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Alzheimer – der Kampf gegen das große Vergessen

© Paul Gruber

Alzheimer – der Kampf gegen das große Vergessen

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Thinktank Gesundheit

Laut bestehender Prognose wird sich die Zahl der Demenzerkrankten bis zum Jahr 2050 verdoppeln. Mit diesen steigenden Zahlen geht die Notwendigkeit einher, sich mit der Forschung zu Behandlung von Morbus Alzheimer sowie der wirtschaftlichen Kostenbelastung auseinanderzusetzen.

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Abg. z. NR Univ.-Prof. Dr. Rudolf Taschner

Leiter des Wiener Wirtschaftskreises

Alzheimer ist eine neurodegenerative Erkrankung und die häufigste Form der Demenz. Bei der Krankheit führen spezifische neuropathologische Veränderungen wie die Anhäufung von bestimmten Eiweißablagerungen – pathologisch konfigurierten Amyloid-beta Plaques und neurofibrillären Tangles – im Gehirn zu fortschreitendem Verlust von Neuronen und deren Verbindungen. Klinisch werden diese neuropathologischen Veränderungen von einem allmählichen Verlust der kognitiven Fähigkeiten begleitet. Warum jemand an Demenz erkrankt, konnte bis heute noch nicht geklärt werden. Man weiß jedoch, dass ungefähr 10 bis 20 Jahre bevor erste Symptome wahrgenommen werden die Abbauvorgänge im Gehirn bereits eingesetzt haben.

Die Zahl der Betroffenen steigt

Schätzungen zufolge leiden rund 150.000 Menschen in Österreich an Demenz, wovon circa 100.000 an Alzheimer erkrankt sind. Etwa 65 Prozent aller Erkrankten sind Frauen. Fachleute gehen davon aus, dass bereits im Jahre 2050 mit einer Verdoppelung der Demenzerkrankungen zu rechnen ist. Jedoch bildet diese Hochrechnung nur einen Teil dessen ab, was uns in Zukunft bevorsteht. Denn die Zunahme betrifft „nur“ die Zahl der Betroffenen, die eine definitive Demenzdiagnose haben. Die zunehmende Anzahl von Menschen mit sogenanntem „subjective cognitive decline“ die ebenfalls einer differenzialdiagnostischen Abklärung bedürfen bzw. diese erforderlich wird, sind bislang nicht einkalkuliert. Somit wird die Zahl der Betroffenen wahrscheinlich noch höher werden.

Auch wirtschaftlich gesehen erweisen sich die verschiedenen Demenzformen als schwere Kostenbelastung. Aktuellen Berechnungen des Instituts für Höhere Studien (IHS) zufolge werden die Kosten durch Demenz für das Gesundheitssystem auf 2,6 Mrd. Euro im Jahr geschätzt. Diese werden durch direkte Medizinkosten wie Arztbesuche, Medizinprodukte sowie Kosten für die Pflege verursacht. In dieser Berechnung sind die informellen Pflegekosten durch Angehörige und in Form von Eigenkosten jedoch nicht eingerechnet. Das wären zusätzlich noch 1,5 Mrd. Euro. Somit machen die geschätzten 4,1 Mrd. Euro Ausgaben für Demenz bis zu 10 Prozent der österreichischen öffentlichen und privaten Gesundheitsausgaben aus. Dadurch würde es sich auch volkswirtschaftlich rentieren, Alzheimer zu verhindern.

Ärztliche Diagnose von Demenz bzw. Alzheimer

Die frühzeitige Erkennung von Alzheimer ist für eine rechtzeitige und angemessene Behandlung der Patientinnen und Patienten sowie für die Maximierung des Nutzens von Therapien und Prävention von entscheidender Bedeutung. Bei ersten Anzeichen von Vergesslichkeit oder bei Veränderung der Denkleistung, sollten Betroffene eine Fachärztin, einen Facharzt für Neurologie aufsuchen. Zunächst kann auch die Hausärztin bzw. der Hausarzt ein wichtiger Ansprechpartner sein. Die korrekte und frühzeitige Diagnose der Symptome ist wichtig, um einerseits diese von anderen Krankheitsbildern abzugrenzen, Aufwendungen durch Fehlbehandlungen zu minimieren und andererseits die Selbständigkeit und die kognitiven Fähigkeiten der Erkrankten länger zu erhalten.

Die Diagnostik lässt sich in zwei Schritte einteilen: Feststellung der demenziellen Symptome und genaue Klärung der Ursachen. Im ersten Schritt stellt die Ärztin, der Arzt fest, ob demenzielle Symptome vorliegen und wie stark diese ausgeprägt sind. Dabei stellt die körperliche Untersuchung mit der Erhebung der Anamnese in der Regel die erste diagnostische Maßnahme dar. Nach Bedarf wird ein Demenz-Test durchgeführt. Oft kann es auch zu einer Befragung der Angehörigen kommen, damit sich die Ärztin, der Arzt ein vollständiges Bild aller Veränderungen machen kann.

Bei einer möglichen Demenzerkrankung müssen des Weiteren die Ursachen für die Symptome geklärt werden und eine Abgrenzung zu anderen Erkrankungen stattfinden. Mögliche Methoden der Differentialdiagnostik sind dabei Ultraschall des Gehirns, Labordiagnostik (z. B. Blutwerte), Elektroenzephalographie (EEG) sowie weitere bildgebende Verfahren, wie Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT). In Einzelfällen kann auch eine Untersuchung des Nervenwassers (Liquordiagnostik) durchgeführt werden. Anhand der Ergebnisse kann die Ärztin, der Arzt bestimmen, um welche Demenzform es sich handelt, in welchem Stadium sich die oder der Betroffene befindet und eine zielgerichtete Behandlung einleiten.

(Wie) kann man Demenz behandeln?

Aktuell gibt es für die meisten Demenzerkrankungen keine Behandlung, die zur Genesung führt. Aus diesem Grund liegt das Hauptziel der Therapie darin, die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten und ihrer Familienmitglieder zu verbessern.

Bei der medikamentösen Behandlung von Demenzpatientinnen und -patienten wird häufig auf sogenannte Antidementiva zurückgegriffen. Hierbei kommen beispielsweise Arzneimittel zum Einsatz, welche das Enzym unterdrücken, das für den natürlichen Abbau von Acetylcholin verantwortlich ist. Die Blockierung der Wirkung des Botenstoffs Glutamat, dem auch eine schädliche Rolle im Krankheitsverlauf zugeschrieben wird, ist ein weiterer Ansatzpunkt für medikamentöse Behandlungen. Derartige Präparate können bei einigen Erkrankten zu einer Verbesserung des Gedächtnisses und der Konzentration führen. Gelegentlich verzögern die Medikamente auch die Entwicklung der Symptome. Der tatsächliche Krankheitsverlauf im Gehirn kann durch die medikamentöse Therapie jedoch nicht verzögert oder gestoppt werden. Da mit einer Demenz auch Depressionen oder andere Begleitsymptome wie Unruhe, Sinnestäuschungen, Angst oder Schlafstörungen einhergehen können, kommen mitunter auch eine Reihe von Arzneimitteln beispielsweise Antidepressiva zum Einsatz.

Demenz vorbeugen

Bis zu 40 Prozent der Demenzerkrankungen können vermutlich durch die Vermeidung von Risikofaktoren verhindert werden. Darunter fallen die gesamte Bevölkerung betreffende Faktoren, wie der Zugang zur Bildung, die Intensität der körperlichen Aktivität und das Ausmaß an Luftverschmutzung sowie übliche Faktoren, wie Rauchen, Bluthochruck und Übergewicht. Zusätzlich ist seit mehreren Jahren bekannt, dass ein Zusammenhang zwischen Isolation und Demenz besteht. Des Weiteren ist Gehörverlust zu neun Prozent die Hauptursache für Demenzerkrankungen. Mithilfe von regelmäßigen Kontrollen, einer optimalen Versorgung mit Hörakustikprodukten und die ausreichende Schulung von anderen Sinnesorganen, können die Wahrnehmungen im Alter gefördert werden und somit Vorsorgemaßnahmen gegenüber Demenzerkrankungen getroffen werden.

Vorsichtiger Ausblick und Heilungschancen

Alle derzeit in Europa verfügbaren Interventionen wirken, indem sie die Verfügbarkeit bestimmter Neurotransmitter erhöhen und so die kognitive Funktion vorübergehend stabilisieren. Jedoch versagen diese Präparate irgendwann und die Demenz schreitet fort. Zurzeit gibt es noch keine krankheitsmodifizierende Therapie, auch wenn die medizinische Forschung mit großem Engagement daran arbeitet. Beispielsweise teilte die Universität Innsbruck 2021 mit, dass Alzheimernervenzellen sich in ihrem Stoffwechsel ähnlich verhalten wie Krebszellen. 

Das Positive dabei: In der Krebstherapie gibt es bereits Wirkstoffe, die dieses Verhalten kontern. Trotzdem müssen noch viele Fortschritte gemacht werden, bevor die Alzheimererkrankung oder andere Formen der Demenz aufgehalten bzw. sogar geheilt werden können. Dazu ist von entscheidender Bedeutung, dass die Forschung in Bezug auf eine frühe Erkennung, eine bessere Klassifizierung durch objektive Biomarker und schließlich krankheitsverändernde Therapien weiter voranschreitet.

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