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Gesundheit stärken, Zukunft sichern

Gesundheit stärken, Zukunft sichern

Mehr Prävention, bessere Arbeitsbedingungen für Gesundheitsberufe und ein niederschwelliger Zugang für alle Bürgerinnen und Bürger sollen das heimische Gesundheitssystem zukunftsfit machen. Ein besonderer Fokus liegt für Gesundheitsministerin Korinna Schumann auf der Kinder- und Jugendgesundheit: „junge Menschen brauchen einen guten Start in das Erwachsenenleben.“ | von Mag. Renate Haiden, MSc.

Gesundheitsministerin Korinna Schumann will zentrale Weichen stellen: von fairer Bezahlung für Pflegekräfte über wohnortnahe Versorgung bis zu mehr Prävention. Auch Frauengesundheit, psychische Betreuung und Digitalisierung sollen gestärkt werden. Einen Überblick über Schwerpunkte, Herausforderungen und Chancen für das österreichische Gesundheitswesen gibt sie im Interview.

PERISKOP: Das Gesundheitswesen steht vor vielen Herausforderungen. Wie kann die solidarische Versorgung auch künftig gesichert bleiben?

Schumann: Wir stehen tatsächlich vor großen Herausforderungen, aber das Grundbekenntnis zu einem solidarischen und sicheren und starken Gesundheitssystem muss erhalten bleiben. Damit im Zusammenhang steht die Frage, wie wir die Gesundheitsversorgung für die Menschen so gut gestalten können, dass alle – unabhängig von ihrem Einkommen – die gleiche Chance haben, die bestmögliche Versorgung zu erhalten, die sie benötigen. Ich bin grundsätzlich überzeugt, dass Österreich trotz einiger Problemfelder noch immer eines der weltbesten Gesundheitssysteme hat. Dennoch muss man anerkennen, dass viele Menschen nicht mehr das Gefühl haben, jene Versorgungsqualität zu erhalten, die sie früher gewohnt waren. Gerade angesichts der schwierigen wirtschaftlichen und budgetären Rahmenbedingungen ist es umso wichtiger, nun die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Wir brauchen eine Versorgung, die flächendeckend und wohnortnah ist. Wir müssen überlegen, wie Patientenpfade gestaltet sein müssen, damit die Menschen dort ankommen, wo sie die für sie erforderliche Versorgung erhalten. Dazu braucht es zum Beispiel den Ausbau der Primärversorgungszentren oder den Ausbau von Erstversorgungsambulanzen. Es ist auch wesentlich, dass wir die psychische Versorgung der Menschen weiter in den Mittelpunkt rücken.

Prävention beginnt schon sehr früh, genau genommen ab der Geburt. Wir müssen in den Kindergärten und in den Schulen schon einen Fokus darauf legen und das Bewusstsein dafür schaffen. Korinna Schumann

Versorgungsqualität zu erhalten, die sie früher gewohnt waren. Gerade angesichts der schwierigen wirtschaftlichen und budgetären Rahmenbedingungen ist es umso wichtiger, nun die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Wir brauchen eine Versorgung, die flächendeckend und wohnortnah ist. Wir müssen überlegen, wie Patientenpfade gestaltet sein müssen, damit die Menschen dort ankommen, wo sie die für sie erforderliche Versorgung erhalten. Dazu braucht es zum Beispiel den Ausbau der Primärversorgungszentren oder den Ausbau von Erstversorgungsambulanzen. Es ist auch wesentlich, dass wir die psychische Versorgung der Menschen weiter in den Mittelpunkt rücken.

Welchen Stellenwert hat die Frauengesundheit im Regierungsprogramm? 

Frauengesundheit ist insgesamt ein wichtiges Thema, doch gerade die gesundheitlichen Veränderungen in den Wechseljahren und die damit einhergehenden Beschwerden treen viele Frauen besonders. Als Bundesregierung ist es uns wichtig, dass die Frauen länger in Beschäftigungsverhältnissen bleiben können, daher muss es unser Ziel sein, die Betroenen gut durch diese Lebensphase zu bringen. Das heißt, die körperlichen Belastungen, die in den Wechseljahren auftreten können, zu reduzieren und die Chancen, diese Zeit positiv zu gestalten, zu verbessern.

Welchen Stellenwert hat die Kinder- und Jugendgesundheit? 

Um an die psychische Gesundheit anzuknüpfen: Hier sehen wir besonders bei Kindern und Jugendlichen noch Aufholbedarf und wollen einen starken Schwerpunkt setzen. Wir müssen dieser Generation einen guten Start in das Erwachsenenleben ermöglichen. Wir müssen sie fördern, um nicht ungenutzte Potenziale zurückzulassen. Vieles davon ist keine gesundheitliche, sondern vielmehr eine soziale Frage und zeigt, wie Gesundheit mit sozialen Bedingungen Hand in Hand geht. Daher bin ich sehr froh, dass bei uns im Haus nicht nur die Gesundheit, sondern auch Soziales, Pflege und Arbeit integriert sind.

Welche Rolle kann Digitalisierung im Gesundheitswesen spielen?

Die digitale Welt ist eine Realität und löst aktuell viele Veränderungen aus. Ich bin überzeugt, dass gerade im medizinischen Umfeld oder in der Pflege die Digitalisierung wirklich dazu beitragen kann, dass die Verwaltungsabläufe einfacher zu machen und die Bürokratieaufwand deutlich zu reduzieren. So können die Beschäftigten unterstützt und entlastet werden. Die Möglichkeiten sind vielfältig und auch hier wollen wir als Bundesregierung einen wesentlichen Schwerpunkt setzen. So soll zum Beispiel die Elektronische Gesundheitsakte ELGA weiter ausgebaut werden, ich kann mir auch gut vorstellen, Daten aus der Pflege in die ELGA zu integrieren Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Algorithmen verändern Jobs und den Arbeitsmarkt. Das bringt Chancen für Innovationen, aber auch Herausforderungen. Es braucht klare Regelungen und den Schutz von Arbeitnehmer:innenrechten.

Wo sehen Sie den Stellenwert von Prävention aktuell und welche Aktivitäten planen Sie konkret? 

Die Förderung der Prävention liegt mir sehr am Herzen und ich möchte Gesundheit mit vielen Partnerinnen und Partnern gemeinsam gestalten, die am Gesundheitssystem mitarbeiten. Gerade in Zeiten, in denen Einsparungen erforderlich sein werden, müssen wir gemeinsam an einen Tisch kommen und gemeinsame Lösungen finden. In Prävention muss dringend investiert werden, denn sie ist ein wichtiges Feld. Wir haben beispielsweise eine noch viel zu geringe Anzahl an Teilnehmenden bei den Vorsorgeuntersuchungen. Prävention beginnt schon sehr früh, genau genommen ab der Geburt. Wir müssen in den Kindergärten und in den Schulen schon einen Fokus darauf legen und das Bewusstsein dafür schaen. Doch Prävention ist nicht nur ein Thema in jungen Jahren, sondern geht bis ins hohe Alter, denn jeder oder jede, der oder die jetzt schon eine Pflegestufe hat, kann Schritte setzen, um nicht so rasch in die nächste Stufe zu kommen. Jede und jeder kann und muss im eigenen Lebensumfeld und der aktuellen Lebensphase ansetzen. Um das Gesundheitssystem zu entlasten, müssen wir alles daran setzen, die Menschen länger gesund zu halten.

Warum ist die Förderung der Gesundheitskompetenz für Sie ein so wichtiges politisches Ziel? 

Wir haben im Regierungsprogramm Gesundheitsziele verankert, wie etwa die Stärkung von Prävention und Gesundheitskompetenz. Gerade angesichts knapper Budgets ist es wichtig, Prioritäten zu setzen. Frühe Aufklärung ist wesentlich, denn nur aus gut informierten gesunden jungen Menschen können auch gesunde Erwachsene werden. Mit Instrumenten wie dem Eltern-Kind-Pass bis 18 Jahre, schulischer Gesundheitsbildung und Impfprogrammen wollen wir die Gesundheitskompetenz erhöhen.

Gerade im medizinischen Umfeld oder in der Pflege kann die Digitalisierung dazu beitragen, die Verwaltungsabläufe einfacher zu machen und den Bürokratieaufwand deutlich zu reduzieren. Korinna Schumann

Welche Maßnahmen sind für eine Aufwertung der Gesundheitsberufe geplant?

Ich bin überzeugt, dass Menschen, die in der Pflege und Betreuung arbeiten, tagtäglich Großartiges leisten. Sie verdienen unseren Respekt und unsere Anerkennung – nicht nur in Worten, sondern auch in konkreten Maßnahmen. Ein wichtiger erster Schritt ist nun getan: Pflegebeschäftigte werden endlich in die Schwerarbeit eingestuft. Es ist in unser aller Interesse, dass es faire Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte gibt. Und es ist besonders wichtig, dass anerkannt wird, welch körperlicher und psychischer Kraftakt Pflegearbeit ist. Wir setzen mit den Verbesserungen auch eine langjährige Forderung der Betroffenen um. Gleichzeitig müssen wir uns intensiv mit den Fragen rund um Qualifikation, Weiterbildung und Perspektiven in diesen Berufen auseinandersetzen. Doch eines darf auf keinen Fall passieren: dass immer mehr Aufgaben auf das Pflegepersonal abgewälzt werden, ohne dass sich das auch in einer fairen und angemessenen Bezahlung niederschlägt. Respekt vor dieser verantwortungsvollen Tätigkeit zeigt sich nicht nur in Symbolpolitik, sondern vor allem in besseren Arbeitsbedingungen und Gehältern. Nur so werden wir diesem essenziellen Berufsfeld gerecht.

Sind Primärversorgungseinheiten ein zukunftsfähiges Versorgungsmodell? 

Primärversorgungseinheiten (PVE) sind moderne Modelle der wohnortnahen Gesundheitsversorgung und gewinnen zunehmend an Bedeutung, sowohl für Patientinnen und Patienten als auch für Ärztinnen und Ärzte. Seit Juli sind österreichweit 100 Primärversorgungseinheiten in Betrieb, viele weitere sind bereits in Planung. Allein 13 sind für Kinder- und Jugendmedizin eingerichtet. Sie alle bieten eine umfassende medizinische Betreuung unter einem Dach. Teams aus unterschiedlichen Gesundheitsberufen arbeiten dort eng zusammen. Der multidisziplinäre Ansatz ermöglicht eine Versorgung, die über die reine Behandlung akuter Beschwerden hinausgeht und auch Prävention, Nachsorge und psychosoziale Aspekte miteinbezieht. Durch längere Öffnungszeiten, ein breites Leistungsangebot und kürzere Wartezeiten stärken PVE die Versorgung in urbanen wie ländlichen Regionen gleichermaßen. Gleichzeitig tragen sie zur besseren Steuerung von Patientenströmen bei. Ich hatte vor kurzem die Gelegenheit, ein Primärversorgungszentrum in Oberösterreich zu besuchen – was dort geleistet wird, ist großartig.

Wird die Gesundheits-Hotline 1450 Teil zur Patientenlenkung beitragen können? 

Die zentrale Telefonnummer 1450 soll zum „Gesundheits-Navi“ für alle Österreicherinnen und Österreicher ausgebaut werden und eine Anlaufstelle für die Ersteinschätzung, Terminvergaben und in weiterer Folge auch für Videokonsultationen werden. Patientinnen und Patienten sollen nicht nur Information erhalten, sondern auch systematisch an die richtige Stelle im Gesundheitswesen geleitet werden – also in die Hausarzt- oder Facharztpraxis sowie in ein Krankenhaus. Daher ist 1450 auf einem guten und wichtigen Weg, zu einem zentralen Steuerungselement zu werden, mit dem eine effizientere Ressourcennutzung bei gleichbleibender hoher Versorgungsqualität erreicht werden soll.

In welcher Form sollen Gesundheitsdaten künftig stärker für Prävention und gesundheitspolitische Planung genutzt werden? 

Bislang fehlen uns oft noch grundlegende Daten für die Gesundheitsplanung und -steuerung. Wenn wir die Gesundheitsversorgung gezielt weiterentwickeln wollen, brauchen wir eine solide Datengrundlage. Ohne sie bleibt gute Planung ein Blindflug. Jetzt setzen wir erste Schritte: Ab 1. Jänner 2026 wird die verpflichtende Diagnosecodierung eingeführt, damit schließen wir eine zentrale Lücke, vor allem im niedergelassenen Bereich. Parallel machen wir bei ELGA rasch Fortschritte: mit klaren Zusammenfassungen der wichtigsten Gesundheitsdaten und einem digitalen Medikamentenplan sowie einem benutzerfreundlichen Portal, das auch mobil funktioniert. Wenn wir Ressourcen effizienter einsetzen wollen ohne Einbußen für die Patientinnen und Patienten, führt an einer besseren Datennutzung kein Weg vorbei.

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