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Gesundheit muss eine coole Marke werden!

Gruppenfoto
© KRISZTIAN JUHASZ

Gesundheit muss eine coole Marke werden!

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Mit der Keynote „Kinder und Jugendliche mit ihrer Vulnerabilität früh zu Prävention und Gesundheitswissen führen“ gab Eckhard Nagel wichtige Impulse bei den 8. PRAEVENIRE Gesundheitstagen im Stift Seitenstetten 2023 für das PRAEVENIRE Gipfelgespräch zum Fokusthema „Frühdiagnose und Therapie“.

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Mag. Beate Krapfenbauer

PERISKOP-Redakteurin

Gleich vorweg das Fazit: Bei der Gesundheitsplanung für Kinder und Jugendliche sind sowohl die Familie als auch die Gesellschaft gleichermaßen gefordert. Die Maßnahmen zu Gesundheitskompetenzsteigerung, Health Literacy und Prävention seien so zu gestalten, dass die (gesundheitliche) Verantwortlichkeit im Familienverbund selbst wahrgenommen wird und die Institutionen und Professionisten ihre Unterstützung in Kindergärten, Schulen unbürokratisch und einfach beitragen können. Im Mai brachten die teilnehmenden Expertinnen und Experten beim 188. PRAEVENIRE Gipfelgespräch die Expertisen aus ihrer jeweiligen fachlichen Perspektive ein: der Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendrehabilitation, des Spitalswesens, der Ergotherapie stellvertretend für die Medizinisch-Technischen Dienste (MTD), Arbeitsmedizin und aus Sicht der Gesundheitspolitik. Univ.-Prof. Dr. mult. Eckhard Nagel, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth, gab mit seiner Keynote die ersten Impulse und Schwerpunktthematik vor.

Herausfordernde Komplexität der Multikrise

Die Vulnerabilität von Kindern und Jugendlichen wurde während der COVID-19-Pandemie und wird vor dem Hintergrund der in Medien, in Schulen, im Freundeskreis und im Alltag omnipräsenten Themen Klimawandel, Krieg in der Ukraine, Energiekrise, finanzielle Belastung außer Acht gelassen. Dabei sorgen sich die Elf bis 17-Jährigen um ihre Zukunft. Das zeigt die kürzlich in Deutschland publizierte COPSY-Studie (Corona und Psyche).

Nagel zitierte die Studienleiterin Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer. Sie fasste die Auswirkungen der Belastungsfaktoren der „Multikrise“ wie folgt zusammen: „Es besteht dringender Handlungsbedarf, den belasteten Kindern und Jugendlichen zu helfen, damit sie psychisch wieder gesunden und im späteren Erwachsenenleben keine Langzeitschäden entwickeln.“ Im Fokus der Befragung standen die seelische Gesundheit, Lebensqualität, psychosomatische Beschwerden und Ressourcen und Risikofaktoren seit Beginn der Pandemie. Drei von zehn Kindern und Jugendlichen berichteten von einer geringeren Lebensqualität; jedes vierte Kind leidet an psychischen Auffälligkeiten.

Die Belastung durch die Coronapandemie nimmt zwar ab, sie hat sich bis Herbst 2022 verbessert – doch psychische Beschwerden sind immer noch häufiger als vor der Pandemie. Die Bedeutsamkeit der psychischen Gesundheit gibt vor, welche Modellierungen im Gesundheitssystem bezüglich Verhalten und Verhältnissen (Stichwort Schließung von Schulen und Kindergärten) unterstützend angedacht werden müssen. Die Ergebnisse der Längsschnittstudie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) zeigen zudem, dass sich der Elternstress negativ auf die Resilienz ihres Nachwuchses auswirkt. Umso bedeutender ist es, Kindern und Jugendlichen früh Gesundheitswissen und die Wertigkeit von Prävention zu vermitteln.

Der Umgang der Gesellschaft mit künftigen Generationen ist Ausdruck der eigenen Zukunftsfähigkeit.

Gesundheitsförderung und Präventionsstrategie

In den österreichischen Gesundheitszielen der Regierungspartner dieser Legislaturperiode ist eine „Nationale Präventionsstrategie“ verankert. Für die gesundheitspolitische Planung, die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems und ein vorausschauendes Krisenmanagement ist es wesentlich, neben den älteren Menschen, Personen mit Vorerkrankungen und immungeschwächten Patientinnen bzw. Patienten auch Kinder und Jugendliche als vulnerable Gruppe anzuerkennen. Sie sind einem durch Gesundheitsrisiken besonders bedrohten Klientel gleichzusetzen. Als vulnerable Gruppe sind sie belastet, ohne „betroffen“ zu sein. Vulnerabilitätsfaktoren können ihre Lebensverhältnisse (z. B. beengter Wohnraum), Familienstruktur (niedriger sozioökonomischer Status der Eltern, fehlende soziale Unterstützung), ihr Migrationshintergrund oder eine chronische Erkrankung sein.

Unumstritten ist auch die Korrelation zwischen Gesundheitskompetenz und Lebenserwartung, wie sich in verschiedensten Untersuchungen immer wieder zeigt. Nagel nennt als Richtwert eine zwölf Jahre geringere Lebenserwartung eines Menschen, der in ein sozioökonomisch „schwaches“ und bildungsfernes Umfeld hineingeboren worden ist. Es stellt sich die Frage: Was kann das Gesundheitssystem, was kann die Gesellschaft tun? Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung weist eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz auf. Sie nehmen seltener präventive Angebote in Anspruch, greifen häufiger auf die Notfallversorgung zurück und nehmen Medikamente weniger korrekt ein. Gesundheitskompetenz spielt also für die Lebensjahre und die Lebensqualität eine große Rolle.

Die teilnehmenden Expertinnen und Experten legen den Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen vor allem nahe, vorab – mit allen relevanten Stakeholdern im Gesundheits- und Sozialbereich gemeinsam – die grundlegende Frage zu beantworten: „Was möchten wir anbieten und wie wollen wir kommunizieren?“ Darauf aufbauend können die detaillierten Überlegungen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz und Präventionsmaßnahmen ins Gesundheitssystem – mit hoher Priorität – implementiert werden.

Eine Gesundheitsförderung ist bereits im Kindes- und Jugendalter essenziell, um ein gewisses Selbstverständnis für Seele, Geist und Körper entwickeln und Empowerment erwirken zu können. Ziel ist, junge Menschen dazu befähigen, ihre soziale Lebenswelt und ihr Leben mithilfe eigener Ressourcen selbst zu gestalten.

Bereits 1986, als Ergebnis der ersten Internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der „Ottawa-Charta“ beschrieben, dass die Gesundheitsförderung auf einen Prozess abziele, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Dabei gilt die Partizipation der Zielgruppe als Good-Practice-Kriterium in der Gesundheitsförderung und Prävention. Jugendliche möchten nicht nur nach ihrer Meinung gefragt werden, sondern auch mitbestimmen.

Nagel nannte praxisrelevante Forschungsprojekte, die zeigen, dass gegebenenfalls auch höhere Partizipationsstufen realisierbar sind: „Prävent.Partition“ ist die systematische Begutachtung des Forschungsstandes zu partizipativen Maßnahmen für die Prävention von Übergewicht bei Jugendlichen.

Präventionswille auf dem Prüfstand

Die Gesundheitsexpertinnen und -experten stellten im PRAEVENIRE Gipfelgespräch fest, dass wir als Gesellschaft hinsichtlich einer nationalen Präventionsstrategie europaweit und darüber hinaus von der gleichen Problematik sprechen. Die wesentlichen Inhalte finden sich im kürzlich in Deutschland entwickelten Gesundheitskompetenz-Kompass. Er ist ein onlinebasierter Methodenkoffer, für den relevante Institutionen einmal versucht haben, die Themen rund um Gesundheitsförderung, Health Literacy, Gesundheitskompetenz und Prävention zusammenzuführen. Generell fasste Nagel in seinen Schlussworten zusammen, dass Vulnerabilitätsfaktoren für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen generationsübergreifende Themen sind. Die Bereitschaft der Gesellschaft, in die Gesundheitsförderung und -versorgung von Kindern und Jugendlichen zu investieren, und der „Zustand der Pädiatrie“ seien ein Spiegel für die Vitalität und Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft selbst.

Es sei nicht zielführend, dass (gesundheitliche) Verantwortung aus dem Familienverbund ausgegliedert und auf Institutionen wie Kindergärten, Schulen und Professionisten (Ärzteschaft, Therapeuten) übertragen wird. Es sind gerade die Eltern, Großeltern und Bezugspersonen, die ihr (Generationen-)wissen und den „Hausverstand“ im naheliegenden Umfeld an den Nachwuchs weitergeben. Ein ineinandergreifendes Zusammenwirken und Miteinander zwischen Pädagogik, Pädiatrie und Präventionsangeboten seitens der Gesundheitskassen als Konzept wären zu wünschen, die langfristig angelegt sind und die Finanzierung und Förderung mitbedenken. Auf Kommunikationsebene könnte ein Narrativ mehr Begeisterung erwirken.

Wir müssen nicht fragen, ob wir eine gute Gesundheitskompetenz haben, sondern generell einmal anfangen und Bereitschaft erwirken. Niemand schätzt sich selbst als schlecht ein und sagt, ich bin adipös.

Die Vermittlung und Umsetzung von Gesundheitsförderung müssen breit und niederschwellig ansetzen, die Sprache der Kinder und Jugendlichen sprechen, auf ihre Augenhöhe ausgerichtet und für die (Online-)Plattformen gestaltet sein, die sie aktuell nutzen. Es hat sich wohl noch niemand ernsthaft mit der Frage auseinandergesetzt, was ein 15-Jähriger in diesem Land wissen sollte. Wissen wir, was wirklich hilfreiches Wissen ist? Die meisten glauben, es dreht sich alles um Ernährung, Bewegung, Natur, mentale Gesundheit usw. Und hier spannt sich der Bogen zu der Grundsatzfrage am Anfang: „Was möchten die Politik, das Gesundheitssystem zur Verbesserung der Prävention und Gesundheitsförderung anbieten und wie wird es kommuniziert?“ Nach diesem grundlegenden ersten Punkt sind als zweiter die Zuständigkeiten und als dritter die Finanzierung anzugehen.

Gesundheit als positive Marke positionieren, in allen Welten, in denen sich die Nachfolgegenerationen bewegen, könnte Teil eines Gesamtkonzeptes sein, das die wesentlichen Inhalte an die Familie und an alle Gesundheitsverantwortlichen bildlich und klar transportiert. Die Marke Gesundheit müsste auch jene Bedeutungsflexibilität berücksichtigen, die Gesundheit für jede Einzelne, jeden Einzelnen hat.

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