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Wiedereingliederung und berufliche Reintegration

© Peter Provaznik

Wiedereingliederung und berufliche Reintegration

© Peter Provaznik

Wenn Menschen aus gesundheitlichen Gründen ihren Beruf nicht mehr ausüben können, ist das für die Betroffenen sehr belastend. Bei den 5. PRAEVENIRE Gesundheitstagen im Stift Seitenstetten beleuchtete Dr. Eva Höltl, Ärztliche Leiterin des Gesundheitszentrums der Erste Group Bank AG, die Bedeutung einer beruflichen Reintegration für Menschen, die nach einem langen Krankenstand wieder in den Arbeitsalltag einsteigen. | von Mag. Dren Elezi, MA

Wenn Menschen aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund eines Unfalles ihren Beruf nicht mehr ausüben können, sind sie meist mit einer sehr belastenden Situation konfrontiert. Doch statt eines Weges zurück in die Arbeitswelt, sehen viele den einzigen Ausweg in der krankheitsbedingen Frühpensionierung. Dies spiegeln auch die Zahlen wieder: von im Jahr 2018 insgesamt 50.398 gestellten Anträgen, wurden 14.000 bis 15.000 Berufsunfähigkeits- bzw. Invaliditätspensionen pro Jahr zuerkannt. Allerdings haben über 50.000 Personen jährlich um eine solche angesucht — mehr als in Alterspension gegangen sind. „Das zeigt uns, dass mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um eine krankheitsbedingte Frühpensionierung ansuchen, als Menschen regulär in Alterspension gehen. Wir sprechen von Menschen, die zum Teil deutlich unter dem Pensionsantrittsalter sind“, betonte Höltl.

Mit Rehabilitation kann die Leistungsfähigkeit bei vielen Betroffenen so wiederhergestellt werden, dass diese wieder am sozialen Leben teilhaben und sich auch beruflich reintegrieren können.

Um eine Förderung der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bzw. Wiederherstellung nach Langzeiterkrankung einfacher zu ermöglichen, wurde 2017 die Wiedereingliederungsteilzeit (WIETZ) geschaffen. Die betroffenen Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer konnten ab dann mit ihrer Arbeitgeberin oder ihrem Arbeitgeber eine Vereinbarung treffen, wonach ihre Arbeitszeit vorläufig herabgesetzt wird. Eine ähnliche Regelung gab es zwar auch bereits vor dem Wiedereingliederungsteilzeitgesetz, doch durch das neue Gesetz aus dem Jahr 2017 fallen die oft existenzbedrohenden Gehaltseinbußen durch Teilzeitbeschäftigung weg, da diese, zumindest teilweise, über ein von der Sozialversicherung auszuzahlendes „Wiedereingliederungsgeld“ ausgeglichen werden. Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der neuen gesetzlichen Möglichkeit sind ein mindestens sechswöchiger, ununterbrochener Krankenstand, die bestätigte Arbeitsfähigkeit der rückkehrenden Person und eine Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der zuständigen Krankenversicherung.

Erhalt der Gesundheit und Leistungs­fähigkeit

„Durch die Rehabilitation wird versucht, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Versicherten — die an einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung leiden — soweit zu steigern, dass sie im beruflichen und wirtschaftlichen Leben sowie in der Gesellschaft den ihnen gebührenden Platz wieder einnehmen können“, betonte Höltl. Durch die WIETZ kann eine schrittweise Rückkehr und ein sanfter Einstieg nach einem langen Krankenstand — ob aus physischen oder psychischen Gründen — in den Arbeitsalltag erfolgen. „Wir befinden uns in einer wesentlichen Schnittstelle, in der Menschen Gesundheitseinrichtungen verlassen und wieder zurück ins Erwerbsleben einsteigen möchten“, so Höltl, die betonte, dass mit dem Wiedereingliederungsteilzeitgesetz ein Paradigmen­wechsel vollzogen wurde.

Große Nachfrage

Laut Höltl stehen die Zahlen für ein Erfolgsmodell: „Im Jahr 2017 wurde noch von etwa 200 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgegangen, die voraussichtlich das Angebot des Wiedereingliederungsteilzeitgesetzes nutzen würden. Tatsächlich waren es in den ersten zwei Jahren aber über 7.000 Anträge, die auch überwiegend bewilligt wurden.“ Laut der Expertin profitiert vor allem die Altersgruppe der 40- bis 55-Jährigen mit überwiegend onkologischen, muskuloskelettalen oder psychosomatischen Erkrankungen von diesem Erfolgsmodell. Statistiken zeigen, dass sich sechs Monate nach Beendigung der Wiedereingliederungsteilzeit immerhin 90 Prozent aller Personen weiterhin im Erwerbsleben befinden. „Das große Interesse zeigt, dass es der richtige Weg ist, nach langer und schwerer Erkrankung das Arbeitsumfeld für einige Zeit etwas anzupassen, um einen guten Wiedereinstieg zu ermöglichen. Es sorgt dafür, dass Langzeiterkrankte die Möglichkeit haben, über einen Zeitraum von sechs Monaten Teilzeit zu arbeiten, und dabei in Summe 80 bis 90 Prozent ihres Vollzeit-Einkommens erhalten. Es lohnt sich in jeder Hinsicht und stellte eine Kosteneinsparung gegenüber Frühpensionierungen oder teuren Umschulungen dar, die bei vielen dieser Personen nicht notwendig sind“, so Höltl.

Jährlich gehen etwa 40.000 Menschen in Alterspension. Über 50.000 suchen um eine krankheitsbedingte Frühpensionierung an, die in ca. 15.000 Fällen genehmigt wird.

Zunahme psychischer Erkrankungen eine Herausforderung

Für die Zukunft sieht die Gesundheitsmanagerin bei der beruflichen Rehabilitation und der Förderung der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt eine große Herausforderung beim Thema psychische Erkrankungen. „In der Krankenstandssdiagnostik sehen wir weiterhin einen hohen Anteil von psychischen Erkrankungen. Sie sind eine der Hauptursachen für die Invaliditätspension“, gab Höltl zu bedenken. Hinzu komme, dass Österreich im internationalen Vergleich eine niedrige Erwerbsquote psychisch erkrankter Personen aufweist. Abschließend äußerte sie auch ein Anliegen, um dieses Angebot weiter auszubauen und zu erweitern: „Mein Wunsch an die Zukunft wäre, eine längerfristige Teilarbeitsfähigkeit gesetzlich zu ermöglichen“, beendete Höltl ihre Keynote.

PRAEVENIRE Initiative Gesundheit 2030

Block 3 | Systemstruktur und effiziente solidarische Versorgung Programm im Rahmen der PRAEVENIRE Gesundheitstage 2020

Keynotes
Der ideale Weg der Patientinnen und Patienten durch das System — Ist ein Gatekeeper notwendig oder nicht?
Dr. Werner Leber | Queen Mary University of London, Centre for Primary Care and Public Health
Qualitätssicherung und Patientensicherheit
Dr. Günther Jonitz | Ärztekammer Berlin
Wie weiter in der neuen Sozialversicherungsstruktur?
Hon.-Prof. Dr. Christoph Klein | Arbeiterkammer Wien, Bundesarbeitskammer
Rehabilitation und Reintegration
Dr. Eva Höltl | Erste Bank Group AG, Health Center
Strategische Visionen für die europäische Gesundheitsversorgung
Prof. DDr. h. c. Felix Unger | European Academy of Sciences and Arts

Podiumsdiskussion
Dr. Alexander Biach | Wirtschaftskammer Wien
HR Dr. Thomas Holzgruber | Ärztekammer für Wien
Tamás Petrovics | Xund
Dr. Erwin Rebhandl | AM PLUS und OBGAM
Mag. Martin Schaffenrath, MBA, MBA, MPA | ÖGK

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