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Die Zukunft der Orthopädie und Traumatologie

© Peter Provaznik

Die Zukunft der Orthopädie und Traumatologie

© Peter Provaznik

Aufgrund sich verändernder struktureller Anforderungen wurden die Fächer Orthopädie und Traumatologie 2014 in Österreich zu einem gemeinsamen Fach zusammengelegt. Dadurch wurde ein Fach geschaffen, das den aktuellen Anforderungen entspricht und international kompatibel ist. In seiner Keynote schilderte Dekan Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer bei den 5. PRAEVENIRE Gesundheitstagen im Stift Seitenstetten die hohe Qualität der Orthopädie in Österreich und betonte die Chancen und Herausforderungen, mit denen das Fach in Zukunft konfrontiert sein wird. | von Mag. Dren Elezi, MA

Millionen Menschen in Europa leiden im höheren Alter an Arthrose, Wirbelsäulenerkrankungen, Osteoporose oder sind nach einem Sturz in ihrer Beweglichkeit stark eingeschränkt. Expertinnen und Experten sehen in der alternden Bevölkerung und der damit zusammenhängenden steigenden Krankheitslast eine große Herausforderung, auf die sich in Zukunft alle Leistungsträger im Gesundheitswesen vorbereiten müssten. „Die steigende Lebenserwartung und die vorwiegend sitzende Lebensweise vieler Menschen sorgen künftig für einen wachsenden Bedarf an orthopädischen und unfallchirurgischen Leistungen. Volkskrankheiten wie Arthrose, Osteoporose oder Wirbelsäulenerkrankungen sind Verschleißerkrankungen, die sich im hohen Alter verschlimmern“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer, Dekan der Donau-Universität Krems, Fakultät für Gesundheit und Medizin und Leiter des Zentrums für Regenerative Medizin. Die Behandlung von Patientinnen und Patienten älterer Generationen stelle eine immer größere Herausforderung dar. In Österreich altern Menschen — im internationalen Vergleich — nicht bei bester Gesundheit. „Die alternde Bevölkerung spielt im Gesundheitswesen zunehmend eine wesentliche Rolle, der sich das Gesundheitssystem annehmen muss. Das Thema Altersmedizin wird in Zukunft vermehrt in den Mittelpunkt der Orthopädie rücken und Gelenkprobleme und Schmerzen am Bewegungsapparat in den Vordergrund stellen“, prognostizierte Nehrer.

Qualität der Orthopädie auf Top-Niveau

Laut dem Dekan der Donau-Universität Krems ist die Qualität der Orthopädie und Unfallchirurgie, so wie sie in Österreich betrieben wird, auf „einem sehr hohen Niveau“. Österreich ist eines jener Länder, in der beide Fächer, Orthopädie und Unfallchirurgie, weltspitze sind. „Wir haben zudem ein sehr dichtes Netz an Orthopädien und Traumatologien und können eine sehr gute Versorgung gewährleisten. In Österreich gibt es auch bereits Zentren, wo diese beiden Fächer nun auch gemeinsam betrieben werden und die Fachzusammenlegung — auch in der strukturellen Versorgung — sehr gut funktioniert“, erläutert der Experte. Ein Blick außerhalb Österreichs zeigt, dass sich die Orthopädie und Traumatologie in vielen Länder Europas — anders als in Österreich — als gemeinsames Fach entwickelt hat. „In Österreich haben wir jedoch keine Fusion von Orthopädie und Unfallchirurgie angestrebt, sondern das neue Fach gegründet, bei dem es innerhalb des Faches die Möglichkeit der Spezialisierung gibt“, so der Experte. Es gibt nun eine Grundausbildung von drei Jahren mit vertiefenden Modulen zu je neun Monaten.

Die steigende Lebenser­wartung und die vorwiegend sitzende Lebensweise vieler Menschen sorgen künftig für einen wachsenden Bedarf an orthopädischen und unfall­chirurgischen Leistungen.

Orthopädie der Gegenwart und Zukunft

Die derzeitigen Schwerpunkte der Orthopädie sieht der Leiter des Zentrums für Regenerative Medizin vor allem in der Behandlung akuter und chronischer Erkrankungen des Bewegungssystems. Dabei werden laut Nehrer vor allem Erkrankungen wie angeborene, wachstumsassoziierte, durch Knochenstoffwechsel, durch Infektion, neurologische, rheumatische, systemische Erkrankungen entsprechend behandelt. „Es gibt zwei Schwerpunkte bei der Behandlung, wobei es hier weniger um ein ‚entweder oder‘, sondern — unter Einbeziehung der Patientinnen und Patienten — vielmehr um sinnvolle individuelle Problemlösung der Behandlung geht. „Auf der einen Seite haben wir den operativen Eingriff, auf der anderen Seite die konservative Behandlung, die von der chirurgischen nicht zu trennen sei“, so Nehrer. Beide Ansätze sind in organisierter und effizienter Ergänzung der jeweiligen Spezialisierung zentral für eine moderne und optimierte Versorgung im Sinne der Patientinnen und Patienten wichtig. Das bestätige sich laut dem Experten auch in der Verteilung der stationären orthopädischen Krankheitsbilder bzw. der Gesamtaufnahmen, die stationär behandelt werden. „26 Prozent der Fälle betreffen das Bewegungssystem und 24 Prozent die Wirbelsäule. Das zeigt, dass das konservative Problem das wesentlich größere ist und es wichtig ist, dass wir die Kompetenz im konservativen Bereich, aber auch im operativen Bereich weiter forcieren.“ Zukunftsprognosen für das Jahr 2030 zeigen, dass die orthopädisch-traumatischen stationären Aufnahmen um vier Prozent steigen werden, während andere stationäre Aufnahmen um etwa vier Prozent sinken werden. „Jede vierte Patientin bzw. jeder vierte Patient der in einem Krankenhaus aufgenommen wird, ist mit Beschwerden des Bewegungsapparates konfrontiert und hat ein orthopädisch-traumatologisches Krankheitsbild. Im Jahr 2030 wird es bereits jede bzw. jeder Dritte sein“, prognostiziert der Dekan.

Die Orthopädie hat sich laut Nehrer in Österreich im Bereich der Digitalisierung gut weiterentwickelt, insbesondere bei der Arthroseforschung, wo er großes Potenzial für die Zukunft sieht: „Wenn wir Methoden wie Deep-Learning in Zukunft aktiv nutzen und Bildmaterial entsprechend digital aufarbeiten, können Diagnosen den behandelnden Ärztinnen und Ärzte sehr bald automatisiert zur Verfügung stehen“. Diagnosen, die laut Nehrer deutlich exakter seien, als subjektive Diagnosen der Ärztinnen und Ärzte. „Solche Prognosen würden uns in die Lage versetzen, wesentlich rascher und früher reagieren zu können“, erklärt Nehrer.

Orthopädie und Traumatologie 2030?

In Zukunft werde die Orthopädie und Trauma­tologie, so der Experte, zunehmend interdisziplinär und integrativ aufstellen. „Der Fokus liegt in der Transdisziplinarität. Um die Zukunft der Orthopädie und Traumatologie dahingehend zu beeinflussen, benötigt es aber vor allem eine optimale Ausstattung mit den entsprechenden Ressourcen — entsprechend des epidemiologischen Bedarfes.“ Gleichzeitigt sei laut dem Experten eine Strukturanpassung der Versorgung von Nöten, um den Bedarf der zunehmenden Arthrosen oder Schmerzen am Bewegungsapparat behandeln zu können. „Wichtig ist, dass die hohe Qualität in Aus- Weiter- und Fortbildung weiterentwickeln werden muss. Auch das operative und konservative Spektrum muss erhalten bleiben bzw. die fachliche Kompetenz und Spezialisierung in beiden Fächern“, betonte Nehrer abschließend.

PRAEVENIRE Initiative Gesundheit 2030

Block 2 | Gesundheitsberufe und Ausbildung
Programm im Rahmen der PRAEVENIRE Gesundheitstage 2020

Keynotes
Künstliche Intelligenz auf der Intensivstation — Wie realistisch sind neue Einsatzmöglichkeiten für KI im Spital?
Prof. Dr. Emanuela Keller | Universitäts­spital Zürich, Klinik für Neurochirurgie
Weiterbildung für Gesundheitsberufe
PhDr. Andrea Gruber, MSc, MBA | Donau-Univer­sität Krems, Department für Wirtschaft und Gesundheit
Pflege 2030: Möglichkeiten und Visionen
Mag. Roland Nagel, MBA, DGKP | Pflegeexperte & Politologe

Orthopädie 2030
Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer | Donau-Universität Krems, Fakultät für Gesundheit und Medizin

Podiumsdiskussion
Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Martin Andreas, MBA, PhD | Ärztekammer Wien
Dr. Eva Höltl | Erste Group Bank AG, Health Center
Dr. Erwin Rebhandl | AM Plus und OBGAM
Hon. Prof. (FH) Dr. Bernhard Rupp | Kammer für Arbeiter und Angestellte NÖ
Dr. Andreas Stippler | Ärztekammer NÖ

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