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Breites Spektrum innovativer Diagnoseansätze

Marie Bernkopf, Katharina Rötzer-Londgin
© HARALD EISENBERGER, PRIVAT

Breites Spektrum innovativer Diagnoseansätze

Marie Bernkopf, Katharina Rötzer-Londgin
© HARALD EISENBERGER, PRIVAT

In Österreich erkranken jedes Jahr etwa 200 Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr und etwa 100 Jugendliche an Krebs. in ca. 10 Prozent der Fälle ist krebs bei Kindern erblich bedingt. PERISKOP sprach mit Dr. Marie Bernkopf, Leiterin der Abteilung Tumorbiologie bei Labdia Labordiagnostik, und Dr. med. Katharina Rötzer-Londgin, PhD, Leiterin der Abteilung Klinische Genetik – Humangenetik bei Labdia Labordiagnostik, über die Abklärung von angeborenen genetischen Erkrankungen sowie über neue Techniken und Ansätze, um die Risikostratifizierung und das Überleben von Kindern mit Tumoren zu verbessern.

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Carola Bachbauer, BA, MSc

PERISKOP-Redakteurin

Das Ambulatorium Labdia Labordiagnostik wurde 2006 als Tochtergesellschaft der St. Anna Kinderkrebsforschung ins Leben gerufen, um neue diagnostische Methoden zu entwickeln und anzubieten.

PERISKOP: Was ist Ihr Forschungsschwerpunkt an der St. Anna Kinderkrebsforschung und welchen Einfluss hat dieser bereits heute auf den Patientenalltag?

BERNKOPF: Neben meiner diagnostischen Tätigkeit arbeite ich eng mit der Forschungsgruppe Taschner-Mandl an der St. Anna Kinderkrebsforschung zusammen. Hier beschäftigen wir uns vor allem mit der Krebsart Neuroblastom, einer der häufigsten Krebsarten bei Kleinkindern. Obwohl es hier bereits enorme Fortschritte bei der Behandlung in den letzten Jahrzehnten gab, liegt die Überlebensrate bei Hochrisiko-Neuroblastomen weiterhin nur bei ca. 50 Prozent. Mithilfe der Charakterisierung von Tumorzellen hinsichtlich ihrer Eigenschaften und Schwachstellen möchten wir mehr über die Erkrankung selbst lernen und letztendlich herausfinden, welches individuelle Risiko und welche Therapiemöglichkeiten bestehen. Mein aktueller Forschungsschwerpunkt ist, auf strukturierte Weise den Mehrwert, die Chancen, aber auch Limitationen der Liquid Biopsie (Flüssigbiopsie) aufzuzeigen, um diese künftig in die klinische Routine zu überführen.

Wie kommen die Patientenproben zu Ihnen und wie wählen Sie den richtigen diagnostischen Weg? Hat Ihre Diagnostik auch Auswirkung auf die Therapie?

RÖTZERLONDGIN: Im Bereich der Keimbahndiagnostik erhalten wir die Patientenproben von Krankenhäusern und Arztpraxen aus ganz Österreich zur genetischen Analyse. Dabei geben die Zuweiserinnen und Zuweiser häufig konkret an, welche Fragestellung sie abgeklärt haben möchten. In diesen Fällen ist der diagnostische Weg vorgegeben. Bei komplexen Fragestellungen, beispielsweise Fehlbildungssyndromen, wählen wir anhand des klinischen Bildes aus, welcher Workflow am effizientesten ist, und besprechen diesen gegebenenfalls mit der Zuweiserin, dem Zuweiser.

Das Ergebnis der genetischen Untersuchung kann sich auf Diagnostik und Therapie auswirken. Das betrifft in erster Linie den Bereich der hereditären Tumorprädispositionssyndrome, kann aber auch andere genetisch bedingte Erkrankungen betreffen, bei denen die Therapie auf spezielle Mutationen maßgeschneidert wird. Beispiele dafür sind die CFTR-Modulatoren bei der zystischen Fibrose oder spezielle Medikamente für die DMD-Nonsense-Mutationen bei der Duchenne-Muskeldystrophie.

BERNKOPF: Als nationales Referenzlabor für aktuelle Studien erhalten wir Proben von Kinderkrebspatientinnen und -patienten aus Österreich für die genetische Diagnostik und Verlaufsanalysen. Da in einigen Ländern die Diagnostik für die geringe Anzahl an Proben pro Jahr nicht etabliert ist bzw. die sehr spezialisierten Methoden und Techniken nicht angeboten werden, bekommen wir auch Proben aus anderen europäischen Ländern.

Die Ausweitung der Genomanalysen stellt auch eine Herausforderung für die Interpretation der immer größer werdenden Datenmengen dar. Können Auswertungstools und Künstliche Intelligenz im Alltag helfen, um die Diagnose zu beschleunigen und die Patientenversorgung zu optimieren?

RÖTZERLONDGIN: Ja, können sie definitiv, aber trotzdem ist die Auswertung nach wie vor die größte Herausforderung der genetischen Diagnostik. Bei der Vielzahl an genetischen Varianten, die jeder von uns trägt, ist es oft schwierig, herauszufinden, welche die Erkrankung verursacht. Hinzu kommt, dass wir von vielen Genen die Funktion noch nicht kennen bzw. nicht wissen, ob eine Veränderung in diesen Genen zu einer Erkrankung führt, und wenn ja, wie diese aussieht. Aufgrund dessen steckt, trotz der Entwicklung von Künstlichen Intelligenzen und Softwareprogrammen, immer noch viel menschliche Arbeit hinter der Auswertung und der Variantenbeurteilung. Daher können gerade komplexe genetische Analysen mehrere Wochen bis Monate dauern.

BERNKOPF: Ähnlich sieht dies für die genetischen Analysen bei Kinderkrebs aus. Hierbei handelt es sich um eine sehr seltene Erkrankung, die in Österreich weniger als 1 Prozent aller an Krebs erkrankten Personen ausmacht. Hinzu kommt, dass Krebserkrankungen, die im jungen Alter auftreten, sich in vielerlei Hinsicht von jenen im Erwachsenenalter unterscheiden. Manche betreffen praktisch ausschließlich Kinder, wie das Neuroblastom und das Nephroblastom. Entsprechend ist der Informationsstand in den bestehenden Datenbanken bezüglich genetischer Veränderungen bei diesen seltenen Erkrankungen sehr dürftig. Künstliche Intelligenzen werden in Zukunft sicher ein nützliches Tool werden und z. B. bei der Extraktion relevanter Informationen aus Publikationen hilfreich sein.

Wie sehen Sie den Versorgungsstandard bei Kinderkrebspatienten in Österreich im europäischen Vergleich? Arbeiten Sie bei schwierigen Fällen in internationalen Netzwerken?

BERNKOPF: Die Versorgung der Kinderkrebspatientinnen und -patienten ist ausgezeichnet. Das beobachtete 5-Jahres-Überleben hat in den letzten Jahrzehnten extrem zugenommen und liegt derzeit für an Krebs erkrankte Kinder oder Jugendliche in Österreich bei mehr als 80 Prozent. In Europa allgemein beträgt die Überlebensrate etwa 80 Prozent, in Ländern mit geringerem Durchschnittseinkommen sind die Zahlen niedriger. Bei Labdia kooperieren wir eng mit der St. Anna Kinderkrebsforschung sowie dem St. Anna Kinderspital. Dadurch arbeiten sowohl experimentelle als auch theoretische Wissenschafterinnen und Wissenschafter Seite an Seite mit den pädiatrischen Onkologinnen und Onkologen, um gemeinsam Antworten auf die schwierigen Fragen der pädiatrischen Krebsforschung und Therapie zu finden. Zusätzlich gibt es in Österreich ein nationales Tumorboard, bei dem das diagnostische und therapeutische Vorgehen bei Kinderkrebspatientinnen und -patienten besprochen wird. Des Weiteren existieren viele internationale Netzwerke, beispielsweise die European Reference Networks (ERNs), speziell ERN PAEDCAN, oder SIOPEN (International Society of Paediatric Oncology Europe Neuroblastoma Group), bei denen sich Expertenrunden treffen, vernetzen, gemeinsam Forschungsfragen beantworten und schwierige Fälle besprechen. Dank ihrer Zusammenarbeit mit anderen führenden Einrichtungen in Europa und der engen Verbindung zu Forschung und Entwicklung verfügt die Labdia Labordiagnostik über neuestes technisches Know-how, das den kleinen Patientinnen und Patienten zugutekommt.

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