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Brustkrebs – Verbesserungspotenziale in der Behandlung

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Brustkrebs – Verbesserungspotenziale in der Behandlung

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Mit etwa 5.000 registrierten Neuerkrankungen pro Jahr ist Brustkrebs in Österreich weiterhin die häufigste Krebsform bei Frauen. Bei den 7. Praevenire Gesundheitstagen im Stift Seitenstetten beleuchteten Expertinnen und Experten im Rahmen eines Gipfelgesprächs die aktuelle Versorgungssituation betroffener Patientinnen – mit dem Ziel, die verbesserungspotenziale und Notwendigkeit holistischer Herangehensweisen aufzuzeigen. | von Lisa Türk, BA

Dank therapeutischer Innovationen liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei Brustkrebs mittlerweile in etwa bei 87 Prozent; der in Österreich rasche und gute Zugang zu neuen Therapien hat sich allgemein in einer Verbesserung des erkrankungsfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens niedergeschlagen. „Auch in den kommenden Jahren ist davon auszugehen, dass die Entwicklung und klinische Erforschung weiterer innovativer Medikamentengruppen, wie etwa Antikörperwirkstoffkombinationen, das Behandlungsfeld neu sortieren werden“, stellte OA Dr. Daniel Egle von der Medizinischen Universität Innsbruck in Ausblick. Das erklärte Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist es, Brustkrebs bis zum Jahr 2030 zu heilen. Um den genannten Vorhaben näher zu kommen, muss sich das österreichische Gesundheitssystem auf Früherkennung, Vorsorgemaßnahmen und insbesondere den Ausbau entsprechender Versorgungsstrukturen konzentrieren. Um den betroffenen Patientinnen die bestmögliche Therapie zukommen zu lassen, sind vor allem spezialisierte Pflege, Schnittstellenoptimierung sowie ganzheitliche Betreuung ins Zentrum zu rücken.

Mehr Awareness für metastasierte Formen

Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs; vielmehr fasst der Begriff zahlreiche Subtypen zusammen. „Relevant werden diese Unterscheidungen, wenn es darum geht, ob sich die Patientin in einem frühen oder fortgeschrittenen Erkrankungsstadium befindet. Ist der Krebs noch heilbar oder hat er bereits landläufig Metastasen gestreut? Dieses Spannungsfeld muss in den Medien intensiver beleuchtet werden, es braucht mehr Bewusstsein und Empathie gegenüber jenen Patientinnen, die nicht mehr gesund werden können, die sich in Dauertherapie befinden und ihr restliches Leben mit Schmerzen und etwaigen therapeutischen Nebenwirkungen zurechtkommen müssen“, betonte Brustkrebsaktivistin (Claudias Cancer Challenge) Mag. Claudia Altmann-Pospischek. Ebenso am Herzen liegt ihr der Umgang mit den psychischen Belastungen und Einschnitten im Alltagsleben, die vor allem mit der Diagnose des metastasierten Brustkrebses einhergehen.
Aus medizinisch-wissenschaftlicher Perspektive betrachtet, gehen die Fortschritte der letzten Jahre vor allem im Kontext der metastasierten Formen mit gesteigerten Überlebenschancen und letztlich verbessertem Gesamtüberleben der Patientinnen einher. „In der Vergangenheit war es unser oberstes Ziel, die Überlebenszeit der Patientinnen zu verlängern. Heute stellen die verfügbaren Medikamente echte Alternativen zur Chemotherapie dar; die Nebenwirkungsprofile sind absolut akzeptabel. Wir sind also in der glücklichen Position, uns tatsächlich mit der Steigerung der Lebensqualität Betroffener auseinandersetzen zu können“, so Univ. Prof. Dr. Christian Singer, Privatklinik Döbling, Wien. Altmann-Pospischeks Forderung für eine gesteigerte Bewusstseinsbildung im Hinblick auf metastasierte Erkrankungen schloss sich auch Daniel Egle an – vor allem bei behandelnden Ärztinnen und Ärzten. Neben der psychologischen Betreuung für die Patientinnen braucht es Schulungen für Kolleginnen und Kollegen, im Zuge derer eie adäquate Kommunikation und Begleitung der Patientinnen trainiert werden. Denn viele Ärztinnen und Ärzte scheuen sich davor, umfassend über eine metastasierte Erkrankungsform – und all die damit verbundenen Herausforderungen aber auch Perspektiven – aufzuklären.

In Österreich bedarf es einer allgemeinen Steigerung des Stellenwerts von Wissenschaft und Klinischer Forschung.

Schulterschluss für Psychoonkologie

Für die Wahrnehmung der Relevanz der psychologischen Komponente plädierte auch Univ. Prof. Dr. Beate Wimmer-Puchinger vom Bundesverband Österreichischer PsychologInnen. „Eine Krebserkrankung reicht bis ganz tief in den Verarbeitungsmechanismus Betroffener hinein. Es braucht vor allem im niedergelassenen Bereich dringend die flächendeckende Option auf einen garantierten Zugang zu psychoonkologischer Begleitung, um den betroffenen Frauen und ihren Familien die bestmögliche ganzheitliche Versorgung zukommen zu lassen.“ Diese stärke gerade in der letzten, meist äußerst herausfordernden Phase der Erkrankung die Resilienz und damit auch die Lebensqualität der Patientinnen. Denn trotz der zahlreichen medizinischen Errungenschaften haben die Herausforderungen für die betroffenen Patientinnen nicht abgenommen, wie auch Psychoonkologin Mag. Elisabeth Andritsch erläuterte: „Nach dem Erhalt einer Brustkrebsdiagnose ist es ganz wesentlich, den Frauen Orientierung und Halt zu geben. In einem zertifizierten Brustgesundheitszentrum sind die Patientinnen in ein multidisziplinäres Team eingebettet, nach der Therapie, also während der Nachsorge, sind sie allerdings aktuell zumeist auf sich alleine gestellt. Psychische Begleiterscheinungen werden jedoch oftmals erst zu diesem Zeitpunkt bemerkbar.“ Herausfordernd seien auch die Ängste vor erneuten Untersuchungen, vor einer potenziellen Verschlechterung der Krankheit. Es sei essenziell, so Andritsch, den betroffenen Frauen dabei zu helfen, den Fokus auch wieder auf andere Lebensbereiche außerhalb ihrer Krebserkrankung zu richten. „Hier ist vor allem im extramuralen Bereich das Miteinbeziehen der Familienmitglieder, das im Leistungskatalog aktuell gar nicht angedacht ist, wichtig. Denn Krebs ist eine systemische Erkrankung, die stets auch das unmittelbare Umfeld der Patientinnen betrifft“, so Andritsch. Altmann-Pospischek betonte dahingehend, wie wichtig es sei, den Fokus auf das Leben zu richten: „Natürlich wird man mit dem Thema der Endlichkeit, mit dem Sterbeprozess konfrontiert.

Vor allem im niedergelassenen Bereich braucht es dringend einen flächendeckend garantierten Zugang zu psychoonkologischer Begleitung

Es ist allerdings noch so viel Raum für das Leben da. Daher braucht es einen Schulterschluss in der psychoonkologischen Betreuung, die wir zum Wohle der Patientinnen und ihrer Familien in die Mitte des Geschehens rücken müssen.“ Auch der Austausch im Rahmen von Selbsthilfegruppen sei dahingehend unerlässlich. „Selbsthilfegruppen vermitteln Kraft, Lebensqualität und Dynamik. Der Austausch unter Gleichgesinnten gibt zudem Halt. Denn wenn man nicht am eigenen Leib erfährt, wie es ist, sein restliches Dasein unter einem Damoklesschwert zu leben, kann man diesen Zustand und all die damit verbundenen Emotionen nur bedingt nachvollziehen“, so Altmann-Pospischek.

Breast Care Nurses - Ressourcen nutzen

Im Kontext der ganzheitlichen Versorgung nehmen insbesondere speziell geschulte Breast Care Nurses eine wichtige Rolle ein. „Wir sind Begleiterinnen, Vermittlerinnen und ganz wesentliche Ansprechpersonen für die Betroffenen in einer schnelllebigen Zeit, die von Heraus- und teils Überforderung sowie Unsicherheiten geprägt ist. Wir tragen dazu bei, die Resilienz der Patientinnen zu stärken, Compliance, Adhärenz und Nebenwirkungsmanagement zu optimieren und gestalten letztlich durch unsere Expertise den Therapieerfolg mit“, strich Andrea Winglhofer ihr berufliches Selbstverständnis als Breast Care Nurse am AHOP hervor. Winglhofer wie auch ihre Kollegin Danijela Dohnal-Suvajac, ebenfalls Breast Care Nurse am AHOP, kritisierten beide die Tatsache, dass ausgebildete Breast Care Nurses aktuell allerdings nicht die Chance bekommen, versorgungswirksam zu werden. Abgesehen davon fehlt es allgemein an
Bewusstsein im Hinblick auf die Qualität, die speziell geschulte Nurses in den Behandlungsprozess mit einbringen können. „Die wenigsten Breast Care Nurses in Österreich sind in Brustgesundheitszentren tätig, die personellen
Ressourcen, die vorhanden sind, werden nicht ausreichend geschätzt, genutzt bzw. entsprechend eingesetzt“, so Dohnal-Suvajac. Laut Hon. Prof. (FH) Dr. Bernhard Rupp, MBA, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich, seien derartige Gegebenheiten auch auf andere Diagnosen und Versorgungsformen umzumünzen: „Bis heute haben wir in Österreich – mit Ausnahme der Sonderausbildung für Führungsaufgaben – keine Verordnungen für Sonderausbildungen, diese schlagen sich daher nicht in den Dienstplänen  nieder. Die Personalsituation in der Pflege ist generell unhaltbar geworden.“ Egle ergänzte: „Gut ausgebildetes Personal seine Arbeit nicht ausüben zu lassen, ist mit einer Verschwendung von Zeit und Ressourcen gleichzusetzen und beeinflusst letztlich das Patientenwohl.“

Neben dem Ausbau des psychoonkologischen Betreuungsangebots und der Stärkung der Rolle der Breast Care Nurses wünsche ich mir einen Cancer Case Manager, der mit Rat und Tat zur Seite steht.

Schnittstellenoptimierung zwischen intra- und extramuralem Setting

Ein weiteres Problem sind, so die einhellige Meinung der Diskussionsteilnehmenden, das Auseinanderfallen von und die mangelnde Abstimmung zwischen intra- und extramuralem Bereich. „Nach einem Aufenthalt im Krankenhaus oder Brustgesundheitszentrum benötigen die Patientinnen weiterhin Unterstützung im niedergelassenen Bereich
– und zwar in enger Akkordierung mit dem Spitalsbereich. Neben ambulanten Rehabilitationsmöglichkeiten brauchte es extramural einen Rechtsanspruch auf Psychotherapie, die flächendeckend seitens Krankenversicherung finanziert werden sollte und nicht vom persönlichen Wohlstand der Patientinnen abhängen darf“, betonte Franz Bittner, Ärztekammer Wien.
Mag. phMag. pharm. Gunda Gittler, Leitung Apotheke der Barmherzigen Brüder in Linz und Salzburg, unterstrich die in der Onkologie essenzielle Rolle der Klinischen Pharmazie am Übergang vom Krankenhaus- in den niedergelassenen Bereich. „Sowohl im Nebenwirkungsmanagement als auch bei Arzneimittelinteraktionen stehen klinische
Pharmazeutinnen, Pharmazeuten den Ärztinnen und Ärzten sowie Patientinnen beratend zur Seite – sowohl intra- als auch extramural, wenn auch die Weiterführung der Therapien im niedergelassenen Bereich nicht immer friktionsfrei mit der Krankenkasse ablaufen.“
Um die Lebensqualität Betroffener zu verbessern, sollten Medizin, Pharmazie, Psychoonkologie und Case Management allenfalls Hand in Hand miteinander gehen. „Ich würde mir neben dem Ausbau des psychoonkologischen Betreuungsangebots und der Stärkung der Rolle der Breast Care Nurses für jede Person, die von einer derart schwerwiegenden und lebensverändernden Diagnose betroffen ist, einen Case Manager wünschen, der über Arbeits- und Sozialrechtliches sowie Finanzielles informiert“, so Altmann-Pospischek. Univ. Prof. Dr. Michael Gnant, Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group, bestätigte abschließend den diesbezüglichen Nachholbedarf Österreichs. „In vielen anderen Ländern werden zahlreiche Aufgaben im Day-to-Day Management von der hochspezialisierten Pflege und Sozialarbeit übernommen, das täte uns auch in Österreich gut – nicht zuletzt im Licht des Ärztemangels, in den wir hineinsteuern. Auch die Nutzung digitaler Möglichkeiten könnte Entlastung mit sich bringen und Ressourcen freimachen, die letztlich einer umfassenden und empathischen Patientenbetreuung zugutekommen.“ Zu guter Letzt plädierte Gnant für die Steigerung des Stellenwerts der Klinischen Forschung in Österreich zugunsten des frühzeitigen Zugangs zu Innovationen: „Denn wer in der Onkologie in der klinischen Forschung ganz vorne mit dabei ist, dem stehen auch die besten und modernsten Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.“

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