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Out of the Box #4: Wissenschaft und Vulnerabilität

v. l. Ulrich Jäger, Elham Pedram, Michael R. Bishop, Nina Worel, Felix Keil, Andreas Petzer, Richard Greil, Dominik Wolf, Clemens Schödl | © Peter Provaznik

Out of the Box #4: Wissenschaft und Vulnerabilität

v. l. Ulrich Jäger, Elham Pedram, Michael R. Bishop, Nina Worel, Felix Keil, Andreas Petzer, Richard Greil, Dominik Wolf, Clemens Schödl | © Peter Provaznik

Zum bereits vierten Mal fand im November 2019 die von Dr. Elham Pedram, MBA, Business Unit Director bei Gilead Sciences, sehr erfolgreich initiierte Veranstaltung „Out of the Box“ statt, bei der auch in diesem Jahr hochkarätige Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Medizin, Wissenschaft und Wirtschaft teilnahmen und welche die zahl­reichen Anwesenden zum Querdenken inspirierte. | Von Mag. Dren Elezi, MA

Unter dem Titel „Wissenschaft und Vulnerabilität“ fand die diesjährige Veranstaltung „Out of the Box“ statt, bei der die interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Querdenken eingeladen und von DI Dr. Clemens Schödl, Geschäftsführer von Gilead Sciences Österreich, begrüßt wurden. Im ersten Teil der Veranstaltung wurden die Chancen und die Herausforderungen der CAR-T-Zelltherapie in den Mittelpunkt gerückt, während der zweite Teil das Thema der Vulnerabilität aus verschiedenen Dimensionen in den Fokus setzte. Unter dem Vorsitz von Univ.-Prof. Dr. Ulrich Jäger, Professor für Hämatologie an der MedUni Wien und Leiter der Klinischen Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie am AKH Wien, beleuchteten die Expertinnen und Experten unterschiedliche Aspekte der CAR-T-Zelltherapie. Der renommierte Professor Michael R. Bishop, MD, Direktor des Cellular Therapy Programms, Abteilung für Hämatologie und Onkologie an der Universität Chicago, referierte zum Thema „CAR T Cells — Chicago Experience“. „When I came to the University of Chicago, I knew that Cellular Therapy was going to be the next large thing that would benefit our patients. We developed a strategic plan, we hoped to put us in a position to be a leader in this field. As a part of that, we wanted to maintain a strong association with the pharmaceutical companys. It is very hard to have the resources of the University of Pennsylvania or the National Cancer Institute, so we knew that we needed to work strongly with pharma and we wanted to provide an Environment that they would want to conduct their trials so that we could quickly implement the trials.“ Eine der Herausforderungen für die Zukunft der CAR-T-Zelltherapie sieht Bishop darin, herauszufinden, warum bestimmte Patientinnen und Patienten nicht auf die Therapie ansprechen. „The greatest challenge is to understand why certain patients do not respond to therapy and using that information to improve the efficacy of CAR T cell therapy. I do look forward to potential breakthroughs in this area within the next five years. This is such an exciting time and I think we will see significant advances in the treatment of cancer in the coming years“, so Bishop. Laut Professor Bishop verfügt die Universität Chicago im Bereich der CAR-T-Zelltherapie über ein breites Portfolio, während die klinischen Forschungsaktivitäten in diesem Bereich auch weiterhin sehr stark ausgebaut werden.

Apherese für CAR-T-Behandlung

Das Thema der Apherese für die CAR-T-Behandlung setzte Univ.-Prof. Dr. Nina Worel von der Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin der MedUni Wien in den Mittelpunkt ihres Vortrags. „Eine unserer Herausforderungen in der Behandlung ist, dass Patientinnen und Patienten einen sehr dringenden Behandlungsbedarf haben und wir mit der nächsten Therapie bereits starten sollten. Es gibt nur einen sehr engen Zeitraum, in dem Leukozyten (als Ausgangsmaterial für CAR-T-Zellen) gesammelt werden können, um dann die nächste Therapie verabreichen zu können“, so Worel. Bei Patientinnen und Patienten, die in Studien behandelt werden, stelle sich ihr zufolge oft die Frage, ob der nächste verfügbare Slot dem eigenen Patienten zur Verfügung stehe, denn hier müssen bestimmte Kriterien beachtet werden, etwa, ob eine allogene Transplantationen durchgeführt wurde (z. B. bei B-ALL), denn dann muss ein Abstand zur Leukozytensammlung von immerhin 12 Wochen eingehalten werden. „Diese Auswasch­phasen gilt es bei der Behandlung schließlich mitzudenken, da die Einschlusskriterien in klinischen Studien sehr restriktiv und von Herstellern genau beschrieben sind.“ Laut Worel gibt es auch Herausforderungen, die es in der Apherese zu meistern gilt. „Wichtig ist, dass die Apherese optimiert wird, um ein optimales Ausgangsmaterial für die weitere Bearbeitung zur Verfügung zu stellen. Bei den unstimulierten Leukozyten, bei denen die Zellzahlen im Blut des Patienten sehr niedrig sind, ist es z. B. extrem wichtig, dass der Blutfluss konstant ist und die Verunreinigung des Leuko­zytenkonzentrates mit Erythrozyten so gering wie möglich ist.“ In Bezug auf die Leukapherese gelte es, das optimale Timing besser zu managen, so Worel. Eine weitere
Herausforderung betreffe auch die Krankheitsprogression und den Bedarf einer nächsten Therapie, wo die Leukapherese so einzuplanen ist, dass keine Störfaktoren auftreten.

Die zahlreichen Anwesenden beim bereits vierten „Out of the Box“ zum Thema Wissenschaft und Vulnerabilität, initiiert von Elham Pedram. | © Felicitas Matern

Ausblick auf die Zukunft von CAR-T

In der anschließenden Diskussion betonte Prim. Univ.-Prof. Dr. Richard Greil, Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin III, Landeskrankenhaus Salzburg, dass er angesichts der momentanen Daten und der laufenden Studien die nächsten Schritte für die CAR-T-Zelltherapie als sehr optimistisch betrachtet. „Ich gehe davon aus, dass es die Erstlinientherapie erreichen wird, insbesondere bei den Hochrisikopatienten, unter denen die Therapieergebnisse mit herkömmlichen Methoden schlecht sind.“ Zudem ging Greil davon aus, dass es in Zukunft viel bessere Kombinationstherapien geben wird, dafür weniger Chemotherapien und mehr Kombinationen mit anderen Medikamenten. Laut Prim. Univ.-Prof. Dr. Dominik Wolf, Leiter der Univ.-Klinik für Innere Medizin V, Hämatologie und Onkologie an der MedUni Innsbruck, müsse auch die Frage der Finanzierbarkeit diskutiert werden. „Unsere Aufgabe ist es, die Entwicklung und den Bedarf für die Zukunft vorauszuschauen. Am wichtigsten ist, dass in Österreich ein nationales Programm entwickelt wird und wir versuchen, eine Biobank aufzustellen, wo die etwa 100 bis 150 behandelten Patientinnen und Patienten auch im Sinne der Forschung zur Verfügung stehen.“ Hier müssten allerdings die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt werden, ergänzte Wolf. Laut Prim. Univ.-Prof. Dr. Andreas Petzer, Leiter der Abteilung Interne I für Hämatologie mit Stammzelltransplantation, Hämostaseologie und Medizinische Onkologie am Ordensklinikum Linz, Barmherzige Schwestern, Elisabethinen, stehe schon die nächste Generation an CARs vor der Tür. „Wenn sich die CARs bzw. ähnliche zelluläre immuntherapeutische Ansätze in dem zu erwartenden Ausmaß erfolgreich weiterentwickeln, werden in zunehmendem Maße immer mehr größere Hämatologien und medizinische Onkologieeinheiten zelluläre Therapien anbieten müssen.“ Was die Finanzierbarkeit betrifft, geht Petzer davon aus, dass in Zukunft weitere Unternehmen auf den Markt drängen werden und es demnach zu einer entsprechenden Preiskorrektur kommen wird. Prim. Univ.-Prof. Dr. Felix Keil, Abteilungsvorstand der 3. Medizinischen Abteilung im Wiener Hanusch Krankenhaus, geht davon aus, dass „in Zukunft mit einer Expansion des Bedarfs an T-Zell-Therapien zu rechnen sein wird“, was schließlich auch unter dem Aspekt der Infrastruktur und der Versorgungskonzepte im Bereich der T-Zelltherapie diskutiert werden muss. Gleichzeitig gab Keil zu bedenken, „dass die Langzeitergebnisse beobachtet und abgewartet werden müssen, denn es gibt das bekannte Problem der B-Zell-Aphasie.“ Laut Keil müsse man auch die viralen Komplikationen genau beobachten. „Allogene Transplantdaten zeigen, dass vor allem bei jüngeren fitteren Patientinnen und Patienten die allogene Transplantation auch weiterhin eine valide Option ist und je nach Risikofaktor individuell diskutiert werden muss. Ein weiterer wichtiger Faktor, den Keil betonte und der in dieser Diskussion berücksichtigt werden müsse, ist der Zeitfaktor des Processings, bis Patientinnten und Patienten in Behandlung sind.

Vulnerabilität im Fokus

Dr. Elham Pedram, MBA, Business Unit Director bei Gilead Sciences eröffnete den zweiten Teil der Veranstaltung von „Out of the Box“. Unter dem Vorsitz von Univ.-Prof. Dr. Alexander Gaiger, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Klinische Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie an der MedUni Wien/AKH, beleuchteten die Expertinnen und Experten die Vulnerabilität aus verschiedenen Dimensionen. Prim. Univ.-Prof. Dr. Richard Greil betonte in seinem Impulsvortrag zum Thema Vulnerabilität im Gesundheitssystem und in der Forschung: „Wenn Vulnerabilität die Offenheit für Innovation, Veränderung und Transformation einer Gesellschaft mit sich bringt, dann muss das auch auf das Wertesystem zutreffen.“ Weiters bekräftigte Greil, die Bedeutung der „Unverzichtbarkeit der Streitbarkeit in der Medizin und der Emanzipation der Pflege durch Leistung“ und betonte, dass „es eine Restaurierung eines meritokratischen Wertesystems durch Exzellenz und Leistung sowie eine hohe Kritikfähigkeit und Wach­samkeit benötigt.“

In seinem Vortrag bekräftigte Prim. Univ.-Prof. DDr. Michael Lehofer, Leiter der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie I am LKH Graz Süd-West, aus der Perspektive der Psychologie und Psychiatrie, dass Würde erst dann gegeben sei, wenn der Mensch einen anderen nicht als Objekt behandle. „Eine gesunde Psyche ermöglicht uns, nahezu alles zu bewältigen. Wenn aber das Instrument, mit dem wir Situationen bewältigen wollen, erkrankt, ist man gegenüber neuen Herausforderungen sehr anfällig und hat eine sehr hohe Vulnerabilität.“ Die Frage, ob unter dem Aspekt der Vulnerabilität die Umwelt oder die Gene relevanter sind, beantwortete Lehofer damit, „dass alles 100-prozentig genetisch und 100-prozentig umweltbedingt ist, weil die Genexpression einen Auslösefaktor benötigt.“ Zudem ging Lehofer auf posttraumatische Belastungsstörungen als typische psychische Reaktion auf einschneidende Momente ein, die aus seiner Sicht erstaunlicherweise auch vererbbar seien, „womit sich Vulnerabilität
auf biologischer Ebene bei Menschen in zweiter oder dritter Generation äußern kann.“

v. l. Clemens Schödl, Alexander Gaiger, Marianne Schulze, Elham Pedram, Michael Lehofer, Richard Greil | © Peter Provaznik

Vulnerabilität und Menschenrechte

Der Aspekt der Vulnerabilität in der Wirtschaft und Gesellschaft wurde von Mag. Gregor Demblin, Gründer des Start-ups myAbility, abgedeckt. Aufgrund eines Unfalls ist Demblin querschnittsgelähmt und musste mit 18 Jahren lernen, die neuen Herausforderungen seines Lebens im Rollstuhl zu meistern: „Aufgrund des Rollstuhls musste ich feststellen, dass viele Menschen nicht mehr gewusst haben, wie sie mit mir umgehen sollen. Leistung ist mir nicht mehr zugetraut worden.“ Das hat Demblin schließlich zu der Erkenntnis geführt, dass Vulnerabilität nirgendwo so offensichtlich sei, wie im Fall von schweren Erkrankungen oder Behinderungen. „Meine Vision ist es daher, Chancengerechtigkeit und bessere Lebensbedingungen für 15 Mio. Menschen mit Behinderung im deutschen Sprachraum zu schaffen.“ Je mehr Demblin die Barrieren in den Köpfen der Menschen bewusst geworden sind, umso mehr kam in ihm der Wunsch auf, die Gesellschaft zu verändern. Laut Demblin liegt der Grund für das geringe Bewusstsein der Gesellschaft darin, dass „über 90 Prozent der Behinderungen nicht sichtbar sind, weshalb wir von einem tabuisierten Phänomen sprechen.“

Dr. Marianne Schulze, freischaffende Menschenrechtskonsulentin und Juristin, widmete sich in ihrem Impulsvortrag der Frage, was Menschenrechte zur Frage der Vulnerabilität beitragen  können bzw. welche Vorgaben die Menschenrechte rund um die Frage Vulnerabilität machen. „Vulnerabilität entsteht aus Umständen und nicht aus der Person heraus. Die Umstände verstärken allerdings eine Disposition, die manche Menschen aufgrund ihrer Erfahrung und Herkunft haben und die diese Personen in gewissen Situationen besonders verletzlich macht.“ Den Fokus legte Schulze auf die Frage, was getan werden könnte, „um in einer Situation der Vulnerabilität Sicherheit zu schaffen und die Würde des Menschen zu gewährleisten. Das Ziel der Menschenrechte sei, dass alle Menschen in Würde leben können.“ Laut der Juristin Schulze sei die Frage der Würde und das Phänomen, dass einem die Würde genommen wird, aus menschenrechtlicher Sicht sehr entscheidend für negative Erfahrungen, die Menschen machen.

Teilnehmende

Teil 1 | Chancen und Herausforder­ungen der CAR-T-Zelltherapie

  • Univ.-Prof. Dr. Ulrich Jäger | Leiter der Klinischen Abteilung für Hämatologie und Hämo­staseologie an der MedUni Wien/AKH Wien

  • Michael R. Bishop, MD | Direktor des Cellular Therapy Programms, Abteilung für Hämatologie und Onkologie an der Universität Chicago

  • Univ.-Prof. Dr. Nina Worel | Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin der MedUni Wien

  • Prim. Univ.-Prof. Dr. Richard Greil | Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin III,
    Landeskrankenhaus Salzburg

  • Prim. Univ.-Prof. Dr. Felix Keil | Abteilungs­vorstand der 3. Medizinische Abteilung, Hanusch Krankenhaus Wien

  • Prim. Univ.-Prof. Dr. Andreas Petzer | Abteilung Interne | — Internistische Onkologie, Hämatologie und Gastroenterologie, Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz

  • Prim. Univ.-Prof. Dr. Dominik Wolf | Leiter der Univ.-Klinik für Innere Medizin V, Hämatologie und Onkologie, MedUni Innsbruck

Teil 2 | Vulnerabilität aus verschiedenen Dimensionen beleuchtet

  • Prim. Univ.-Prof. Dr. Richard Greil | Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin III,
    Landeskrankenhaus Salzburg

  • Prim. Univ.-Prof. DDr. Michael Lehofer | Leiter der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, LKH Graz Süd-West

  • Mag. Gregor Demblin | Gründer des Start-ups myAbility

  • Dr. Marianne Schulze, LL.M. | freischaffende Menschenrechtskonsulentin und Juristin

  • Univ.-Prof. Dr. Alexander Gaiger | Universitätsklinik für Innere Medizin I, Klinische Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie der MedUni Wien/AKH Wien


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