsatzbereitschaft und Motivation ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichert.

Neben Ihrer Tätigkeit als Klinikleiter sind Sie auch nach wie vor in der Wissenschaft tätig. Wo liegen hier Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte?

Ein Themenschwerpunkt liegt sicherlich in der Früherkennung und Behandlung von „Burnout-Erkrankungen“; seit 2015 werden Patientinnen und Patienten in einer Spezialambulanz im Gesundheits- und Vorsorgezentrum betreut. In dieser „Stressambulanz“ schauen wir uns z. B. aktuell an, ob wir Patientinnen und Patienten mit leichter bzw. mittelgradiger Depression mit digitalen Angeboten effizienter als in der herkömmlichen Therapie behandeln können. In weiterer Folge geht es um Versorgungseffekte in der Behandlung von Depressionserkrankungen durch die Anwendung von digitalen psychoedukativen Methoden im Vergleich zur herkömmlichen Depressions- bzw. Psychotherapie. Es ist eines unserer wesentlichen Anliegen, nicht allein Sekundärprävention im Sinne von Kontrolle des Blutdrucks, Blutzuckers etc. durchzuführen, sondern aktiv auf Lebensqualität mit Primärprävention zu setzen. Man weiß, dass Depressionserkrankungen den größten Teil an beeinträchtigter Lebensqualität ausmachen. Diese gelten mittlerweile als einer der Hauptgründe für viele Krankenstände und Frühpensionierungen.

Wenn Sie in Richtung Zukunft schauen, wohin möchten Sie das Sanatorium Hera entwickeln, wodurch könnte man das bisherige Leistungsangebot noch ergänzen?

Als Einrichtung der KFA sind wir in der Sondersituation, unsere Schutzbefohlenen ganzheitlich betrachten zu können. Daher möchten wir dem Vorsorgegedanken noch intensiver Rechnung tragen: Eine Krankheit, die erst gar nicht entsteht, braucht auch nicht behandelt zu werden. Eine Krankheit, die frühzeitig erkannt wird, ist mit einem Bruchteil an Aufwand zu heilen oder zumindest zu stabilisieren. In Österreich gehen nur ca. zwei Prozent der Gesundheitsausgaben in die Präventionsmedizin – laut Studien u. a. der London School of Economics sollten es sechs bis acht Prozent sein.

Wir beobachten natürlich die medizinischen Entwicklungen sehr genau, um laufend neue Erkenntnisse und Methoden in unsere Arbeit
einfließen zu lassen. Bestimmte Leistungen wie zum Beispiel Herztransplantationen werden wir in „unserem“ Haus nie anbieten. In der Medizin braucht es ausreichende Fallzahlen, um qualitativ gut zu sein. Da wollen wir uns auf unsere Anspruchsberechtigten konzentrieren und dort, wo der Bedarf hoch ist, die Leistungen verstärkt und auf höchstem Niveau anbieten. Außerdem wollen wir Gatekeeper für unsere Patientinnen und Patienten sein und ihnen den Weg zu den erfolgversprechendsten Behandlungspfaden weisen.

Zusammengefasst: Wir wollen keinen medizinischen Bauchladen mit durchschnittlichem Niveau, sondern eine vernünftige und machbare Medizin auf qualitativ hohem Niveau. Die Grenzen sind weitgehend durch den Bedarf unserer Anspruchsberechtigten und die Möglichkeiten einer Einrichtung unserer Größe und Struktur bestimmt. Letztlich wollen wir die Leistungen, die wir anbieten und in denen wir gut sind, noch vertiefen und alles Übrige anderen überlassen.

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