Im Rahmen des Blocks 5 „Digitalisierung und moderne Infrastruktur“ bei den 4. PRAEVENIRE Gesundheitstagen im Stift Seitenstetten hielt Mag. Ursula Weismann, SVC-Geschäftsführerin, eine Keynote über die Vorteile des e-card-Systems in der österreichischen Sozialversicherung.Im Rahmen des Blocks 5 „Digitalisierung und moderne Infrastruktur“ bei den 4. PRAEVENIRE Gesundheitstagen im Stift Seitenstetten hielt Mag. Ursula Weismann, SVC-Geschäftsführerin, eine Keynote über die Vorteile des e-card-Systems in der österreichischen Sozialversicherung. | Von Dr. Nedad Memić
Mit der 56. ASVG-Novelle wurde 1999 dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger die Aufgabe übertragen, eine SV-Chipkarte (e-card) als Grundlage für ein elektronisches Verwaltungssystem (ELSY) in der österreichischen Sozialversicherung zu schaffen. ELSY hat die Verwaltungsabläufe zwischen Versicherten, Dienstgebern, Vertragspartnern und diesen gleichgestellten Personen sowie Sozialversicherungsträgern zu unterstützen und ist so zu gestalten, dass die von den Sozialversicherungsträgern zu vollziehenden Gesetze weitgehend ohne papierschriftliche Unterlagen vollzogen werden können
(56. ASVG-Novelle § 31a (1)).
Die Chipkarte hat alle Arten des Krankenscheines (Krankenkassenschecks, Behandlungsscheine, Patientenscheine, Arzthilfescheine) ersetzt und ist heute die meistverwendete Kundenkarte in Österreich.
Schlüsselkarte des Patienten
„SVC kümmert sich seit 17 Jahren um das e-card-System. Wir betreiben mittlerweile den gesamten Internetauftritt für die Sozialversicherung und sind ein wesentlicher Umsetzungspartner für die ELGA mit der e-Medikation, dem Bürgerportal und dem Kontaktbestätigungsservice“, sagte Mag. Ursula Weismann, kaufmännische Geschäftsführerin der Sozialversicherungs-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsgesellschaft m.b.H. — SVC, die für den Betrieb des e-card-Systems in Österreich zuständig ist, zu Beginn ihrer Keynote.
Die e-card ist die Schlüsselkarte („key-card“) der Patientinnen und Patienten. Mit diesem „Schlüssel“ erhält die berechtigte Ärztin bzw. der berechtigte Arzt Zugriff auf die Anspruchsdaten. Sie ist der Nachweis gegenüber dem Krankenversicherungsträger, dass der Versicherte (bzw. Anspruchsberechtigte) in der Ordination anwesend war, um eine Behandlung in Anspruch zu nehmen. Auf der e-card befindet sich die Sozialversicherungs-Signatur, mit der zu allen Konsultationen ein Schlüssel erzeugt wird. Dieser stellt die elektronische Unterschrift des Patienten dar. Durch die Aufbringung qualifizierter Zertifikate kann die e-card auf freiwilliger Basis zur Bürgerkarte aufgewertet werden.
Die e-card ist mittlerweile zur gelebten Praxis in der täglichen Nutzung der Sozialversicherungsleistungen geworden. „Ich erlebe es tagtäglich und kenne viele Sorgen der Ärztinnen und Ärzte, aber auch der Patientinnen und Patienten. Wir alle haben aber eine e-card und nutzen Leistungen der Sozialversicherung. Im Jahr verzeichnen wir rund 130 Mio. e-card-Kontakte. Das sind im Schnitt 500.000 bis 550.000 Kontakte am Tag, die meisten von ihnen werden zwischen 8 und 12 Uhr getätigt“, erklärte Weismann die e-card-Praxis in Österreich. Dabei sind die Prozesse und die Funktionen des e-card-Systems vielfältig: „Innerhalb des e-card-Systems gibt es auch Prozesse, die Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und Apothekerinnen und Apotheker für das Sozialversicherungssystem abwickeln. Das sind z. B. das Krankschreiben, das Gesundschreiben, die Chefarztbewilligung für Medikamente, die Übermittlung von Vorsorgeuntersuchungen oder die Brustkrebs-Früherkennung“, so Weismann.
Das eigentliche Asset der e-card ist die Tatsache, dass sie eine Kundenkarte ist. 8,8 Mio. Personen besitzen eine e-card.
Ursula Weismann
Die Bürgerkarte vereint die Funktionen „sicherer persönlicher elektronischer Ausweis“ und „sichere persönliche elektronische Unterschrift“, sie kann auch im Privat- oder Wirtschaftsbereich verwendet werden. „Das eigentliche Asset der e-card ist die Tatsache, dass sie eine Kundenkarte ist. 8,8 Mio. Personen besitzen eine e-card. Jede einzelne e-card ist eindeutig identifiziert, d. h. die SV-Nummer, die auf der e-card aufgedruckt ist, ist der jeweiligen Person eindeutig zuordenbar. Ein wesentliches Asset ist also, dass wir Identity Provider sind, d. h. wir können ganz genau eine Person und einen Arzt bzw. Ärztin zuordnen. Das ist eigentlich die Grundlage für eine moderne Gesundheitsinfrastruktur“, stellte Weismann fest.
Damit bildet das e-card-System eine wesentliche Grundlage zur Einführung weiterer digitaler Services im Sozialversicherungssystem. „Das e-card-System war auch die Basis zur Einführung des ELGA-Systems in Österreich. ELGA funktioniert nur deswegen, weil wir vorher ein e-card-System hatten. Sie steuern durch Ihre e-card, ob die Ärztin oder der Arzt für Sie die Dokumente einspeichern kann bzw. diese abrufen kann. Die Identity-Provider-Funktion des e-card-Systems ist die Grundlage für ein modernes Gesundheitssystem“, so die SVC-Geschäftsführerin.
„Wir haben vor vier Jahren begonnen, ELGA in Österreich einzuführen. Mittlerweile gibt es 30 Mio. Befunde, die für uns in ELGA gespeichert sind. Das sind Labor-, Entlassungsbefunde, pflegerische Befunde usw. Wir haben 2018 begonnen, e-Medikation einzuführen. Mittlerweile wurden über 30 Mio. Verordnungen und Abgaben von Medikamenten in ELGA gespeichert. Wir haben also 60 Mio. Daten, die auf Versicherte zutreffen können. Nur rund 7.000 Personen greifen monatlich auf ihre ELGA-Daten zu — das ist erschreckend wenig“, bemängelte Weismann und sprach in diesem Zusammenhang vom Portal der Sozialversicherung „meine SV“, das mehr als 100 Services anbietet. Das Portal werde von rund 270.000 Personen im Monat genutzt. „Vielleicht liegt die Ursache für die niedrigen Nutzungswerte auch darin, dass wir eine Handysignatur brauchen, um diese Services nutzen zu können. Wir haben rund eine Million Nutzer der Handysignatur, aber vermutlich sind diese Personen nicht die richtige Zielgruppe, wenn es um die Nutzung von Gesundheitsdaten geht“, sagte Weismann und appellierte unterdessen, die Handysignatur mehr zu promoten, „denn das ist für uns Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, dass wir die vielen Services, die angeboten werden, sowohl auf der Verwaltungsseite als auch auf der Gesundheitsseite tatsächlich nutzen können.“
Weismann sprach auch von der Transparenz des e-card-Systems bzw. der ELGA: „Ich kann Ihnen empfehlen, in das ELGA-Portal einzusteigen. Dort sehen Sie nicht nur Ihre Befunde, sondern auch Ihre Policies, d. h. die Informationen darüber, wem Sie erlauben, auf Ihre Daten zuzugreifen. Sie sehen auch, wer auf Ihre Gesundheitsdaten zugegriffen hat, also die einzelnen Ärztinnen und Ärzte oder die einzelne Krankenanstalt, die Ihre Daten angesehen hat.“
Nur rund 7.000 Personen greifen monatlich auf ihre ELGA-Daten zu — das ist erschreckend wenig.
Ursula Weismann
In der Öffentlichkeit diskutiert man immer noch, ob ein Foto bei der Neuauflage der e-card aus Datenschutzgründen überhaupt notwendig ist. Weismann wies dabei auf das hohe Level des Datenschutzes im e-card-System hin: „Die Sozialversicherung bekommt die Fotos aus bestehenden Registern verschlüsselt. Die Fotos werden bei der Sozialversicherung nicht gespeichert, wir nehmen sie entgegen und geben sie dem Kartenproduzenten weiter. Ich selbst bin Gegnerin davon, dass die SVC die Fotos der Versicherten speichert, weil diese Fotos zusätzlich zu den Gesundheitsdaten nicht benötigt werden. Alle Fotos, die zusätzlich eingeholt werden müssen, werden im IDR — Identitätsdokumentenregister — gespeichert, das bekanntlich unter der Aufsicht des Bundesministeriums für Inneres steht“, so Weismann abschließend.
BioBox
Mag. Ursula Weismann ist ausgebildete Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin. Seit 2002 ist sie Geschäftsführerin der Sozialversicherungs-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsgesellschaft m.b.H. — SVC, einer 100-prozentigen Tochter des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger.
PRAEVENIRE Initiative Gesundheit 2030
Block 5 | Digitalisierung & Moderne Infrastruktur
Programm im Rahmen der PRAEVENIRE Gesundheitstage 2019
KEYNOTES
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Digital Health: Workshopergebnisse
Prof. Dr. Reinhard Riedl | Leiter des Instituts
Digital Enabling, Berner Fachhochschule -
Die e-card als Schlüssel zu moderner Infrastruktur
Mag. Ursula Weismann | Geschäftsführung SVC -
Telemedizin — Praktische Erfahrungen aus der Schweiz
Dr. Andrea Vincenzo Braga, MBA I bragamed GmbH -
Digital Health — Was bringt die Zukunft? (I)
Bastian Cantieni, MA | W.I.R.E. -
Digital Health — Was bringt die Zukunft? (II)
Dr. Patrick Dümmler | Avenir Suisse
PODIUMSDISKUSSION
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Dr. Gerald Bachinger | NÖ Patienten- und Pflege-
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anwalt, Sprecher der Patientenanwälte Österreichs
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Dr. Andrea Vincenzo Braga, MBA I bragamed GmbH
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Dr. Florian Burger | Arbeiterkammer Wien
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Bastian Cantieni, MA | W.I.R.E.
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Dr. Patrick Dümmler | Avenir Suisse
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Prof. Dr. Reinhard Riedl | Leiter des Instituts
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Digital Enabling, Berner Fachhochschule
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Mag. Ursula Weismann | Geschäftsführung SVC
Stimmen aus der Podiumsdiskussion
„Relevante Informationsübertragung ist ganz wesentlich. Für mich liegt der große Wert von ELGA nicht in der Gegenwart, sondern vor allem in der Zukunft. Mit ELGA als praktisches Werkzeug haben wir eine sichere Infrastruktur, auf der wir — wie auf sicheren Schienen — verschiedene Züge fahren lassen können. Wir fahren derzeit nur mit Zügen, die etwas mit Informations- und Kommunikationstechnologie zu tun haben. Das könnte man wesentlich ausbauen. Derzeit haben wir Fälle von Personen, die die Opt-out-Funktion in ELGA genutzt haben, weil sie denken, das wäre ein unsicheres System. Andererseits teilt man über Gesundheitsapps oder Facebook viele Gesundheitsinformationen. Es handelt sich hier um eine fehlende Digital Health Literacy, denn gerade bei unseren IT-Lösungen waren Datenschutz und Datensicherheit von Anfang an ganz zentrale Elemente. Aus meiner Erfahrung sind e-card und ELGA sichere Systeme und das ist europaweit eine gute Ausgangslage für weitere Entwicklungen in diesem Bereich.“ Dr. Gerald Bachinger, NÖ Patienten- und Pflegeanwalt, Sprecher der Patientenanwälte Österreichs
„Wir haben einen sehr gut funktionierenden Datenschutz. Nun wurde auf europäische Ebene definiert, was Gesundheitsdaten sind. Es ist klar geregelt, dass wir ein Recht auf Vergessen haben und dass wir bei Gesundheitsdaten ein besonderes Schutzinteresse erwarten können. Institutionen, die die Gesundheitsdaten speichern, müssen Auskunft darüber geben, wie sie diese Daten verarbeiten. Was auf jeden Fall nicht passieren darf, ist, dass Menschen Nachteile erfahren, weil Gesundheitsdaten über sie vorliegen. Zum Thema e-card mit Foto: Die europäische Datenschutzgrundverordnung verpflichtet zu einer Datenminimierung — d. h. es sollen Daten nur verwendet werden, wenn sie unbedingt gebraucht werden. Die Sozialversicherung braucht kein Foto im Falle von Gesundheitsdaten.“ Dr. Florian Burger, Referent der Abteilung Sozialversicherung der Arbeiterkammer Wien
„Nach dem geltenden Gesetz sind die Gesundheitsdaten ausschließlich im Besitz der Patientin bzw. des Patienten. Der Zugang zu den Daten erfolgt mittels e-card. Ich glaube, das größte Sicherheitsleck für Daten könnte in der Dezentralität der Datenverwaltung liegen.“ Dr. Hans Jörg Schelling, PRAEVENIRE Präsident