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Danube Private University: High-end-Sensoren führen die medizinische Diagnostik in die Zukunft

© LUDWIG SCHEDL

Danube Private University: High-end-Sensoren führen die medizinische Diagnostik in die Zukunft

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Der Forschungsschwerpunkt „International Laboratory for Life Sciences and Technology“ an der Danube Private University (DPU) in Krems bringt internationale Spitzenforschung nach Österreich. PERISKOP sprach mit Robert Wagner, MA, Direktor Strategische Hochschulplanung, Management und Wissenschaft der DPU, Prof. Dr. Mandana Amiri, Dr. Patrik Aspermair, Univ.-Prof. Dr. Christoph Kleber, Hon.-Prof. Prof. Dr. Wolfgang Knoll und Prof. Dr. Sabine Szunerits.

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Mag. Dora Skamperls

PERISKOP-Redakteurin

Im Periskop 112 wurde die prominente Forschungsgruppe MIAAI – Medical Image Analysis & Artificial Intelligence der DPU vorgestellt. Als zweite Forschungsgruppe der DPU präsentieren wir in dieser Ausgabe nun das LiST – International Laboratory for Life Sciences and Technology. Die Gruppe entwickelt Biosensoren für die medizinische Diagnostik und forscht an der Oberflächenmodifikation von Implantaten.

Früherkennung mit Sensorik

Eines der wichtigsten Forschungsziele des LiST ist, minimalinvasive Tests für die Frühdiagnostik verschiedener Erkrankungen, u. a. Krebs, zu entwickeln. Die Sensoren können aus Gasen, Licht und Flüssigkeiten Informationen gewinnen. Das heißt, dass keine Blutabnahme oder Biopsie mehr nötig sein wird. Voraussetzung für diese Forschung ist die Prämisse, dass jede Krankheit – schon im Frühstadium – über spezifische Biomarker identifiziert werden kann. Diese krankheitsspezifischen Biomarker sind in Licht, Flüssigkeiten und Gasen (z. B. auch im Exhalationskondensat) nachweisbar. Die Sensoren zielen auf diese Biomarker ab. Wenn der Sensor einen krankheitsspezifischen Biomarker erkennt, gibt er Signale ab, die gemessen werden können. Einer der Sensoren ist beispielsweise ein Graphen-Plättchen, auf das ein spezifischer Antikörper „angebunden“ wurde. Wenn der Antikörper mit Flüssigkeiten in Kontakt gebracht wird, in denen ein spezifisches Protein (der krankheitsspezifische Biomarker) enthalten ist, entsteht eine elektrochemische Reaktion. Zwei wesentliche Aspekte dieser Tests sind einerseits die relativ kosteneffiziente Herstellung und vor allem die raschen Ergebnisse, ohne weitere Eingriffe vornehmen zu müssen.

PERISKOP: Herr Wagner, was ist die Vision der Forschungsgruppe LiST?

WAGNER: Die Forschungsgruppe LiST der DPU ist ein internationales Labor für Life Sciences and Technology. Die Vision ist einerseits die Entwicklung von Biosensoren für die medizinische Diagnostik. Weil Biosensorik auch viel mit Materialkunde zu tun hat, beschäftigt sich die Gruppe auch als Teilforschungsbereich mit Materialwissenschaften. Beispielsweise bearbeitet Prof. Kleber Implantatoberflächen mit Lasern, um die Einheileigenschaften zu steuern. Das sind die zwei Hauptforschungsgebiete im LiST. Die Forschungsgruppe wurde auf Basis eines Forschungsbeirats gegründet, den es damals unter der Leitung von Prof. Knoll bei uns gab. Das Ziel war, Testverfahren für die Diagnostik zu entwickeln, die in der Gesundheitsbranche auch unmittelbar umgesetzt werden können.

Wie integriert sich die Spitzenforschung an der DPU in den universitären Alltag?

Abgesehen von den Forschungsvorhaben im LiST gibt es im Curriculum Spezialisierungsprogramme. Dort werden den Studierenden die Forschungsmethoden und -ergebnisse vorgestellt mit dem Ziel, dass die Studierenden sich in diese Forschungsbereiche im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten eingliedern. Es gibt auch mehrere aktive Kooperationen bzw. Projekte mit der Wirtschaft, denn es ist unser Ziel, firmennahe Forschung zu betreiben, die auch unmittelbar in die Umsetzung kommt. Auch hier sind unsere Studierenden eingebunden.

Frau Prof. Amiri, Sie planen eine wissenschaftliche Kooperation mit der Forschungsgruppe LiST in Bezug auf Sensorik. Wie sind Sie auf LiST aufmerksam geworden?

AMIRI: Ich wurde über die Arbeit von Prof. Szunerits auf die Gruppe aufmerksam und habe dann mit Dir. Wagner Kontakt aufgenommen. Wir planen ein Projekt im Bereich Sensortechnologie, das zielgerichtet auf die Bedarfe in vielen Bereichen abzielt – Industrie, Produktionsverfahen, Wissenschaft. Besonders in der Medizin werden Sensoren bzw. Sensorsysteme mit immer sensibleren Oberflächen und Eigenschaften gebraucht. Die DPU ist überaus erfolgreich in der Entwicklung solcher Sensoren, weshalb ich mich um diese Forschungskooperation bemüht habe. Wir haben große Pläne für die Zukunft.

Welche Krankheiten können mit den an der DPU entwickelten Biosensoren diagnostiziert werden?

Wir werden die Arbeit in der Forschungsgruppe LiST ausgehend von meinen Forschungsergebnissen bei Sensoren beginnen. Wir gehen von einer kleinen Gruppe degenerativer Erkrankungen aus, wie zum Beispiel Alzheimer. Dies deshalb, weil es für die Therapie dieser Erkrankungen besonders wichtig ist, sie in einer Frühphase zu diagnostizieren. Es gibt bei diesen progressiven degenerativen Erkrankungen eine „golden time“, einen ganz kurzen Time Slot am Beginn der Erkrankung, wo man therapeutisch etwas machen kann. Hochsensible Sensoren können zur Früherkennung einen enormen Beitrag leisten. Deshalb planen wir in weiterer Folge, unser Forschungsgebiet auch auf die kardiovaskulären Erkrankungen zu erweitern. 

Was ist der Vorteil dieser Diagnoseverfahren im Vergleich zu den herkömmlichen Verfahren?

Traditionelle Diagnoseverfahren nehmen viel Zeit und Ressourcen in Anspruch und sind auch nicht sehr akkurat. Die von uns entwickelten Sensoren werden sensibler und selektiver auf Krankheitsanzeichen reagieren. Außerdem werden sie wesentlich schnellere Diagnosen liefern und nicht zuletzt steht der ökonomische Aspekt ganz oben. Denn diese Sensoren werden kostengünstig in der Produktion und im Einsatz sein, was sie speziell für Emerging Markets und Länder mit weniger dichter medizinischer Infrastruktur hochinteressant macht. Diese Sensoren sind so konzipiert, dass sie von den Patientinnen und Patienten selbst angewendet werden können, weshalb sie sich auch für telemedizinische Anwendungen eignen.

Herr Prof. Kleber, wie funktionieren die Sensoren?

KLEBER: Ich verfolge zwei große Forschungsprojekte, das eine sind elektrochemische Sensoren auf Graphenbasis und das andere sind optische Sensoren. Die Nachweismethoden sind einerseits der Strom und auf der anderen Seite das Licht. Damit können wir eine Vielzahl an Target-Molekülen, sei es DNA, RNA, nachweisen und bestimmen.

Wofür steht der Begriff „Personalised Medicine enabled by Intelligent Sensing Systems“ (PI-SENS)?

Die DPU hat im sechsten Call der COMET-Zentren ein solches Projekt beantragt und ist in der laufenden Ausschreibung ebenfalls dabei. Das Ziel ist, gemeinsam mit Industriepartnern – wie es der Fördergeber auch vorsieht – den Sprung zu schaffen von der Grundlagenforschung zu einem Produkt. Wir werden im Rahmen dieses Projekts auch zur Hälfte von Unternehmen finanziert. Neben der naturwissenschaftlichen Komponente der Sensorarchitektur soll dieses Produkt auch AI in den Auswertealgorithmen und eine Vernetzung mit der Cloud beinhalten, sodass die betreuende Ärztin oder der Arzt nach dem Aufbringen von Speichel, Atemluft oder Schweiß direkt am Smartphone benachrichtigt wird, wie der Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten ist.

Was bedeutet der Begriff „Doc-on-a-chip“?

Wenn Sie aus der Gesamtvision hineinzoomen und annehmen, dass eine bestimmte Krankheit vorliegt, gibt es bestimmte Targetmoleküle, die für diese Krankheit spezifisch sind. Dafür wollen wir spezielle Sensoren entwickeln, um zu messen, ob diese Moleküle vorkommen und in welcher Konzentration. Wieder über die Auswertesoftware steht dann Spezialistinnen und Spezialisten eine tiefgreifende Diagnostik zur Verfügung, die gerade in ländlichen Bereichen ja oftmals nicht vor Ort sind.

Frau Prof. Szunerits, Sie sind seit 2022 wissenschaftliche Leitung des LiST-Labors für Diagnostik & Life Science. Was sind Ihre Hauptaufgaben?

SZUNERITS: Meine Hauptaufgabe ist, das Labor dynamisch zusammenzubauen. Eine interdisziplinäre Wissenschaft, wie sie bei der Sensortechnologie betrieben wird, mit Medizin, Biologie, Physik und Chemie, müssen viele verschiedene Forschungspersönlichkeiten unter ein gemeinsames Dach gebracht werden. Mein Hauptanliegen ist also die Auswahl und die gute Zusammenarbeit dieser Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die das wissenschaftliche Kaliber haben, um hier internationale Spitzenforschung zu betreiben. Unsere Arbeit an den „Exhale Breath“- oder kurz „Breath“-Sensoren ging von Masken aus, die wir während der COVID-19-Pandemie entwickelt haben. Damals haben wir die Membran mit einem Polymer verarbeitet, mit der man Kondensat in wenigen Minuten sammeln kann. Die Idee ist, Biosensoren in diesen Masken zu verbauen und damit einfach anzuwendende, tragbare Diagnosegeräte zu schaffen, sogenannte „wearable Point-of-Care-Devices“. Damit sind wir an der DPU bereits in zwei klinischen Studien befasst. Dabei geht es um die Ausweitung der Diagnostik auf verschiedene Lungenerkrankungen, auch Lungenkrebs. Es könnte auch sein, dass diese Masken außerdem für kardiovaskuläre Biomarker anwendbar sind, dies nur als Beispiel für das breite Spektrum an Krankheiten.

Herr Prof. Knoll, Sie beschäftigten sich im Rahmen Ihrer Forschung u. a. mit exotischen Nanomaterialien. Wie bringen Sie sich am LiST wissenschaftlich ein?

KNOLL: Wie sich gezeigt hat, können viele Erkenntnisse aus der klassischen Materialforschung auch für medizinische Anwendungen interessant sein. Beispielsweise, um empfindlichere Sensoren für die Diagnostik zu entwickeln. Dies als Beitrag für die großen thematischen Herausforderungen, die wir gerade im Bereich der Diagnostik mit der Präzisionsmedizin und personalisierten Medizin haben. Hier brauchen wir für jede Patientin und jeden Patienten deutlich mehr Daten als bisher, die kosteneffizient beigestellt werden müssen. Aufgrund dieser vielfältigen Aufgaben haben wir unsere methodische Herangehensweise an der DPU auch breiter aufgestellt. Wir setzen also nicht nur auf einen optischen, chemischen oder elektronischen Sensor, sondern wollen die breite Kompetenz unserer Forschungsgruppe entsprechend nutzen, um jeweils den besten Ansatz für eine bestimmte medizinisch-diagnostische Fragestellung zu finden. Ich selbst konnte sowohl in der methodischen Zielsetzung als auch in der technologischen Umsetzung einiges beisteuern. Die praxisnahe Forschung an der DPU mit einer Anbindung einerseits an die Lehre und andererseits an die Industrie birgt aus meiner Sicht viele Vorteile. 

Herr Dr. Aspermair, erzählen Sie etwas über Ihre Forschung am Geruchssinn. Was sind Ihre Forschungsaufgaben und -ziele am LiST?

ASPERMAIR: Mein großes Ziel ist die tatsächliche Umsetzung in ein Produkt, das jedermann eines Tages zu Hause hat. Teil meiner Forschung ist es konkret, einen hochsensiblen und selektiven Sensor zu entwickeln, der trotzdem kostengünstig hergestellt werden kann und einfach anzuwenden ist. Im Idealfall ist das ein Sensor pro Haushalt oder sogar pro Person, also ein personalisierter Ansatz. Das Gerät hätte etwa die Größe einer Kreditkarte und kann tatsächlich mit dem Smartphone kommunizieren, um die Gesundheitswerte anzuzeigen. Wir sind aber auch in der Lehre tätig, indem wir einerseits Studentinnen und Studenten in den Laboralltag eingliedern und andererseits praxisnahe die Betreuung von Bachelor- und Masterarbeiten umsetzen. Uns ist es ein Anliegen, das Interesse für Biosensorik in den jungen Menschen zu wecken, damit diese später in ihrem Berufsleben bereits ein tieferes Verständnis dafür haben.

Life Sciences Technology (LiST)

LIST beschäftigt sich mit der Entwicklung neuartiger (Bio)-Sensoren auf elektrischer, elektrochemischer und/oder optischer Basis für die Detektion von Biomarkern, Viren oder Bakterien. Insbesondere die Analytik der Atemluft („breath biopsy“) mittels dieser Sensoren ist einer der definierten Arbeitsschwerpunkte. Ziel ist die Entwicklung von minimalinvasiven Sensoren, um eine optimale personalisierte Versorgung von Patientinnen und Patienten sicherstellen zu können. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entwicklung und Funktionalisierung von Materialien für die medizinische Anwendung.

Die Gruppe ist derzeit in 13 national und international geförderten Projekten engagiert, u. a. EU-Horizon, FWF, FFG, GFF NÖ, Land NÖ, EU&LAC sowie ein von der Weltraumbehörde ESA gefördertes Projekt. Ab 2024 erhält die Forschungsgruppe LiST im Rahmen eines Forschungs- gesamtkonzeptes einen neuen Standort in Wiener Neustadt. Es werden nicht nur LiST und MIAAI ihre hochmodernen Labors in Wiener Neustadt beziehen, sondern mit zwei neuen Forschungsschwerpunkten erweitert: Data Sciences und Clinical Oncology.

Nähere Informationen: dpu-research-list.at

Die Menschen hinter dem LiST:

Prof. Dr. Mandana Amiri studierte Chemie und promovierte in analytischer Chemie an der Sharif University of Technology in Teheran. Zuvor war sie als Gastwissenschafterin in Deutschland und Großbritannien tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der elektroanalytischen Chemie und der elektrochemischen Energieumwandlung. Sie wird aus der Universität Oldenburg Anfang 2024 an die DPU wechseln und die Leitung der Sensoren übernehmen.

Univ. Prof. Dr. Christoph Kleber promovierte in analytischer Chemie an der Technischen Universität Wien und habilitierte im Fach Materialwissenschaften. Derzeit ist er Gastprofessor an der JKU Linz und ordentlicher Professor für Chemie an der DPU. Seine wissenschaftliche Arbeit konzentriert sich auf die Grenzbereiche zwischen verschiedenen Materialien und ihrer Umgebungsatmosphäre, um die Mechanismen des (biologischen) Abbaus auf molekularer Ebene in Bezug auf Sensormaterialien aufzuklären.

Prof. Dr. Sabine Szunerits promovierte an der University of London im Bereich Elektrochemie. Sie absolvierte Forschungsstipendien an der ENS Paris und an der Tufts University, Boston, bevor sie 2004 zum Professor am INP Grenoble ernannt wurde. Derzeit ist sie Professorin für Chemie an der Universität Lille und seit 2022 auch wissenschaftliche Leitung des LiST-Labors für Diagnostik & Life Science. Ihr Hauptforschungsschwerpunkt am DPU-LiST liegt auf der Entwicklung hochempfindlicher, auf 2D-Materialien basierender Diagnosegeräte.

Hon.­Prof. Prof. Dr. Wolfgang Knoll promovierte in Biophysik an der Universität Konstanz. Von 1991 bis 1999 war er Laborleiter für exotische Nanomaterialien in Wako, Japan, am Institut für physikalische und chemische Forschung (RIKEN). Von 1993 bis 2008 war er außerdem Direktor der Abteilung Materialwissenschaften am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz. Von 2008 bis 2023 war er wissenschaftlicher Geschäftsführer des AIT Austrian Institute of Technology. Seit 2020 ist er Honorarprofessor an der DPU und seit WS 2023/24 am LiST.

Ass.­Prof. Dr. Patrik Aspermair absolvierte seinen PhD in Nanotechnologien und Mikroelektronik an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und der Universität Lille im Rahmen eines PhD-Programms von AIT, CNRS und CEST über die Detektion kleiner Moleküle mit graphenbasierten Halbleitern und Oberflächenplasmonik. Ziel seiner aktuellen Forschung am Geruchssinn ist die Entwicklung neuartiger Biosensortechnologien zur Erkennung von Biomolekülen für medizinische Praxis und Forschung. Er ist seit 2023 am LiST und leitet dort einige geförderte Forschungsprojekte.

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